ESOC, Killerelektronen & Community-Wahnsinn

Vom 1. bis 5. Juni fand in Darmstadt der Raumcon-Treff 2011 statt. Neben abwechslungsreichen Diskussionsrunden standen 11 Vorträge, astronomische Beobachtungen und eine ESOC-Führung auf dem Programm.

Diesmal ging der Raumcon-Treff bereits am Mittwoch los, da wir nur an diesem Tag an einer ganz speziellen Führung durch das Europäische Satellitenkontrollzentrum ESOC teilnehmen konnten. Also trafen die Teilnehmer ab etwa 13 Uhr in der Jugendherberge Darmstadt ein, die uns wie im letzten Jahr als Operationszentrale und Kontrollraum diente.

Am Nachmittag brachen wir zum ESOC ins Stadtzentrum auf und gelangten nach kurzer Wartezeit auf exterritoriales Gelände. In einem Vortragsraum direkt neben dem gerade im Umbau befindlichen Hauptkontrollraum wurden wir zunächst von Bernhard von Weyhe, dem Pressebeauftragten des ESOC (Communications Officer), über die ESA, ihre wichtigsten Zweigstellen sowie Aufgaben und Entwicklung des Europäischen Satellitenkontrollzentrums in Darmstadt informiert.

Anschließend sprach Dr. Paolo Ferri, langjähriger Leiter der Abteilung für interplanetare Missionen über seine Arbeit in den letzten gut 20 Jahren. In dieser Zeit haben sich die Missionen und das ESOC entscheidend weiterentwickelt. So verfügt man über modernisierte Kontrollräume, in denen die Überwachung und Führung mehrerer Missionen durch einen kleinen aber hochqualifizierten Spezialistenstamm gewährleistet wird. Mit neuen Bodenstationen gelingt die Bahnvermessung auf manchen Bahnen mittlerweile besser als durch die NASA. Auch im Bereich der Tiefraummissionen ist man inzwischen mit führend. Entsprechend fallen die Entwürfe für zukünftige Missionen aus.

Die Referenten unseres ESOC-Besuches (v.l.): Pressebeauftragter Bernhard von Weyhe, Leiter der Abteilung für interplanetare Missionen Dr. Paolo Ferri und Missionsanalyst Dr. Markus Landgraf.
(Bild: Raumfahrer.net)

Dies ist Spezialgebiet von Dr. Markus Landgraf, der „aus dem Nähkästchen“ plauderte und den Weg skizzierte, den eine Mission von der Idee bis zur erfolgreichen Realisierung nehmen kann. Zunächst werden auf ESA-Konferenzen, an denen teilweise mehrere Zehntausend Wissenschaftler und Ingenieure aus verschiedenen Fachbereichen teilnehmen, Ideen geboren und diskutiert. Eine ganze Reihe schafft es dann zu einem Projektentwurf, der bei der ESA eingereicht wird. Hier werden diese Studien auf Machbarkeit, Relevanz, wissenschaftlichen Wert, Flugbahn, mögliche Trägerraketen und Finanzierbarkeit untersucht. Dabei bleibt erneut ein großer Teil auf der Strecke. Beispielsweise kollidierten die Anforderungen an Bahn und Messzeit bei einer Mission zum Nachweis der Verzerrung der Raumzeit durch große Massen. Messen wollte man sowohl in Erdnähe (einige Hundert Kilometer) als auch in großer Entfernung (etwa über 100.000 km) gleich lange. Bahnmechanisch ist aber ein Satellit auf einer hochelliptischen Bahn viel kürzer in Erdnähe als auf dem fernsten Teil seiner Bahn.

