Wenn massereiche Sterne das Ende ihres Lebens erreichen, kollabieren sie unter ihrer eigenen Schwerkraft so schnell, dass es zu einer heftigen Explosion kommt, die als Supernova bezeichnet wird. Astronomen und Astronominnen gehen davon aus, dass nach all der Wucht der Explosion nur der extrem dichte Kern oder kompakte Überrest des Sterns übrig bleibt. Je nachdem, wie massereich der Stern ist, ist der kompakte Überrest entweder ein Neutronenstern – ein Objekt, das so dicht ist, dass ein Teelöffel seines Materials hier auf der Erde etwa eine Billion Kilogramm wiegen würde – oder ein schwarzes Loch – ein Objekt, aus dem nichts, nicht einmal Licht, entweichen kann. Eine Pressemitteilung des ESO Science Outreach Network (ESON).
Quelle: ESON 10. Januar 2024.
10. Januar 2024 – Astronomen und Astronominnen haben in der Vergangenheit schon viele Hinweise auf diese Kette von Ereignissen gefunden, wie einen Neutronenstern im Krebsnebel, der Gaswolke, die bei der Explosion eines Sterns vor fast tausend Jahren zurückblieb. Aber sie hatten diesen Prozess noch nie in Echtzeit gesehen, was bedeutet, dass ein direkter Beweis für eine Supernova, die einen kompakten Überrest hinterlässt, schwer zu finden war. „In unserer Arbeit stellen wir eine solche direkte Verbindung her“, sagt Ping Chen, Forscher am Weizmann Institute of Science, Israel, und Hauptautor einer Studie, die heute in Nature veröffentlicht und auf der 243. Tagung der American Astronomical Society in New Orleans, USA, vorgestellt wurde.
Die Forschenden hatten im Mai 2022 Glück, als der südafrikanische Amateurastronom Berto Monard die Supernova SN 2022jli im Spiralarm der 75 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie NGC 157 entdeckte. Zwei verschiedene Teams untersuchten die Folgen dieser Explosion und stellten fest, dass sie ein einzigartiges Verhalten aufweisen.
Nach der Explosion nimmt die Helligkeit der meisten Supernovae mit der Zeit einfach ab; Astronomen sehen einen sanften, allmählichen Rückgang in der „Lichtkurve“ der Explosion. Das Verhalten von SN 2022jli ist jedoch sehr eigenartig: Während die Gesamthelligkeit abnimmt, geschieht dies nicht gleichmäßig, sondern schwankt etwa alle 12 Tage auf und ab. „In den Daten von SN 2022jli sehen wir eine sich wiederholende Abfolge von Aufhellung und Abschwächung“, sagt Thomas Moore, ein Doktorand an der Queen’s University Belfast in Nordirland, der eine Studie über die Supernova leitete, die Ende letzten Jahres im Astrophysical Journal veröffentlicht wurde. „Dies ist das erste Mal, dass wiederholte periodische Oszillationen über viele Zyklen hinweg in der Lichtkurve einer Supernova nachgewiesen wurden“, schreibt Moore in seiner Arbeit.
Sowohl das Team von Moore als auch das von Chen gehen davon aus, dass die Anwesenheit von mehr als einem Stern im System SN 2022jli dieses Verhalten erklären könnte. In der Tat ist es nicht ungewöhnlich, dass massereiche Sterne mit einem Begleitstern in einem sogenannten Doppelsternsystem kreisen, und der Stern, der SN 2022jli verursachte, war keine Ausnahme. Das Bemerkenswerte an diesem System ist jedoch, dass der Begleitstern den gewaltsamen Tod seines Partners überlebt zu haben scheint und die beiden Objekte, der kompakte Überrest und der Begleiter, wahrscheinlich weiterhin umeinander kreisten.
Die Forschungsdaten der Moore-Gruppe, zu denen auch Beobachtungen mit dem NTT der ESO in der chilenischen Atacama-Wüste gehörten, erlaubten es ihnen nicht, genau zu bestimmen, wie die Wechselwirkung zwischen den beiden Objekten die Höhen und Tiefen in der Lichtkurve verursachte. Aber die Chen-Gruppe konnte zusätzliche Beobachtungen sammeln. Sie fanden dieselben regelmäßigen Schwankungen in der sichtbaren Helligkeit des Systems, die das Moore-Team entdeckt hatte, und sie entdeckten auch periodische Bewegungen von Wasserstoffgas und Ausbrüche von Gammastrahlen im System. Ermöglicht wurden ihre Beobachtungen durch eine Reihe von Messinstrumenten am Boden und im Weltraum, darunter der X-Shooter am VLT der ESO, der sich ebenfalls in Chile befindet.
Die beiden Teams sind sich einig, dass sich die wasserstoffreiche Atmosphäre des Begleitsterns aufblähte, als er mit dem Material interagierte, das bei der Supernovaexplosion ausgestoßen wurde. Wenn dann das kompakte Objekt, das nach der Explosion zurückblieb, auf seiner Umlaufbahn durch die Atmosphäre des Begleitsterns raste, stahl es Wasserstoffgas und bildete eine heiße Materiescheibe um sich herum. Dieser periodische Materieentzug, die Akkretion, setzte viel Energie frei, die sich in den Beobachtungen als regelmäßige Helligkeitsveränderungen bemerkbar machte.
