ExoMars-Rover: Die Auswahl der Landezone hat begonnen

Im Januar 2019 soll der ExoMars-Rover auf dem Mars landen und in den folgenden Monaten nach Hinweisen auf früheres Leben auf unserem äußeren Nachbarplaneten suchen. Im Rahmen eines Workshops wurde die Liste der eventuellen Landeplätze dieses Rovers jetzt auf vier verbleibende Kandidaten eingegrenzt.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESA.

ESA
Mit seinem Bohrer wird der ExoMars-Rover Bodenproben aus einer Tiefe von bis zu zwei Metern entnehmen, welche anschließend durch die Instrumente im Detail untersucht werden können.
(Bild: ESA)

Eines der Aufgabengebiete der Exobiologie besteht in der Suche nach extraterrestrischem Leben und der Ergründung der Umweltbedingungen, welche die Entstehung und Weiterentwicklung von Leben in unserem Universum ermöglichen. Hierzu startet die Europäische Weltraumagentur ESA in den Jahren 2016 und 2018 in Kooperation mit der russischen Weltraumagentur Roskosmos in zwei Etappen die Mission ExoMars. Im Rahmen dieser unbemannten Erkundungsmission zu unserem äußeren Nachbarplaneten wird auch ein Rover zum Einsatz kommen, welcher im Mai 2018 zum Mars starten und voraussichtlich Mitte Januar 2019 auf der Marsoberfläche landen soll.
Im Gegensatz zu den beiden gegenwärtig von der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA betriebenen Marsrovern Opportunity und Curiosity, deren Missionen in erster Linie auf die Beantwortung geologischer Fragestellungen ausgerichtet sind, wird dieser Rover in seiner wissenschaftlichen Zielsetzung mehr auf biologische Untersuchungen spezialisiert sein und auf dem Mars nach Anzeichen für einstiges oder sogar noch gegenwärtig existierendes Leben suchen.
Zudem sollen im Rahmen dieser zunächst auf eine Dauer von sechs Monaten ausgelegten Mission die geochemischen Bedingungen im Landegebiet des Rovers analysiert werden. Neben verschiedenen wissenschaftlichen Instrumenten kommt dabei auch erstmals in der Geschichte der Marsforschung ein Bohrsystem zum Einsatz, welches Bodenproben aus einer Tiefe von bis zu zwei Metern zutage fördern und anschließend mit einem speziellen Instrumentenset analysieren soll.

Die Auswahl eines geeigneten Landeplatzes
Entscheidend für die erfolgreiche Durchführung einer Mission auf der Marsoberfläche ist unter anderem die Auswahl eines geeigneten Landeplatzes, welcher mit der wissenschaftlichen Zielsetzung der Mission vereinbar ist, gleichzeitig aber auch verschiedene technische Anforderungen erfüllen muss. Zwecks der Auswahl des Landeplatzes für den ExoMars-Rover riefen die ESA und das Institut für Weltraumforschung der russischen Akademie der Wissenschaften (IKI) die internationale Gemeinde der Marsforscher im Dezember 2013 dazu auf, geeignete Vorschläge einzureichen. Hierbei mussten allerdings bestimmte Kriterien berücksichtigt und erfüllt werden.
Wissenschaftliche Anforderungen
Der Planet Mars stellt in der Gegenwart eine lebensfeindliche Umgebung dar, in der selbst extremophile Organismen aufgrund des Mangels an Wasser und Luft, der extremen Umgebungstemperaturen sowie der relativ hohen Strahlungsdosen, welche die nahezu ungeschützte Planetenoberfläche fast ungehindert erreichen, wohl kaum existieren können. Allerdings hat sich der Mars sehr wahrscheinlich nicht immer als eine solche „lebensfeindliche Wüste“ präsentiert. Vor Jahrmilliarden verfügte unser äußerer Nachbarplanet noch über eine dichtere Atmosphäre, welche in Kombination mit den dabei gegebenen höheren Temperaturen das Vorhandensein von flüssigem Wasser auf der Planetenoberfläche ermöglichte.

Somit besteht durchaus die Möglichkeit, dass sich vor mehr als 3,5 Milliarden Jahren, als die Umweltbedingungen noch deutlich „lebensfreundlicher“ waren als in der Gegenwart, auf dem Mars primitive Lebensformen entwickelt haben könnten. Und ganz eventuell könnten einige dieser denkbaren Organismen sich nach der Verschlechterung der Lebensbedingungen in den Untergrund zurückgezogen haben, wo sie eventuell sogar noch in der Gegenwart geeignete Nischen, welche sich zum Beispiel in der Nähe von vulkanischen Hotspots befinden könnten, besiedeln. Das Auffinden der Überreste solcher Organismen ist das Ziel der Mission des ExoMars-Rovers.