Die wenigen Vorhaben, die alle Kriterien bis dahin erfüllen, werden genauer ausgearbeitet. Am Ende aber muss die ESA noch weiter selektieren, bis die interessantesten Missionen beschlossen werden können und in die Realisierungsphase übergehen. Hier wird dann mit möglichst großzügigen Masse-, Energie- und Treibstoffreserven geplant, da auch in der Realisierungsphase immer wieder Änderungen auftreten, die gewöhnlich zu Ungunsten der Missionsziele gehen. Dies betrifft beispielsweise auch die GAIA-Mission (Astrometrsiche Vermessung von 1 Milliarde Sternen). Diese soll (nach gegenwärtigem Stand) mit einer Sojus-Trägerrakete von Kourou aus gestartet werden und geht zum Lagrangepunkt L2 des Sonne-Erde-Systems. Gewöhnlich wird ab einem bestimmten Punkt eine Bahnkorrektur erforderlich. Ist der Einschuss zu hoch, muss die Korrektur anders erfolgen als bei zu niedriger Anfangsbahn. Das Raumfahrzeug besitzt auf beiden Seiten Triebwerke, der Hitzeschutz für die empfindlichen Instrumente muss aber immer in Richtung Sonne zeigen. Deshalb kann die Sonde nicht gedreht werden. In einer späten Missionsanalyse hat man festgestellt, dass die Tanks so konstruiert sind, dass sie einen kontinuierlichen Betrieb der Triebwerke nur auf einer Seite zulassen. Also wird die Mission mit Absicht auf eine zu tiefe Bahn gebracht, aus der heraus man auf jeden Fall noch korrigieren kann und muss. Die Lösung kostet aber Treibstoff, der aus der geplanten Reserve genommen wird.

Weitere Projekte, an denen gegenwärtig gearbeitet wird, sind beispielsweise Exomars (Marsfahrzeug), Laplace (Jupitersonde), LISA (Gravitationswellensuche), Euklid (Suche nach Dunkler Energie), Plato (Exoplanetensucher), Solar Orbiter (Sonnenforschung im Röntgenbereich) und Bepi Colombo (Merkurorbiter). Grundsätzlich gibt es bei Raumsonden nur zwei verschiedene Bautypen. Die einen werden erdnah stationiert und benötigen dafür wenig Geschwindigkeitsänderung, sind sie erstmal im Orbit. Hier kann die wissenschaftliche Ausrüstung vergleichsweise groß ausfallen. Bei Missionen in den tiefen Raum oder zu Planeten hingegen muss oft am Ziel stark gebremst werden. Außerdem benötigt man für die Kommunikation große Antennen und eine vergleichsweise große Sendeleistung, also viel Energie, die über Solarzellen gewonnen werden muss. Dann fällt die wissenschaftliche Ausrüstung eher bescheiden aus.

Ein ganz normaler Kontrollraum im ESOC.
(Bild: Raumfahrer.net)

Zum Abschluss wurden wir durch verschiedene Bereiche des ESOC-Geländes geführt, sahen Kontrollräume, Modelle und den Prototypen der Raumsonde Rosetta, an dem in einer kontrollierten Umgebung bestimmte Prozeduren vorexerziert werden. Zum Zeitpunkt unseres Besuches wurde gerade der Übergang in einen Tiefschlafmodus (Hibernation Mode) simuliert, wie er an der tatsächlichen Sonde am 8. Juni 2011 erreicht werden soll. Dabei ist die Simulation nur 6 Stunden voraus. Dies würde aber ausreichen, sollte etwas schief gehen. Der Übergang in diesen energie- und geräteschonenden Modus ist nicht zeitkritisch und könnte verschoben werden.

Natürlich haben wir noch viel mehr erfahren, was hier aber den Rahmen sprengen würde. Man muss eben dabeigewesen sein. Einige Beispiele nur, welche uns wohl alle überrascht haben: Vega hat zwischen Oberstufe und Nutzlastverkleidung gegenwärtig noch arge Hitzeprobleme, Bahnberechnungen werden auch heute noch mit Programmmodulen vorgenommen, die in FORTRAN geschrieben sind, im L2-Orbit ist der Treibstoffbedarf sehr gering (wenige Kilogramm pro Jahr bei Sonden um 2 t Masse), bei der Berechnung von Flybyes und anderer kritischer Bahnabschnitte sind gute Anfangswerte gefragt, wobei der Mensch nach wie vor unersetzbar ist, die Spezialisten im ESOC „hören“ aus den Frequenzverschiebungen im Signal sogar Lageänderungen einer Sonde heraus, …

Wenn es klappt, werden wir im nächsten Jahr Einrichtungen in Bremen besuchen, die mit Entwicklung, Test und Bau von ATV und dem ISS-Modul Columbus betraut waren.

