Trägerrakete Vega nimmt Flugbetrieb wieder auf – mit neuem Rideshare-Service. Eine Pressemitteilung der Europäischen Raumfahrtagentur (European Space Agency, ESA)
Quelle: ESA.
Der erste Rideshare-Flug einer Vega-Trägerrakete, für den im Rahmen des Small Spacecraft Mission Service (SSMS) der Dispenser für kleine Satelliten genutzt wird, startete am 3. September um 02:51 BST / 03:51 CEST (22:51 Uhr Ortszeit am 2. September) vom europäischen Weltraumbahnhof in Kourou, Französisch-Guyana, ins All.
Die Wiederaufnahme des Flugbetriebs mit Vega demonstriert die neuen Service-Kapazitäten an Bord der von der ESA entwickelten Trägerrakete. Gleichzeitig sorgt sie für Kontinuität bei Europas garantiertem und unabhängigem Zugang zum Weltraum.
Der Start markiert gleichzeitig den Abschluss der schnellen und effizienten Durchführung von Korrektivmaßnahmen durch die Industrie. Diese wurden von der ESA als die Qualifikationsbehörde für die Vega-Trägerraketensysteme geleitet und folgten den Empfehlungen des unabhängigen Untersuchungsausschusses, der den gescheiterten Vega-Flug VV15 am 10. Juli 2019 analysiert hatte.
„Wir nehmen den Betrieb am europäischen Weltraumbahnhof wieder auf und sind stolz, dass Vega erneut ins All startet und damit einen neuen besonderen Startservice unter Beweis stellt. Europas Small Spacecraft Mission Service bringt kleine Satelliten routinemäßig und zu erschwinglichen Kosten in den Weltraum. Mit diesem neuen Ansatz werden wir den neuen Bedürfnissen des Marktes gerecht“, sagt Daniel Neuenschwander, ESA-Direktor für Trägersysteme.
Der Flug dient dem Nachweis der Machbarkeit dieses Konzepts und wird von Arianespace durchgeführt – und zwar im Rahmen der LLL-Initiative der ESA (Light satellites, Low cost, Launch opportunities; Deutsch: Günstige Startmöglichkeiten für leichte Satelliten), die vom ESA-Ministerrat im Jahr 2016 beschlossen wurde, um neue Routinedienstleistungen für leichte Satelliten an Bord der europäischen Trägerraketen Vega/Vega-C und Ariane 6 zu entwickeln.
Der SSMS-Dispenser ist eine modulare, leichte Struktur aus Carbonfaser. Sie wurde entwickelt, um mehrere leichte Nutzlasten in den Weltraum zu transportieren und kann bis sehr kurz vor dem Start so konfiguriert werden, dass sie Satelliten in unterschiedlichster Anzahl und von unterschiedlichster Größen mitnehmen kann. Somit bietet Vega erschwingliche und praktische Startmöglichkeiten für kleine Satelliten, und diese sind nicht länger darauf angewiesen, nur als sekundäre Nutzlasten mit erheblich größeren Satelliten ins All fliegen zu können. Nachdem der Dispenser die Satelliten freigegeben hat, verlässt er den Orbit, um das Erzeugen von Weltraummüll zu vermeiden.
„Dieser Start zeigt, wie die ESA Innovationen nutzt, um die Kosten zu verringern, die Flexibilität und Agilität zu steigern sowie sich weiter in Richtung Kommerzialisierung zu bewegen“, sagt ESA-Generaldirektor Jan Wörner. „Dieser bessere Zugang zum Weltraum für innovative kleine Satelliten wird eine ganze Reihe von positiven Ergebnissen mit sich bringen, von neuer Umweltforschung bis hin zum Demonstrieren neuer Technologien.“
Kleine Satelliten ermöglichen Unternehmen und institutionellen Nutzern einen Zugang zum All, damit diese dort forschen und kommerzielle Anwendungen realisieren können. Somit sind sie ein Herzstück des NewSpace-Zeitalters.
Vega hat sieben Mikrosatelliten mit einem jeweiligen Gewicht von 15 bis 150 Kilogramm sowie 46 kleinere CubeSats mitgenommen. Sie alle wurden in sonnensynchronen Umlaufbahnen in einer Höhe von 515 bis 530 Kilometern freigegeben. Der letzte Satellit wurde etwa 104 Minuten nach dem Start freigesetzt.
Dabei stammt etwa die Hälfte der Gesamtmasse dieser 53 Satelliten, die Arianespace heute ins All geschossen hat, von europäischen Ländern (acht sind vertreten). Die ESA hat zur Entwicklung von vier dieser Satelliten beigetragen. Bei diesen handelt es sich um den 113 Kilogramm schweren ESAIL-Mikrosatelliten sowie drei CubeSats: Simba, Picasso und FSSCat/Φ-sat-1.