ESA-Roscosmos, LSSWG, E. Hauber
Auf dem Mars existieren viel mehr interessante Regionen, die einer eingehenden wissenschaftlichen Untersuchung bedürfen, als Rover oder Lander vorhanden sind.
(Bild: ESA-Roscosmos, LSSWG, E. Hauber)

Auf der Erde finden sich die Biosignaturen von organischen Lebensformen unter anderem in feinkörnigen Sedimentgesteinen von Flussdeltas, welche dort durch langsam fließendes Wasser abgelagert wurden. Einige der dort zu findenden Gesteine, zum Beispiel Tongestein, sind sehr gut dazu geeignet, um organische Verbindungen aufzunehmen und zu erhalten. Tonminerale sind zudem auch ein Hinweis auf eine über auch in geologischen Zeiträumen betrachtet länger andauernde Verwitterung von Gesteinen in einer wasserhaltigen Umgebung.

Aus diesem Grund, so die Vorgabe von ESA und Roskosmos, soll sich der zukünftige Landeplatz des Rovers in einem Gebiet befinden, welches in der Vergangenheit eindeutig über längere Zeiträume hinweg von stehenden oder fließendem Wasser beeinflusst und dabei nicht nur rein mechanisch sondern auch chemisch verändert wurde. Das Mindestalter des zu untersuchenden Oberflächenbereiches soll mindestens 3,6 Milliarden Jahre betragen.

Das Grundgestein, welches sich in diesem Bereich befindet, sollte außerdem über möglichst lange Zeiträume hinweg dauerhaft von einer Schicht aus Lockermaterial bedeckt gewesen sein. Anderenfalls besteht die erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass die aus dem Weltraum auf die Marsoberfläche einfallende kosmische Strahlung im Laufe der Jahrmillionen und Jahrmilliarden die organischen Substanzen, nach denen ExoMars suchen soll, zerstört hat. Zusätzlich soll der zu untersuchende Oberflächenbereich idealerweise nur von einer möglichst dünnen Schicht aus Staub bedeckt sein.

Technische Anforderungen
Neben diesen hier nur kurz angerissenen wissenschaftlichen Anforderungen an den zukünftigen Landeplatz stellen auch die an der Mission beteiligten Ingenieure gewisse Anforderungen.

Im Gegensatz zu dem durch einen Radioisotopengenerator mit Strom versorgten Marsrover Curiosity wird der mit Solarpaneelen ausgestattete ExoMars-Rover bezüglich seiner Energieversorgung ausschließlich auf die Sonnenenergie angewiesen sein. Aus diesem Grund muss das zukünftige Landegebiet dieses Rovers in einem Bereich liegen, welches sich zwischen fünf Grad südlicher und maximal 25 Grad nördlicher Breite befindet. Nur in diesem Bereich wird der Rover auch während der Wintermonate und dem damit verbundenen tiefen Sonnenstand genügend Energie gerieren können, um weiterhin operationsfähig zu sein.
Aufgrund des Landeverfahrens – die Landeplattform, welche den Rover beherbergt, wird an einem Fallschirm durch die Marsatmosphäre zur Oberfläche absteigen – muss sich das Landegebiet außerdem in einem Bereich der Marsoberfläche befinden, welches mindestens zwei Kilometer unterhalb einer Linie liegt, welche auf der Erde dem „Meeresspiegel“ entspricht. Mangels eines solchen Meeresspiegels, welcher auf der Erde als Bezugsniveau für Höhenangaben dient, beziehen sich die Höhenangaben auf dem Mars auf einen Referenzkörper, den sogenannten Areoid. Hierbei handelt es sich um einen imaginären dreidimensionalen Körper, dessen Mittelpunkt mit dem Zentrum des Mars identisch ist und dessen Oberfläche sich in einer Entfernung von 3.396 Kilometern von diesem Zentrum befindet. Diese Grenze wird durch einen Wert konstanter Schwerkraft, dem sogenannten Schwerepotential, definiert.

Zusätzlich darf sich innerhalb der Landeellipse, welche voraussichtlich über eine Ausdehnung von 104 x 19 Kilometern verfügen wird, nur eine begrenzte Anzahl von größeren Felsen, Impaktkratern und Berghängen befinden. Anderenfalls wäre das Risiko bei der Landung zu groß. Außerdem muss der Rover in der Lage sein, das Gelände nach seiner Landung ohne größere Risiken einigermaßen gefahrlos zu befahren.