Am Abend gab es noch Detailgespräche zu den unterschiedlichesten Aspekten von Raumfahrt, Astronomie und anderem.

Der Donnerstag begann mit einem Vortrag von Klaus zum Thema „Computer in der Raumfahrt“, wobei in erster Linie die Computer in der bemannten US-Raumfahrt gemeint waren. Während man bei Mercury noch ohne derartiges Gerät an Bord und bei Gemini mit fest verdrahteter Hardware auskam, wurde für bestimmte Manöver im Apollo-Mondprogramm Rechentechnik notwendig. Erstmals verwendete man auch integrierte Schaltkreise, die bestimmte Daten auswerteten oder Geräte steuerten. Auch hier waren die fest verdrahtete Hardware und die programmierbaren Rechner noch teure Spezialentwicklungen. Die Apollo-Rechner an Bord brachten es auf 40 kg Masse und einen Leistungsbedarf von 70 W bei einer Taktrate von 1 MHz. Ohne grafische Oberfläche und sonstigen Schnickschnack reichte dies aus. Da mehrere Prozesse wirklich nebeneinander liefen und die Rechenzeit der Verarbeitungseinheit per Zeitscheibe zugeteilt bekamen, arbeiteten die funktionierenden Programme auch dann noch, wenn andere unrettbar verklemmt waren.

Klaus erklärt logische Schaltungen.
(Bild: Raumfahrer.net)

Beim Space Shuttle wurden dann erstmals kommerziell angebotene Rechnerkomponenten modifiziert verwendet. Auch hatte man nun die Möglichkeit verschiedene Systeme redundant nebenher zu verwenden und damit einen Sicherheitsgewinn zu realisieren. Verschiedene Neuentwicklungen wurden aber auch später in der Raumfahrt verwendet. Dazu gehören Speicher, die ohne rotierende Systeme auskommen. Waren es bei Gemini (20 kB) oder Apollo noch Magnetkernspeicher, kamen später zur Datenzwischenspeicherung Solid State Disks (SSD) zum Einsatz. Festplatten benötigen zur korrekten Funktion ein Luftkissen zwischen Platte und Schreib-Lese-Kopf, können also im Vakuum nicht eingesetzt werden. In der ISS sind sie dagegen Gang und Gäbe. Weitere Einflussfaktoren für das Funktionieren von Computerhardware sind Vibrationen, hohe oder niedrige Temperaturen bzw. deren Schwankungen sowie Strahlung. Diese kann dafür sorgen, dass einzelne Bitfehler auftreten, aber auch komplette Schaltungen zerstören. Deshalb ist auch hier Redundanz gefragt, so dass man von einer Einheit auf eine andere umschalten kann.

Den nachmittäglichen Vortragsreigen eröffnete Karl mit dem Thema „Der ganz normale Community-Wahnsinn“. Hier stellte er die verschiedenen Typen von Forennutzern vor: der Produzent, der selbst (viel) schreibt, der Konsument, der (überwiegend) liest und der Destruent. Letzterer stört zum einen die normalen Abläufe, eint hingegen die normalen Nutzer durch ein gemeinsames Feindbild und erfüllt damit eine wichtige Funktion für die Gemeinschaft. So zumindest ist es in theoretischen Überlegungen zu finden.

Klaus schloss sich mit etwas Statistik an. So hatte Raumfahrer.net in den Monaten Juni 2010 bis Mai 2011 etwa 8,1 Millionen Seitenzugriffe. Davon betrafen 4,3 Millionen das Forum und 3,8 Millionen das Portal. Im Durchschnitt wurden von einem Besucher 4,4 Seiten angeklickt, auf denen er jeweils etwa 5 Minuten verweilte.