Obwohl die Teams kein Licht von dem kompakten Objekt selbst beobachten konnten, kamen sie zu dem Schluss, dass dieser Energieraub nur durch einen unsichtbaren Neutronenstern oder möglicherweise ein schwarzes Loch verursacht werden kann, das Materie aus der aufgeblähten Atmosphäre des Begleitsterns anzieht. „Unsere Forschung ist wie das Lösen eines Puzzles, indem wir alle möglichen Beweise zusammentragen“, sagt Chen. „All diese zusammengesetzten Teile führen zur Erkenntnis.“
Auch wenn sich die Anwesenheit eines schwarzen Lochs oder eines Neutronensterns bestätigt hat, gibt es noch viel über dieses rätselhafte System zu erfahren, darunter die genaue Beschaffenheit des kompakten Objekts oder welches Ende dieses Doppelsternsystem erwarten könnte. Teleskope der nächsten Generation wie das Extremely Large Telescope der ESO, das noch in diesem Jahrzehnt in Betrieb genommen werden soll, werden dabei helfen und den Astronomen ermöglichen, noch nie dagewesene Details dieses einzigartigen Systems zu enthüllen.
Weitere Informationen
Diese Forschungsarbeit wurde in zwei Veröffentlichungen vorgestellt. Das Team unter der Leitung von P. Chen veröffentlichte einen Artikel mit dem Titel “A 12.4 day periodicity in a close binary system after a supernova” in Nature (doi: 10.1038/s41586-023-06787-x).
Das Team besteht aus P. Chen (Department of Particle Physics and Astrophysics, Weizmann Institute of Science, Israel [Weizmann Institute]), A. Gal-Yam (Weizmann Institute), J. Sollerman (The Oskar Klein Centre, Department of Astronomy, Stockholm University, Sweden [OKC DoA]), S. Schulze (The Oskar Klein Centre, Department of Physics, Stockholm University, Sweden [OKC DoP]), R. S. Post (Post Observatory, Lexington, USA), C. Liu (Fachbereich Physik und Astronomie, Northwestern University, USA [Northwestern]; Center for Interdisciplinary Exploration and Research in Astrophysics, Northwestern University, USA [CIERA]), E. O. Ofek (Weizmann Institut), K. K. Das (Cahill Center for Astrophysics, California Institute of Technology, USA [Cahill Center]), C. Fremling (Caltech Optical Observatories, California Institute of Technology, USA [COO]; Division of Physics, Mathematics and Astronomy, California Institute of Technology, USA [PMA]), A. Horesh (Racah Institute of Physics, The Hebrew University of Jerusalem, Israel), B. Katz (Weizmann Institut), D. Kushnir (Weizmann Institut), M. M. Kasliwal (Cahill Center), S. R. Kulkarni (Cahill Center), D. Liu (South-Western Institute for Astronomy Research, Yunnan University, China [Yunnan]), X. Liu (Yunnan), A. A. Miller (Northwestern; CIERA), K. Rose (Sydney Institute for Astronomy, School of Physics, The University of Sydney, Australien), E. Waxman (Weizmann Institut), S. Yang (OKC DoA; Henan Academy of Sciences, China), Y. Yao (Cahill Center), B. Zackay (Weizmann Institut), E. C. Bellm (DIRAC Institute, Department of Astronomy, University of Washington, USA), R. Dekany (COO), A. J. Drake (PMA), Y. Fang (Yunnan), J. P. U. Fynbo (The Cosmic DAWN Center, Dänemark; Niels Bohr Institute, University of Copenhagen, Dänemark), S. L. Groom (IPAC, California Institute of Technology, USA [IPAC]), G. Helou (IPAC), I. Irani (Weizmann Institut), T. J. du Laz (PMA), X. Liu (Yunnan), P. A. Mazzali (Astrophysics Research Institute, Liverpool John Moores University, UK; Max-Planck-Institut für Astrophysik, Deutschland), J. D. Neill (PMA), Y.- J. Qin (PMA), R. L. Riddle (COO), A. Sharon (Weizmann-Institut), N. L. Strotjohann (Weizmann-Institut), A. Wold (IPAC), L. Yan (COO).
Das von T. Moore geleitete Team veröffentlichte eine Arbeit mit dem Titel “SN 2022jli: A Type 1c Supernova with Periodic Modulation of Its Light Curve and an Unusual Long Rise” in The Astrophysical Journal Letters (doi: 10.3847/2041-8213/acfc25).
