Nach Mars Express bereitet die Europäische Weltraumorganisation ESA nun eine weitere bahnbrechende Premiere vor: Europas ersten Flug zum Mond.
Ein Beitrag von meiklampmann. Quelle: ESA.
Eine Ariane 5 soll die ESA-Technologiesonde SMART-1 Ende August in eine Erdumlaufbahn befördern. Die mit einem neuartigen und hocheffizienten Ionenantrieb versehende Raumsonde schraubt sich dann in 16-monatiger Schleichfahrt aus dem Parkorbit um die Erde in eine enge Umlaufbahn um den Mond. SMART-1 wird den Erdtrabanten genauer unter die Lupe nehmen als jedes Raumfahrzeug zuvor.
SMART-1 verkörpert den Prototyp des neuen ESA-Programms „Small Missions for Advanced Research and Technology”, bei dem es um die Erprobung innovativer Technologien für Wissenschaft, Forschung und deren Anwendung geht. Ziel des Programms ist es, neue Lösungen zu finden, um die Kosten für Weltraummissionen zu senken, der europäischen Industrie Wettbewerbsvorteile zu verschaffen und die Spitzenposition der europäischen Raumfahrt in technischem Know-how zu verteidigen. Hauptaugenmerk wird daher auf die Miniaturisierung gelegt. So steht SMART für klein, kostengünstig und kompakt. Mit dem 370 kg schweren Hightech-Zwerg SMART-1 verfolgt die ESA mehrere Ziele. Hauptaufgabe ist der Test eines neuartigen solar-elektrischen Antriebssystems, besser bekannt als Ionenantrieb. Hierbei handelt es sich um eine Schlüsseltechnologie, durch die kommende ESA-Missionen wie BepiColombo zum Merkur und der Sonnenorbiter erst ermöglicht werden. Was liegt näher, als diese innovative Technologie bei dem vor unserer Haustür liegenden Erdmond zu testen und dabei gleichzeitig eine Reihe von Experimenten zur Erforschung des Erdtrabanten durchzuführen? So wurde aus dem mit miniaturisierter Spitzentechnologie voll gepackten Zauberwürfel mit einer Kantenlänge von nur einem Meter eine Mondsonde, die technische Lösungen für die Raummissionen von Morgen testet.
Fliegendes Technologielabor
Europas erste Mondsonde hat zehn Experimente an Bord. Darunter befinden sich leistungsstarke Röntgen- und Infrarot-Spektrometer sowie eine hochauflösende Kamera, die die Mondoberfläche über sechs Monate hinweg präzise kartografieren sollen. Für die Erfüllung der vielseitigen Aufgaben liefert der über Solarpaddeln mit Strom versorgte Ionenantrieb einen schwachen, aber kontinuierlichen Schub. Er arbeitet mit einem zehnmal höheren Wirkungsgrad als herkömmliche chemische Antriebe. Dieser erlaubt völlig neue Navigationsmöglichkeiten und damit Bahnmanöver, die für künftige interplanetare Missionen von immanenter Bedeutung sind. Während der gesamten SMART-1-Mission überwachen zwei bordeigene Diagnose-Instrumente – sie firmieren unter den Kürzeln EPDP und SPEDE – die Arbeitsweise des innovativen Antriebs. Getestet wird auch das neue Navigationssystem OBAN, das Raumsonden anhand bestimmter Bezugswerte die selbstständige, d.h. erdunabhängige Navigation in den Tiefen des Alls ermöglicht. Da für Deep-Space-Missionen die Kommunikation von zentraler Bedeutung ist, werden mit dem Experiment KaTE innovative Verfahren und technische Lösungen zur Datenübertragung im Mikrowellenbereich getestet. Ein weiteres Experiment soll die Möglichkeiten und Schwierigkeiten einer optischen Datenkommunikation via Laser ausloten. Die Lasertechnologie ist, was die übertragenen Datenmengen betrifft, herkömmlichen Kommunikationsverbindungen um ein Vielfaches überlegen. Die Herausforderung besteht darin, eine Laserverbindung zu einem mobilen Objekt im All aufrecht zu erhalten, das sich immer weiter von der Erde wegbewegt. Allesamt Verfahren, die die europäische Telekommunikationsindustrie mit großem Interesse verfolgt.
Hochauflösendes Porträt der Mondoberfläche
Neben der Technologie-Evaluierung sind mit SMART-1 aber auch wissenschaftliche Untersuchungen geplant. Die Sonde soll den Mond genauer unter die Lupe nehmen als jedes Raumfahrzeug zuvor. Das unter Federführung des Max-Planck-Instituts für Aeronomie in Katlenburg-Lindau gebaute Infrarot-Spektrometer SIR wird die mineralische Zusammensetzung der Mondoberfläche anhand der reflektierten Infrarotstrahlung systematisch untersuchen. Das nur 2 kg schwere Instrument arbeitet auf bis zu 266 unterschiedlichen Wellenlängen und erlaubt so eine detaillierte Analyse des Gesteins. Und mit Hilfe des hochauflösenden Röntgenspektrometers D-CIXS soll der Mond im kurzwelligen Röntgenbereich vollständig kartografiert und chemisch analysiert werden. Hohe Erwartungen werden auch an das extrem kompakte Kamerasystem AMIE geknüpft, das die ESA zusammen mit dem Centre Suisse d‘Electronique et de Microtechnique im schweizerischen Neuchatel entwickelt hat. Dank verschiedener Filter liefert die nur 450 Gramm schwere Farbkamera hochauflösende Bilder der Mondoberfläche sowohl im sichtbaren, als auch im UV- sowie nahen Infrarot-Bereich. Zudem wird die Mondoberfläche aus verschiedenen Winkeln heraus fotografiert. AMIE soll vor allem Informationen über die Topografie und Struktur der Mondkruste liefern. Anhand der multispektralen Daten dieser drei Instrumente können beispielsweise sehr präzise dreidimensionale Karten und Darstellungen der Mondoberfläche errechnet werden.
Den Rätseln des Erdtrabanten auf der Spur
Die Wissenschaftler wollen anhand der detaillierten Daten über die Zusammensetzung der Mondkruste aber auch klären, wie der Erdtrabant entstanden ist. Einer weit verbreiteten Theorie zufolge verdankt der Mond seine Geburt einer kosmischen Katastrophe: Vor etwa 4,5 Mrd. Jahren, so die Annahme, kollidierte die Erde mit einem marsgroßen Himmelskörper. Dabei wurden gewaltige Mengen Erdmaterie ins All geschleudert. Aus diesen Trümmern hat sich schließlich der Mond gebildet. Nach dieser Theorie müssten sich auf dem Mond vor allem leichtere Elemente finden, die aus dem damaligen Erdmantel stammen, beispielsweise Magnesium. Schwere Elemente aus dem Kern der jungen Erde dagegen sollten nur partiell vorhanden sein.
Mit seinen Instrumenten AMIE und SIR soll SMART-1 außerdem in die noch unerforschten dunklen Bereiche des Mondsüdpols blicken. Unter anderem hoffen die Wissenschaftler, im lunaren Dauerschatten die Infrarotsignaturen von Wassereis auszumachen. Sollte SMART-1 auf der Jagd nach Wasser tatsächlich fündig werden, dann könnte dies die Tür zur Besiedlung des Erdtrabanten aufstoßen.
Mehr zur Sonde SMART-1 finden Sie in unserem Beitrag.