Das braucht man alles, wirklich! 😉
(Bild: Raumfahrer.net)

Vortrag Nummer 3 an diesem Nachmittag beschäftigte sich mit Amateurteleskopen zur astronomischen Beobachtung und den möglichen Beobachtungszielen. Günther ging dabei auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Linsenfernrohren und Spiegelteleskopen ein, erläuterte den Sinn einer parallaktischen Montierung, berichtete über Abbildungsfehler und Gegenmaßnahmen und nannte einige Parameter typischer Amateurteleskope. Zur Verdeutlichung stand ein 8-Zoll-Newton-Tubus bereit, der auf einer parallaktischen Montierung befestigt war. Dazu gab es natürlich auch eine Reihe 4- bis 6-linsiger Okulare unterschiedlicher Brennweite.

Beim Newton-Teleskop fällt das Licht kosmischer Objekte praktisch parallel ein, wird vom in diesem Falle 20 cm durchmessenden Parabolspiegel auf einen Brennpunkt in 100 cm Entfernung gebündelt. Zuvor wird das Licht jedoch mit einem auf der Mittelachse des Tubus angebrachten Fangspiegel abgelenkt. Auf dem seitlichen Loch, durch welches das Licht nun fällt, ist ein Mechanismus angebracht, in den Okulare geklemmt und zum Scharfstellen sehr präzise bewegt werden können. Die Gesamtvergrößerung ergibt sich aus dem Quotienten von Objektivbrennweite (1.000 mm) und Okularbrennweite. Bei Okularen von 26 mm bis 5 mm ergeben sich Vergrößerungen von 39- bis 200-fach gegenüber der Beobachtung desselben Objekts mit dem bloßen Auge. Außerdem ist die lichtsammelnde Fläche etwa 1.000 Mal größer als die des Auges. Mit Hilfe einer Kamera kann man sogar über längere Zeit Licht sammeln und damit für das Auge normalerweise unsichtbare Details und Farben sichtbar machen.

Am Abend präsentierte Katrin ihren Vortrag zu Juri Gagarin, den sie bereits zu „Yuri’s Night“ in Mainz gehalten hatte. Insbesondere ging sie auf Juris Leben vor und nach seinem Raumflug ein. Im Prinzip war Gagarin ein ganz normaler Mann, der sich frühzeitig für die Fliegerei interessiert hatte, eine schnelle Auffassungsgabe hatte, die meisten Sachen engagiert anging und nach dem Raumflug versuchte, als Ausbilder auf Gefahren hinzuweisen und als Flieger seine Ziele verwirklichen zu können. Durch den targischen Tod von Wladimir Komarow, der mit Sojus 1 ins All flog, wurden Schwächen in der Hierarchie der russischen Raumfahrt aufgedeckt, die allerdings nicht zu so weitreichenden Konsequenzen führten wie das Challenger-Unglück in den USA. Ungeklärt sind auch die genauen Umstände seines Todes bei einem Flugzeugabsturz 1968.

Anschließend begaben sich die meisten Teilnehmer des Raumcon-Treffs zu einem etwas abgelegenen Platz nordöstlich von Darmstadt, um den Himmel mit dem vorgestellten Teleskop zu betrachten. Für einige war dies eine Premiere. Beobachtungsobjekte waren der Planet Saturn (zu dieser Zeit im Sternbild Jungfrau, 1,07 mag, 76 Lichtminuten entfernt), der Planetarische Nebel M 57 („Ringnebel“, Sternbild Leier, 8,8 mag, 2.300 ly, entstanden vor ca. 20.000 Jahren bei Supernova), der Kugelsternhaufen M 13 (Sternbild Herkules, 5,8 mag, 25.100 ly, einige Hunderttausend Sterne, mehrere Milliarden Jahre alt), das Galaxienpaar M 81/82 („Bodes Galaxien“, Sternbild Großer Bär, 7,0/8,4 mag, 11,8/14 Mio ly, M 82 ist Sternentstehungsgebiet mit starken Röntgenemissionen), der Offene Sternhaufen NGC 896/884 (h & chi persei, Sternbild Perseus, 5,3/6,2 mag, um 7.000 ly), der Planetarischer Nebel M 27 („Hantelnebel“, Sternbild Fuchs, 7,5 mag, 1.360 ly, erster entdeckter Planetarischer Nebel), die Galaxie M 51 („Whirlpool-Galaxie“, Sternbild Jagdhunde, 8,1 mag, 23 Mio ly, supermassives SL im Hauptkern, eine Galaxie „frisst“ die andere, hier wurde etwa 1 Stunde nach unserer Beobachtung die Supernova entdeckt!!!), Mizar A/B/Alkor (Doppelstern im Doppelstern, Sternbild Großer Bär, 4,3/4,0/… mag, 78 ly), der Doppelstern Albireo (Sternbild Schwan, 3,1/5,1 mag, 390 ly), ein paar Satelliten, ein paar Sternschnuppen und (mindestens) ein Iridium-Flare.