Der ESAIL-Satellit wurde von LuxSpace in Luxemburg gebaut und wird dabei helfen, hochinnovative, weltraumbasierte Services für den Seeverkehr anzubieten. Der Satellit wird Schiffe nachverfolgen, indem er deren Funknachrichten im Automatic Identification System weltweit ermittelt. Dies verbessert die Sicherheit auf See und trägt ebenfalls zur Überwachung der Fischerei sowie des Umweltschutzes bei.
Der CubeSat Simba wird vom Königlichen Meteorologischen Institut von Belgien (gemeinsam mit der Universität von Leuven sowie ISISpace in den Niederlanden) geleitet und Miniatur-Radiometer nutzen, um zwei wichtige Klimavariablen zu messen: die auf die Erde einwirkende Sonnenstrahlung und die von der Erde ausgehende Erdstrahlung, und zwar über alle Wellenlängen hinweg. Darüber hinaus wird Simba ein präzises Lagekontrollsystem demonstrieren. Picasso hat eine ähnliche Größe und wird vom Belgischen Institut für Weltraum-Aeronomie gemeinsam mit dem Technischen Forschungszentrum Finnland VTT und dem Unternehmen Clyde Space aus dem Vereinigten Königreich geleitet. Picasso wird die Ozonverteilung in der Stratosphäre sowie die Temperatur in der Mesosphäre vermessen – mit einem neu entwickelten Miniatur-Multispektral-Imager. Darüber hinaus wird Picasso die Dichte der Elektronen in der Ionosphäre untersuchen, und zwar mit einem Satz aus vier elektrostatischen Sonden.
Eine von der spanischen Universitat Politècnica de Catalunya bei den Copernicus Masters im Jahr 2017 vorgeschlagene Federated-Satellite-Systems-Mission (FSSCat-Mission) ist von einem Konsortium aus europäischen Unternehmen und Instituten entwickelt worden. Sie ermöglicht nun die erste ESA-Initiative, die Künstliche Intelligenz an Bord einer Erdbeobachtungs-Mission nutzen wird. Die bahnbrechende Technologie mit dem Namen Φ-sat-1 (spricht sich wie folgt: „Phisat-1″) soll dafür sorgen, dass nur nutzbare Daten zurück auf die Erde geschickt werden. Dies ermöglicht eine effiziente Handhabung der Daten und verschafft Nutzern einen zeitnahen Zugang zu Informationen – wovon letztlich die Gesellschaft als Ganzes profitieren wird.
Der heutige Vega-Flug wurde teilweise durch die Europäische Union finanziert, und zwar als Teil des Programms Horizon 2020, das wiederum im Rahmen des Abkommens über Weltraumtechnologie-Aktivitäten, das die EU und die ESA am 16. April 2019 unterzeichnet haben, stattfindet. Es unterstützt die Demonstration und Validierung dieses neuen Rideshare-Services auf einem Flug sowie den Startdienst für den Mikrosatelliten UPMSat-2.
Vega und ihre Nutzlast wurden unter sicheren Bedingungen untergebracht, und die Batterien wurden neu geladen, nachdem mehrere Startversuche im Juni wegen ungünstiger Wetterbedingungen in großer Höhe über Europas Weltraumbahnhof unterbrochen worden waren.
Über SSMS
Der Dispenser des Small Spacecraft Mission Service (SSMS; Deutsch: Missions-Service für kleine Raumfahrzeuge) hat ein modulares Design und kann so für verschiedene Startanforderungen verwendet werden. Dabei kann der Dispenser Satelliten mit einer Gesamtmasse von 1 Kilogramm (CubeSats) bis 500 Kilogramm (Minisatelliten) mitnehmen. SAB Aerospace hat den modularen Dispenser für Avio, den Generalunternehmer für die Vega-Trägerraketen der ESA, entwickelt und gebaut.
Über Vega
Vega, Europas Trägerrakete für leichte Lasten, startete erstmals im Februar 2012 ins All. Die Rakete hat einen Durchmesser von 3 Metern und ist 30 Meter lang. Sie besteht aus einem einzigen Gehäuse, drei mit Festtreibstoff angefeuerten Stufen, und einem oberen, mit Flüssigtreibstoff angetriebenen Modul zur Lage- und Orbitkontrolle sowie zur Satellitenfreigabe.
Die ESA blickt mit Vega-C zuversichtlich in die Zukunft – diese leistungsfähigere Vega-Version soll erstmals 2020 gestartet werden. Vega-C kann eine zusätzliche Last von 700 Kilogramm mit ins All nehmen und bietet ein größeres Volumen mit breiterer Verkleidung. Die Kosten sind dabei ähnlich wie für Vega, sodass mehr Raumfahrzeuge pro Flug mitgenommen werden können – bei erheblich niedrigeren Kosten pro Kilogramm.
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