Die „Weltraumabteilung“ der University of Surrey hat ein extrem kompaktes Segel für den beschleunigten De-Orbit außer Dienst gestellter Satelliten zur Testreife entwickelt. Spätestens gegen Ende 2014 soll laut ESA ein Praxistest unter Weltraumbedingungen erfolgen.
Ein Beitrag von Roland Rischer. Quelle: ESA, University of Surrey, DLR.
Die Segeltechnik dient im All grundsätzlich zwei Zielen. Einerseits möchte man den Sonnenwind nutzen, um mit weniger Treibstoff an Bord eines Satelliten auch entferntere Ziele im Sonnensystem zu erreichen. Da kann so ein Segel nicht groß genug sein. Andererseits kann man mit einem Segel den Widerstand der Restatmosphäre in bis zu 600 Kilometer für einen schnelleren Absturz eines ausgedienten Satelliten nutzen. Weil ein solches Segel zwar der Weltraumhygiene, aber nicht dem eigentlichen Missionsziel dient, darf es nicht zu viel Masse und – im verpackten Zustand – Volumen mitbringen. Es soll ferner möglichst kostengünstig und vor allem robust sein, weil das Entpacken ja erst nach, sagen wir mal, 15 Jahren funktionieren muss.
Mit Mitteln aus dem Advanced Research in Telecommunications Systems Programm (ARTS) der Europäischen Weltraum-Agentur ESA hat das Zentrum für Weltraumwissenschaften der University of Surrey ein De-Orbit-Segel entwickelt, welches nun Reif für einen Praxistest erscheint. Es ist ein sogenanntes Gossamer-Segel, welches sich über vier Karbon-Ausleger zu einer quadratischen Segelfläche aufspannt. Im verpackten Zustand hat das Segelmodul Außenmaße von 15 mal 15 mal 25 Zentimeter und wiegt 2 Kilogramm. Würde man die Satelliten mit dem Bordtriebwerk abbremsen wollen, würde der zusätzliche benötigte Treibstoff die zehnfache Masse des Segel-Moduls ausmachen. Innerhalb einer Minute soll ein Segel von 5 mal 5 Metern aufgespannt werden, ausreichend, um Satelliten mit bis zu 700 Kilogramm Masse nennenswert abzubremsen und so schneller aus ihrer Umlaufbahn in Richtung Erde zu lenken. Die Segelfläche besteht aus wenigen Mikrometer starkem, aluminiumbeschichtetem Kapton, eine Hochleistungskunststofffolie von DuPont.
Die Segel-Technologie ist eine der Optionen, mit der die Europäische Weltraum-Agentur ESA ihrer Selbstverpflichtung aus dem Jahr 2008 nachkommen möchte, stillgelegte Satelliten bis in 750 Kilometer Höhe innerhalb von 25 Jahren aus ihrer Umlaufbahn zu holen. Mit einem solchen Zeitbedarf muss man laut ESA beim Segel-De-Orbit durchaus rechnen. Ohne Segel blieben Satelliten in 750 Kilometer Höhe mitunter jedoch über 100 Jahre eine Gefahr.
In Surrey hofft man jetzt auf eine Mitflug-Gelegenheit eines Demonstrationssatelliten in den Weltraum bis Ende 2014. Im Orbit wird man nach erfolgreichem Aufspannen zunächst zwei bis drei Wochen die Nutzung als Sonnenwind-Segel testen. Danach wird der Demonstrationssatellit gedreht, um den Atmosphären-Widerstand zu maximieren. Innerhalb von zwei bis zwölf Monaten soll das Objekt dann in die dichtere Erdatmosphäre eintreten und verglühen. Sonnenwind ist eine Möglichkeit, ausgediente Satelliten aus höheren Flugbahnen zunächst in niedrigere zu holen und dann mit Hilfe der Restatmosphäre ab etwa 600 Kilometer Höhe weiter abzubremsen.
Bleibt zu ergänzen, dass man auch bei Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt zusammen mit der ESA an Weltraumsegeln arbeitet, hier aber primär mit Zielrichtung Fernmissionen. Das Projekt „DLR-ESA Gossamer“ sieht 2015 (Stand April 2013) den Start von Gossamer-1 mit Entfaltung eines 5 mal 5 Meter großen Segels in einer Erdumlaufbahn von 320 Kilometern vor. Erfolg vorausgesetzt, ist 2017 Gossamer-2 zur Demonstration eines 20 mal 20 Meter messenden Sonnensegels in einer Höhe von 500 Kilometer Höhe geplant. Die Mission Gossamer-3 wird noch anspruchsvoller und 2019 ein Segel von 50 mal 50 Metern in einer Höhe von über 10.000 Kilometern entfalten. Der zugehörige Segelcontainer wird eine Masse von rund 80 Kilogramm und ein Volumen von 100 mal 100 mal 100 Zentimetern haben.
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