Nächtlicher Spaß beim Spechteln (Bild: Raumfahrer.net)

Der Freitag begann damit, dass Olli uns erklärte, was man auf der Erde tun kann, um beispielsweise beim Jupiter für „Killerelektronen“ gerüstet zu sein. Diese in einem breiten Energiespektrum auftretenden Teichen bilden eine Gefahr für die Mess-, Steuer- und Kommunikationselektronik. Daher möchte man diese auf der Erde simulieren können. Normale Teilchenbeschleuniger wie Zyklotrone oder Linearbeschleuniger liefern aber weitgehend monoenergetische Teilchen. Ein breites Energiespektrum mit exponentiell absteigender Teilchenzahl und sowohl Elektronen als auch Ionen erreicht man in einem Laser-Plasmabeschleuniger, wie er an der Universität Düsseldorf seit einigen Jahren besteht ist und nun gemeinsam mit ESA bzw. JPL für Experimente zu Strahlungstests genutzt werden soll. Dabei wird mit einem energiereichen Laser auf ein festes Ziel oder eine Gasprobe gezielt. Von einem bestimmten Intensitätswert an, oszillieren die Teilchen nicht nur, sondern werden mit dem Lichtimpuls fortgerissen und auf gewaltige Geschwindigkeiten in einem exponentiellen Energiespektrum beschleunigt.

Olli referierte unterhaltsam über eine neue Art von Teilchenbeschleunigern. (Bild: Raumfahrer.net)

Die Laser-Plasmabeschleuniger sind im Unterschied zu ihren großen Verwandten sehr kompakt (Beschleunigungsstrecke von wenigen Mikrometern, ganze Anlage um 30 Meter Länge) und damit auch bedeutend preiswerter. Außerdem erzeugen sie das geforderte Spektrum, wie es auch in der Nähe des Gasriesen Jupiter vorkommt. Weitere Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich garantiert. Geplant sind zunächst Leistungsdichten von 1021 W/cm². Für Impulslängen um 10-15 s erreicht man Impulsstrahlungsleistungen um 200 TW, was mehr ist als die elektrische Leistung aller Kraftwerke der Welt zusammen, aber eben nur für einen sehr geringen Impulszeitraum.

Am Nachmittag fanden nach etwas Freizeit, die mancher für einen Stadtbummel, andere für etwas Schlaf nutzten, Gruppengespräche zur Verbesserung der Qualität von Forum und Portal statt. Dabei ging es um die Mitgliederbindung, die Verbindung von Forum und Portal, Innovationen und um die Verbesserung der Auffindbarkeit von Inhalten. Die Gespräche erbrachten viele Vorschläge und wurden am Samstag nachmittag ausgewertet.

Nach dem Abendessen wurden wir umfassend zum Thema Weltraummüll informiert. Bemerkenswert ist die Diskrepanz zwischen den Positionsangaben verschiedener aktiver Satelliten, die aus unterschiedlichen Quellen stammen. Dies erschwert natürlich die Berechnungen zu möglichen Kollisionen. Thomas ging auch auf die Auswirkungen des Satellitenabschusses 2007 und einer Satellitenkollision 2009 ein, welche die Menge der (bekannten) Schrottteile um rund 60% gegenüber 2006 erhöhte. Insbesondere polar umlaufende Teile bilden eine Gefahr für praktisch alle Bahnen ähnlicher Höhe und dies für mindestens einhundert Jahre.

