Am 25. Dezember erreicht Mars Express den Roten Planeten. Sie ist die erste europäische Raumsonde, die ihn erforschen wird. Die Instrumente an Bord ergänzen frühere Daten aus der Marsforschung.
Autor: Karl Urban.
Unser nächster planetarer Nachbar wurde in den vergangenen Jahren schon oft von Raumsonden aus den USA und Russland besucht. Auch wenn diese Missionen zu einem großen Teil bedingt durch anfänglich fehlende Erfahrungen scheiterten, so waren die Fülle der Daten und neuen Erkenntnisse durch Missionen wie Viking, Mars Global Surveyor oder 2001 Mars Odyssey doch gewaltig. Warum sollte also nun auch die Europäische Raumfahrtagentur (ESA) den Roten Planeten mit einer eigenen Mission erneut erforschen?
Raumfahrer.net unterhielt sich mit zwei an Mars Express beteiligten Projektwissenschaftlern, um dieser Frage auf den Grund zu gehen. Professor Gerhard Neukum ist verantwortlich für die hochauflösende Stereokamera HRSC an Bord des Orbiters. Er sagte über die Bedeutung der Mission:
„Die wissenschaftliche Fragestellung ist, die Entwicklung des Planeten Mars zu verstehen. Und diese ist in den Oberflächenphänomenen konserviert. Das heißt, wir können heute eine ganze Zeit lang in die Vergangenheit […] zurückschauen und mit hochauflösenden Bilddaten verstehen, was dort abgelaufen ist und welche Prozesse gewirkt haben. Zum Beispiel können wir vermessen, wieviel Wasser es gegeben hat und mithilfe der überlagerten Einschlagskrater sogar berechnen, wann es geflossen ist; wie es mit dem Vulkanismus aussieht […], ob es einen Ozean gegeben hat und ob sich vielleicht sogar Leben entwickelt hat. Dieses können wir zwar nicht direkt messen, aber wir können ergründen, ob das vorhandene Wasser vielleicht gereicht hat, damit sich Leben entwickelt hat. Der direkte Nachweis von Leben muss dann über andere Experimente erfolgen. Eventuell hat man ja schon Glück mit dem Landegerät Beagle 2. Aber vielleicht wird es auch erst mit Probenrückführungen oder bemannten Landungen möglich sein zu ergründen, ob Mars jemals Leben hervorgebracht hat. Auf jeden Fall ist die Frage nach Leben ein großer Treiber in der Marsforschung und von großer philosophischer, fast religiöser Bedeutung.„
Diese „religiöse Bedeutung“ der Frage nach außerirdischem Leben ist wohl eine der größten Motivationen für die menschliche Erforschung des Weltalls. Natürlich dürfen wir auf unserem Nachbarplaneten keine kleinen grünen Männchen erwarten. Aber der Nachweis von Spuren gegenwärtigen oder vergangenen Lebens auf Mars würde eine fundamentale Botschaft beinhalten: Leben ist keine Absonderlichkeit, kein Zufall im Universum. Es kann an vielen Orten entstehen, nicht nur unter den speziellen Bedingungen der Erde. Bis diese Frage eindeutig geklärt werden kann, muss es vielleicht erst eine bemannte Mission zum Roten Planeten geben. Aber immer besser entwickelte Raumsonden wie Mars Express können eine große Vorarbeit leisten. Professor Neukum sagte über die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit der von seinem Team beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin entwickelten Kamera HRSC:
„Wir haben vor, die gesamte Oberfläche – das ist immerhin eine Fläche, die den Kontinenten der Erde entspricht – in 10 bis 30 Metern Auflösung abzudecken. Einige Prozent der Oberfläche können wir sogar in zwei bis vier Metern Auflösung mithilfe des Super Resolution Channel erfassen. Das ist ein noch extra angebrachter Flächen-CCD. Dieser macht zwar nur Schwarzweiß-Bilder und liefert keine Stereodaten aber dafür eine phantastisch hohe Auflösung, so dass wir innerhalb der breiten HRSC-Spur eine Art Lupe haben und genau verfolgen können, wo die Spur ist. Denn das weiß man bei den Global Surveyor-Daten [der NASA-Marssonde, die 1996 startete] leider nicht. Es ist ein großes Problem, dass bei diesen Aufnahmen eine Unsicherheit von etwa neun Kilometern besteht. Denn bei Global Surveyor existiert kein Zusammenhang zwischen großen Auflösungen und niedrigen Auflösungen.
