Ex-Interkontinentalrakete schickt Cryosat 2 ins All

Am 8. April 2010 hob pünktlich zum vorgesehenen Zeitpunkt eine Dnepr-Rakete im kasachischen Baikonur ab, um den europäischen Eisforschungssatelliten Cryosat 2 in den Weltraum zu bringen.

Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: Astrium, ESA, Kosmotras, Roskosmos.

ESA / S. Corvaja
Start der Dnepr mit Cryosat 2 am 8. April 2010
(Bild: ESA / S. Corvaja)

Der von Astrium für die europäische Weltraumorganisation ESA gebaute Cryosat 2 ist Ersatz für das Vorgängermodell Cryosat, das am 8. Oktober 2005 nach dem Start wegen eines Problems in der Ablaufsteuerung einer Rockot-Trägerrakete verlorenging. Der Bau von Cryosat 2 begann im März 2006. Mitte 2008 wurde der Satellit in das Testzentrum der IABG in Ottobrunn gebracht, wo er intensiven Überprüfungen unterzogen wurde. Baikonur erreichte er schließlich am 13. Januar 2010, um nach abschließenden Tests im Kopf einer Dnepr-Rakete untergebracht zu werden, die am 30. Dezember 2009 in Baikonur angeliefert worden war.

ESA
Aussetzen des Satelliten – Illustration (Bild: ESA)

Nachdem der Satellit schon startbereit auf der Rakete saß, stellte sich sechs Tage vor dem zunächst anvisierten Starttermin, dem 25. Februar 2010, heraus, dass bei der vorgesehenen Flugbahn der Rakete die Gefahr besteht, dass den Lenktriebwerken der zweiten Stufe der Treibstoff vorzeitig ausgeht. Der Start musste verschoben werden, und in Zusammenarbeit des Herstellers der Rakete, Juschnoje/Juschmasch mit dem Erbauer des Kontrollsystems, Hartron-Arkos wurde das aufgetretene Problem behoben. Am 26. März 2010 war die Dnepr mit einem angepassten Kontrollsystem ausgestattet.

Bei der dreistufigen Dnepr, die vom Anbieter Kosmotras vermarktet wird, handelt es sich um eine konvertierte Interkontinentalrakete SS 18, die mit nur wenig angepasster Oberstufe und modifiziertem Kontrollsystem als Satellitenträger Verwendung findet. Der Start mit Cryosat 2 an Bord am 8. April 2010 erfolgte um 15:57:04 Uhr MESZ aus dem Silo Nr. 95 der Startanlage 109, die rund zwanzig Minuten zuvor evakuiert worden war. Die Verbrennungsgase aus einem in einem separaten Gehäuse untergebrachten mit Schwarzpulver geladenem Treibsatz katapultierten die Dnepr aus ihrem Silo, und die Triebwerke der ersten Stufe zündeten in rund dreißig Metern Höhe. Nach einer Minute und sechsundvierzig Sekunden Flug war die erste Stufe der Rakete ausgebrannt und wurde abgetrennt.

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Cryosat 2 im Test bei der IABG (Bild: ESA)

Die zweite Stufe der Dnepr sorgte anschließend für Vortrieb, bis auch sie ihre Treibstoffzuladung, die sich wie die der anderen beiden Stufen aus unsymmetrischem Dimethylhydrazin (UDMH) und Distickstofftetraoxid (NTO) zusammensetzte, verbraucht hatte.

Während des Einsatzes der zweiten Stufe wurde die aerodynamische Verkleidung an der Raketenspitze abgeworfen, der Satellit jedoch weiterhin durch einen gasdynamischen Schild geschützt. Letzeres war insbesondere für die durch die dritte Stufe angetriebene rund elf Minuten lange Flugphase in um 180 Grad gedrehter Fluglage von Bedeutung. Der Einsatz der dritten Stufe begann mit dem Ausschwenken ihrer vier Antriebsdüsen am unteren Stufenende. Diese wurden umgehend eingesetzt, um das Vehikel auf seiner Bahn um 180 Grad so zu drehen, dass die dritte Stufe nach dem Drehen die Nutzlast ziehen würde.