Thomas weiß unheimlich viel über Weltraummüll und dessen Bahnen. (Bild: Raumfahrer.net)

Eine entsprechende Datenbank enthält (Stichtag: 5. September 2010) die Bahnparameter von 16.068 Teilen. Davon sind knapp 1.000 aktive Satelliten. Im Geostationären Orbit befinden sich 201 aktive Nutzlasten, die von 1.360 kreuzenden Objekten bedroht werden. Für Gegenmaßnahmen gibt es bisher bestenfalls Ideen.

Am Abend zeigten uns Katrin und Andreas noch eine ganze Reihe Bilder von ihrem Florida-Besuch im Frühjahr. Während ihres Aufenthaltes dort, startete die Mission STS 133 der Raumfähre Discovery. Außerdem erkundeten sie mehrere Tage lang Einrichtungen des Besucherzentrums des Kenedy Space Centers.

Der Samstag begann mit Ausführungen von Karl zum Thema Wostoksee. Hier wurde bereits in den 1990er Jahren ein fast 4 km tiefes Loch gebohrt und dabei der längste klimatologisch bedeutsame Bohrkern gewonnen. In ihm sind Staubablagerungen wie Jahresringe erkennbar, so dass man die Klimageschichte über etwa 400.000 Jahre (3.623 Meter durchgehender Bohreiskern) zurückverfolgen kann. Der im Winter fallende Schnee wurde zu Eis zusammengedrückt und konserviert auch biologische Bestandteile zuverlässig.

Die Untersuchungen am Wostoksee unter dem Eis der Antarktis besitzen insofern eine Bedeutung für die Raumfahrt, als dass man unter einem etwa 10 km dicken Eispanzer auf dem Jupitermond Europa einen subglazialen Ozean vermutet. Erreichen möchte man diesen durch eine Sonde, die sich durch das Eis schmilzt und dabei langsam hinabsinkt. Kommunikationsanlagen und Energieversorgung blieben dabei an der Oberfläche zurück. Daten und Strom sollen über ein abrollbares Kabel geleitet werden. Mittlerweile gibt es verschiedene Testprojekte in dieser Richtung.

Die russische Bohrung über dem Wostoksee wurde aber mit konventionellen Bohrtechniken gemacht. Zunächst durchbohrte man mehr als 3.000 Meter glaziales Eis. Danach stieß man auf eine mehr als 200 Meter dicke Schicht aus verändertem glazialen Eis. Hier haben sich durch die Bewegung des Gletschers und andere Umstände Verschiebungen ergeben, so dass die Schichtung durcheinander geriet. Als letzte Schicht erreichte man bereits 1996 wiedererstarrtes Eis. Aufgrund der geologischen Gegebenheiten drückt die Eismasse nicht gleichmäßig auf das darunterliegende Wasser und Gestein. Auch ist der 250 mal 50 Kilometer große See nicht überall gleich tief. Die tiefste Stelle schätzt man auf 300 Meter. So kommt es vor, dass Eis auf einer Seite unter hohem Druck schmilzt, im See langsam an andere Stellen gelangt und anderswo erneut gefriert. Dabei sollte es bereits biologisches Material aus dem See enthalten, was man auch untersucht hat.

Thema eines sehr interessanten Vortrages
(Bild: Raumfahrer.net)

Allerdings besteht die Gefahr der Kontamination des Sees durch Materialien und Mikroorganismen von oben. Auch wird das Bohrloch bisher durch Kerosin offengehalten, das aufgrund seiner hohen Dichte das Bohrloch gegen den Druck unter kilometerdickem Eis offenhalten kann. Dieses Kerosin soll natürlich das Wasser im Wostoksee nicht verunreinigen. Deshalb wurden neue Methoden entwickelt, um letztlich an unverfälschte Wasserproben aus dem größten und tiefsten subglazialen See der Antarktis zu gelangen.