T. Moore (Astrophysics Research Centre, Queenʼs University Belfast, UK [Queen’s]), S. J. Smartt (Queen’s; Department of Physics, University of Oxford, UK [Oxford]), M. Nicholl (Queen’s), S. Srivastav (Queen’s), H. F. Stevance (Oxford; Fachbereich Physik, Universität von Auckland, Neuseeland), D. B. Jess (Queen’s; Fachbereich Physik und Astronomie, California State University Northridge, USA), S. D. T. Grant (Queen’s), M. D. Fulton (Queen’s), L. Rhodes (Oxford), S. A. Sim (Queen’s), R. Hirai (OzGrav: The Australian Research Council Centre of Excellence for Gravitational Wave Discovery, Australien; School of Physics and Astronomy, Monash University, Australien), P. Podsiadlowski (University of Oxford, UK), J. P. Anderson (European Southern Observatory, Chile; Millennium Institute of Astrophysics MAS, Chile), C. Ashall (Department of Physics, Virginia Tech, USA), W. Bate (Queen’s), R. Fender (Oxford), C. P. Gutiérrez (Institut d’Estudis Espacials de Catalunya, Spanien [IEEC]; Institut für Weltraumwissenschaften, Campus UAB, Spanien [ICE, CSIC]), D. A. Howell (Las Cumbres Observatory, USA [Las Cumbres]; Department of Physics, University of California, Santa Barbara, USA [UCSB]), M. E. Huber (Institute for Astronomy, University of Hawai’i, USA [Hawai’i]), C. Inserra (Cardiff Hub for Astrophysics Research and Technology, Cardiff University, UK), G. Leloudas (DTU Space, National Space Institute, Technical University of Denmark, Dänemark), L. A. G. Monard (Kleinkaroo Observatorium, Südafrika), T. E. Müller-Bravo (IEEC; ICE, CSIC), B. J. Shappee (Hawai’i), K. W. Smith (Queen’s), G. Terreran (Las Cumbres), J. Tonry (Hawai’i), M. A. Tucker (Department of Astronomy, The Ohio State University, USA; Department of Physics, The Ohio State University, USA; Center for Cosmology and Astroparticle Physics, The Ohio State University, USA), D. R. Young (Queen’s), A. Aamer (Queen’s; Institute for Gravitational Wave Astronomy, University of Birmingham, UK [IGWA]; School of Physics and Astronomy, University of Birmingham, UK [Birmingham]), T.- W. Chen (Graduate Institute of Astronomy, National Central University, Taiwan), F. Ragosta (INAF, Osservatorio Astronomico di Roma, Italien; Space Science Data Center-ASI, Italien), L. Galbany (IEEC; ICE, CSIC), M. Gromadzki (Astronomisches Observatorium, Universität Warschau, Polen), L. Harvey (School of Physics, Trinity College Dublin, The University of Dublin, Irland), P. Hoeflich (Department of Physics, Florida State University, USA), C. McCully (Las Cumbres), M. Newsome (Las Cumbres; UCSB), E. P. Gonzalez (Las Cumbres; UCSB), C. Pellegrino (Las Cumbres; UCSB), P. Ramsden (Birmingham; IGWA), M. Pérez-Torres (Instituto de Astrofísica de Andalucía (IAA-CSIC), Spanien; School of Sciences, Europäische Universität Zypern, Zypern), E. J. Ridley (IGWA; Birmingham), X. Sheng (Queen’s), und J. Weston (Queen’s).
Über die ESO
Die Europäische Südsternwarte (ESO) befähigt Wissenschaftler*innen weltweit, die Geheimnisse des Universums zum Nutzen aller zu entdecken. Wir entwerfen, bauen und betreiben Observatorien von Weltrang, die Astronominnen und Astronomen nutzen, um spannende Fragen zu beantworten und die Faszination der Astronomie zu wecken, und wir fördern die internationale Zusammenarbeit in der Astronomie.
Die ESO wurde 1962 als zwischenstaatliche Organisation gegründet und wird heute von 16 Mitgliedstaaten (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Finnland, Irland, Italien, den Niederlanden, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, der Schweiz, Spanien, der Tschechischen Republik und dem Vereinigten Königreich) sowie dem Gastland Chile und Australien als strategischem Partner unterstützt.
Der Hauptsitz der ESO und ihr Besucherzentrum und Planetarium, die ESO Supernova, befinden sich in der Nähe von München in Deutschland, während die chilenische Atacama-Wüste, ein wunderbarer Ort mit einzigartigen Bedingungen für die Himmelsbeobachtung, unsere Teleskope beherbergt. Die ESO betreibt drei Beobachtungsstandorte: La Silla, Paranal und Chajnantor. Am Standort Paranal betreibt die ESO das Very Large Telescope und das dazugehörige Very Large Telescope Interferometer sowie Durchmusterungsteleskope wie z. B. VISTA. Ebenfalls am Paranal wird die ESO das Cherenkov Telescope Array South betreiben, das größte und empfindlichste Gammastrahlen-Observatorium der Welt. Zusammen mit internationalen Partnern betreibt die ESO auf Chajnantor APEX und ALMA, zwei Einrichtungen zur Beobachtung des Himmels im Millimeter- und Submillimeterbereich. Auf dem Cerro Armazones in der Nähe von Paranal bauen wir „das größte Auge der Welt am Himmel“ – das Extremely Large Telescope der ESO. Von unseren Büros in Santiago, Chile, aus unterstützen wir unsere Aktivitäten im Land und arbeiten mit chilenischen Partnern und der Gesellschaft zusammen.
Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsländern (und einigen weiteren Staaten) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.
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