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Cryosat 2 im All – Illustration (Bild: ESA)

Nach abschließenden Korrekturmanövern der Oberstufe erfolgte das Aussetzen des Satelliten mit einer Startmasse von 720 Kilogramm um 16:13 Uhr MESZ sechzehn Minuten und achtundzwanzig Sekunden nach dem Start. Dazu wurde zunächst die eine mit dem gasdynamischen Schild verbundene Hälfte des Raketenkopfs abgetrennt, bevor die andere mit der dritten Stufe verbundene Hälfte unter Einsatz des gedrosselten Antriebs der dritten Stufe vom Satelliten weggezogen werden konnte. Erste Signale des Satelliten wurden gegen 16:14 Uhr MESZ durch die von der italienischen Raumfahrtagentur ASI betriebene Bodenstation bei Malindi in Kenia empfangen.

Alcatel Alenia Space
SIRAL – Illustration (Bild: Alcatel Alenia Space)

Cryosat 2 wird auf einem niedrigen polaren Orbit mit 92 Grad Bahnneigung gegen den Äquator in einer durchschnittlichen Flughöhe von 717 Kilometern über der Erde eingesetzt. Während seiner zunächst dreijährigen Messmission soll er exakt die Veränderung der Dicke des Eises in den Ozeanen und auf den Landmassen der Erde bestimmen und die Geschwindigkeit der laufenden Veränderungen festhalten. Sofern es der Zustand des Raumfahrzeuges erlaubt und eine entsprechende Programmfinanzierung gewährleistet ist, könnte die Mission von Cryosat 2 auf fünf Jahre ausgedehnt werden.

Um seinen Messaufgaben gerecht zu werden, wurde der Satellit mit einem SIRAL 2 genannten, von der Wetterlage und den Lichtverhältnissen unabhängigen Radarhöhenmesser ausgestattet. SIRAL steht für Synthetic Aperture Interferometric Radar Altimeter, die Anlage mit einer Masse von rund 70 Kilogramm und Antennen von RUAG Space wurde von Thales Alenia Space gebaut. Sie sendet kurze Radarimpulse im Ku-Band (13,575 GHz) aus und misst deren Laufzeit zwischen Satellit, Boden und zurück. Dadurch ist es möglich, die Dicke von Eis so genau zu untersuchen, dass sich auch solch geringe Höhendifferenzen von nur ein bis drei Zentimetern nachweisen lassen. SIRAL 2 soll im Orbit am 11. April 2010 das erste Mal aktiviert werden.

CNES
DORIS-Antenne (Bild: CNES)

Unterstützt wird SIRAL 2 von DORIS, einem Instrument mit einer Masse von 15 kg, das eine hochgenaue Berechnung der Flugbahn von Cryosat 2 erlaubt. DORIS bestimmt zur Orbitberechnung entsprechend der Bezeichnung Doppler Orbitography and Radiopositioning Integration by Satellite die Doppler-Verschiebung von Signalen auf zwei Radiofreuqenzen. DORIS empfängt diese kontinuierlich von rund fünfzig festen Bodenstationen ausgesandten Signale mit einer speziellen Antenne. Die Verwendung von zwei Frequenzen ermöglicht es, Fehler, die durch Signallaufzeitverzögerungen in der Ionosphäre entstehen, zu korrigieren. Die eigentliche Erfassung der Doppler-Verschiebung erfolgt mit Signalen auf einer Frequenz von 2,03625 GHz, auf 401,25 MHz liegen die Korrektursignale.

LRR wie an Bord von Cryosat 2 eingesetzt – Illustration (Bild: ESA)

Für eine genau Positionsbestimmung des Satelliten ist dieser außerdem mit einem Laser-Retroreflektor (LRR) an seiner der Erde zugewandten Unterseite ausgestattet, der von einer Bodenstation ausgesandte Laserimpulse im Wellenlängenbereich zwischen 310 und 1450 nm zum Boden reflektieren kann. Am Boden kann mit Hilfe der festgehaltenen Gesamtlaufzeit des Lichtsignals die Flughöhe von Cryosat 2 errechnet werden.

Der wissenschaftliche Einsatz von Cryosat 2 wird nach einer rund sechsmonatigen Inbetriebnahmephase beginnen. Auf die zu gewinnenden Daten sind die an dem Projekt beteiligten Wissenschaftler wegen der erhofften Erkenntnisse hinsichtlich der Erderwärmung und des Anstiegs der Meeresspiegel schon sehr gespannt.

Cryosat 2 ist katalogisiert mit der NORAD-Nr. 36508 bzw. als Objekt 2010-013A.

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