So wird das HRSC-Experiment von Mars Express eine Lücke füllen, die seit den Viking-Missionen [der NASA in den 1970er Jahren] noch immer existiert. Es wird den Mars in relativ hoher Auflösung, in Farbe und in 3D abdecken, um im Detail seine Evolution studieren zu können.„
Neue und raffinierte Technik macht’s möglich: Mars Express wird den tatsächlichen Nutzwert der gesammelten Daten von früheren Missionen bei weitem übertreffen. Doch der Orbiter trägt nicht nur neue Instrumente. Das Experiment MaRS funktioniert mithilfe der Kommunikationsantenne der Sonde und braucht daher gar kein eigenes Instrument. Wenn die Radiosignale die Atmo- und Ionosphäre des Planeten durchlaufen, werden diese durch deren Eigenschaften verändert. Die dadurch mit wissenschaftlichen Informationen über Mars bereicherten Kommunikationssignale werden dann auf der Erde empfangen. Dr. Martin Pätzold ist beim DLR in Köln für das Experiment MaRS verantwortlich und erklärte dazu für Raumfahrer.net die wissenschaftliche Zielsetzung:
„Wir erwarten einige Verbesserungen bei der Bestimmung des Schwerefelds des Mars. Wir werden dabei präziser sein als zum Beispiel Global Surveyor […]. Dabei werden wir uns auf die Pole und große Vulkane konzentrieren, die Schwereanomalien hervorrufen und uns etwas über die Dicke der Kruste des Planeten sagen. Dann werden wir in vier Jahren 1.200 Atmosphärenprofile aufnehmen, um das erste Mal die gesamte Marsatmosphäre und Ionosphäre auszumessen. Danach wissen wir mehr über die Wechselwirkungen des Sonnenwindes mit der oberen Ionosphäre. Der Mars hat kein Magnetfeld [wie die Erde], sondern nur ein Krustenmagnetfeld. Das heißt, wir werden Unterschiede bestimmen können zwischen Regionen, in denen die Kruste nicht sehr stark magnetisiert ist und solchen, wo sie sehr stark magnetisiert ist. Das könnte man bis nach oben in die Ionosphäre sehen und könnte sehr interessant werden.„
Es ist doch erstaunlich, wieviel Informationen über den Mars in minimalen Veränderungen der Signale verpackt sind. Die kreative Idee für dieses Experiment ist allerdings nicht neu. Martin Pätzold erklärt:
„Die Idee ist ungefähr so alt, wie die wissenschaftliche Raumfahrt selbst ist. Anfang der 60er Jahre, als die Amerikaner ihre ersten interplanetaren Sonden starteten, wurde darüber nachgedacht, was man mit Radiowellen erforschen kann. […] Bei dem damals entwickelten Prinzip dieser bistatischen Radioastronomie haben wir eine Antenne am Boden und die Raumsonde mit ihrem Funkgerät, die zu ihrem Ziel fliegt. All die Zielsetzungen, die wir heute mit ähnlichen Experimenten machen, wurden also schon damals formuliert. […] Seitdem ist dieses Experiment bei der NASA ein Standard-Experiment.„
Fazit
Die erste europäische Mission zum Mars folgt also konkreten wissenschaftlichen Zielsetzungen, mehr über den Roten Planeten zu erfahren. Dabei bauen alle Instrumente auf die vergangene Marsforschung der letzten Jahrzehnte auf: In allen Bereichen wird der Orbiter in der Lage zu sein, bessere Daten und Bilder über die Zusammensetzung in Vergangenheit und Gegenwart des Mars zu liefern. Sowohl am Instrument HRSC von Prof. Gerhard Neukum als auch am Experiment MaRS von Dr. Martin Pätzold sind sogar Wissenschaftler aus den USA beteiligt.
In wenigen Tagen wird Mars Express den Roten Planeten erreichen. Die erste Aufnahme der Kamera HRSC aus 5,5 Millionen vom 1. Dezember Kilometern Entfernung weist bereits den Weg in ein ereignisreiches Marsjahr 2004.
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