Mittlerweile schließt man aber nicht mehr aus, dass zwischen benachbarten Seen Flüssigkeitsbrücken bestehen, durch die ein gewisser Austausch von Wasser stattfindet und die Verhältnisse im Wostoksee daher nicht so viel anders sind als anderswo. Die Temperatur liegt unter 10 °C, der Druck bei etwa 35 MPa, dem 350-fachen des normalen Luftdrucks auf der Erde. Sonnenlicht gelangt nicht durch die 4 km Eis, so dass nur chemische Reaktionen die Energie für eventuelles Leben in diesem See bereitstellen können. Allerdings laufen diese unter den geschilderten Bedingungen ebenfalls äußerst langsam ab. Trotzdem ist man gespannt, ob es im Wostoksee Leben gibt und wie sich dieses vom Leben an der Oberfläche unterscheidet. Außerdem ist der Weg dorthin auch eine technische Herausforderung. Will man unter dem Eis des Mondes Europa nach Leben suchen, sind noch vielfältige Vorarbeiten zu leisten.

Mit Überraschungen ist auf jeden Fall zu rechnen. Im Wostoksee gibt es vielleicht Gashydrate, die beim Anbohren des Sees und der damit verbundenen Druckminderung wie Gasbläschen im Sekt aufschäumen könnten. Man wird also vorsichtig und durchdacht vorgehen müssen, um einerseits das Geheimnis zu lüften und andererseits keine Katastrophe zu verursachen.

Noch vor dem Mittagessen sprachen Simon und Ian zum Chat und den neueren Entwicklungen der letzten Monate. Die maximale Userzahl lag bei 129, zwischenzeitlich hatte man aber auch immer wieder mit Spam-Attacken zu tun. Mittlerweile gibt es einen guten Geist (Bot) im Raumcon-Chat, der einem eine Pizza backt oder ein Gyros zubereitet.

Nach dem Mittag erläuterte Matthias die Nachbarbeitung von Astrofotos mit den Programmen Deep Sky Stacker (DSS) für Windows und THELI für Linux. Dabei werden mehrere Aufnahmen aufsummiert, Fehler der Kameraoptik und -elektronik (Bildrauschen) herausgerechnet und daraus ein deutlich besseres Bild gewonnen. Auch die Rolle von Darks, Flats und Bias wurde beschrieben. Natürlich hatte Matthias einige selbstgemachte Aufnahmen verschiedener Himmelsobjekte mitgebracht und das Verfahren kurz vorgeführt. Die Bildbearbeitung mit THELI, die genauer und besser ist, dauert selbst mit schnellen Rechnern im Normalfall viele Stunden.

Am Nachmittag wurden die Ergebnisse der Gesprächsrunden vorgestellt und Beschlüsse zur Verbesserung von Forum und Portal gefasst. Diese sollen in den kommenden Monaten umgesetzt werden. Nach einer weiteren „langen Nacht“ endete der 5. Raumcon-Treff am Sonntag vormittag offiziell mit der Auswertung von Ollis Bilderrätsel und der Übergabe von Preisen an die pfiffigsten Teilnehmer.

Gruppenbild mit Dr. Ferri im ESOC. (Bild: Raumfahrer.net)

Die Teilnehmer am Raumcon-Treff 2011 in Darmstadt waren Chewie, redmoon, Wolfgang2, Holi, Olli, Major_Tom, websquid, -eumel-, klausd, technician, Ian, tomtom, Pirx, Gertrud, Pikarl, Raffi, Swesda, STS-125, Laika, Ingo, Rasswet, GG, crash1411 und tobi (beide nicht auf dem Bild) sowie Organisator Nitro, dem unser besonderer Dank gilt. Ebenfalls entscheidend zum Gelingen beigetragen haben pikarl, -eumel- und alle Referenten aus unseren eigenen Reihen. Naja, eigentlich alle, oder? 😉

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