ESA-Roscosmo, LSSWG, D. Loizeau
Für die Landung des ExoMars-Rovers wurden acht Stellen vorgeschlagen. Lediglich vier sind derzeit noch „im Rennen“. Die entsprechenden Regionen sind in dieser Karte durch rote Kreise markiert.
(Bild: ESA-Roscosmo, LSSWG, D. Loizeau )

Aus acht Kandidaten werden vier
Trotz dieser großen Anforderungen wurden bis zum 28. Februar 2014 acht Vorschläge für die zukünftige Landeregion des ExoMars-Rovers eingereicht, welche anschließend vom 26. bis zum 28. März im Rahmen eines ersten „Landing Site Selection Workshops“ näher begutachtet wurden. An dieser Konferenz, welche am „European Space Astronomy Centre“ (ESAC) in der Nähe von Madrid stattfand, nahmen 60 Wissenschaftler und in die Mission involvierte Ingenieure teil. Im Rahmen ihrer Diskussionen konnte die an dieser Arbeitsgruppe beteiligten Missionsmitarbeiter die Liste der Landekandidaten auf jetzt nur noch vier potentielle Landeplätze eingrenzen.
Zwei der verbliebenen Kandidaten, die Regionen Hypanis Vallis und Oxia Palus, weisen hohe Konzentrationen von Sedimentgesteinen auf. Hier, so die Einschätzung, muss in der Vergangenheit Wasser über die Marsoberfläche geflossen sein, wobei sich mitgeführte Schwebstoffe absetzen konnten. In den im Rahmen dieses Prozesses gebildeten Sedimentablagerungen könnten sich Spuren von organischen Verbindungen auch über längere Zeiträume hinweg gehalten haben.

Die beiden anderen Kandidaten, die Regionen Mawrth Vallis und Oxia Planum, zeichnen sich dagegen dadurch aus, dass in diesen Bereichen von verschiedenen Marsorbitern aus sogenannte Schichtsilikate und Tonminerale entdeckt wurden. Für deren Entstehung ist jedoch das längerfristige Vorhandensein von flüssigem Wasser mit einem nahezu neutralen pH-Wert notwendig. Eine solche Umgebung könnte in der Vergangenheit unter bestimmten Umständen die Entstehung von primitiven Lebensformen auf dem Mars begünstigt haben.

ESA
Eine künstlerische Darstellung des zukünftigen Marsrovers ExoMars.
(Bild: ESA)

Detaillierte Beschreibungen der ursprünglich acht vorgeschlagenen Landeplätze finden Sie in englischer Sprache auf dieser Internetseite der ESA.

Die weitere Vorgehensweise
In den kommenden Monaten werden die Mitglieder der „Landing Site Selection Group“ die verbliebenen Kandidaten auch weiterhin eingehend auf ihre Tauglichkeit als zukünftige Operationsgebiete für den ExoMars-Rover analysieren, dabei aber auch weiterhin ihr Augenmerk auf die kürzlich ausgeschiedenen Kandidaten richten. Das Ziel dieser Arbeiten besteht darin, das wissenschaftliche Verständnis dieser Regionen weiter zu verbessern und gleichzeitig die technischen Risiken einer dort zu absolvierenden Landung noch besser als bisher zu analysieren. Über einen gewissen Vorteil könnte dabei das Mawrth Vallis verfügen, welches bereits bei der finalen Auswahl des Landeplatzes des NASA-Rovers Curiosity in der engeren Auswahl zur Debatte stand (Raumfahrer.net berichtete).

Spätestens in der zweiten Hälfte des Jahres 2016 soll die Anzahl der möglichen Landeorte noch weiter eingegrenzt werden. Die endgültige Entscheidung soll dann im Jahr 2017 getroffen werden. Im Rahmen des bis dahin laufenden Entscheidungsprozesses sollen auch weiterhin regelmäßig Daten herangezogen werden, welche bisher und auch zukünftig durch die drei derzeit aktiven Marsorbiter der NASA (Mars Reconnaissance Orbiter und Mars Odyssey) und der ESA (Mars Express) gesammelt werden. Und auch die beiden derzeit im Anflug auf den Mars befindlichen Orbiter MAVEN und Mangalyaan sowie der im Jahr 2016 zu startende Trace Gas Orbiter könnten neben ihren jeweiligen Primärmissionen in diesem Zusammenhang noch wertvolle Dienste leisten.

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