Die Europäische Raumfahrtbehörde ESA hat heute folgende Presseinformation veröffentlicht.
Ein Beitrag von Dominik Mayer. Quelle: ESA.
Am Samstag, den 1. Februar um etwa 15.00 Uhr MEZ ging die Raumfähre „Columbia“ verloren. Die sieben Astronauten an Bord – Missionskommandant Rick Husband, Pilot William McCool, Nutzlastkommandant Michael Anderson, die Missionsspezialistinnen Kalpana Chawla und Laurel Clark, Missionspezialist David Brown und der israelische Nutzlastexperte Ilan Ramon – kamen bei dem Unglück ums Leben.
Generaldirektor Antonio Rodotà und der Direktor für Bemannte Raumfahrt, Jörg Feustel-Büechl, haben im Namen der ESA dem Administrator der NASA, Sean O’Keefe, und anderen leitenden Bediensteten der NASA und über sie den Angehörigen der Astronauten ihr Beileid ausgedrückt.
Angaben zur Mission
Die Raumfähre „Columbia“ war am 16. Januar mit einem Spacehab-Modul an Bord zu der 16-tägigen Wissenschaftsmission STS-107 gestartet. Die Mission wurde in 274 km Höhe mit einer Bahnneigung von 39° durchgeführt. Es handelte sich nicht um eine Mission zur Internationalen Raumstation (ISS), sondern um eine autonome Raumtransportermission ohne Rendezvous mit der ISS und ohne Mannschaftswechsel.
In einem planmäßigen Wiedereintrittsszenario beginnt die Wiedereintrittsphase knapp eine Stunde vor der Landung in rund 8 000 km Entfernung von der Landebahn im Kennedy Space Center (KSC) in Florida. Zu diesem Zeitpunkt fliegt der Orbiter in ca. 170 km Höhe mit einer Geschwindigkeit von etwa 28 000 km/h. Er wird dann in die richtige Fluglage gebracht, und mit der Zündung der Steuertriebwerke wird der Abstieg eingeleitet.
Rund 5 Minuten später beginnt in 120 km Höhe mit einer von einem Bordkontrollsystem gesteuerten automatischen Sequenz der Eintritt in die obere Atmosphäre. Zwischen 81 und 49 km Höhe herrscht Funkstille, da die Raumfähre in dieser Phase von einer für Funkwellen undurchdringlichen Hülle aus ionisierten Gaspartikeln umgeben ist. Die Funkstille dauert etwa 16 Minuten.
Der gesamte Wiedereintritt kann automatisch erfolgen oder von der Mannschaft gesteuert werden.
Die Wiedereintrittsphase von „Columbia“ am 1. Februar verlief nicht planmäßig. Etwa um 15.00 Uhr MEZ brach der Funkkontakt zur Raumfähre ab. Zu diesem Zeitpunkt, rund eine Viertelstunde vor der geplanten Landung, flog die Fähre mit 18-facher Schallgeschwindigkeit in 63 km Höhe über Texas und war noch 1 400 km von der Landebahn im KSC entfernt.
Videoaufnahmen zeigen, daß die Raumfähre einer gleichmäßigen Bahn folgte, wobei sie offenbar langsam auseinanderbrach. Die Trümmer sind über ein weites Gebiet im Osten von Texas und in Louisiana verstreut und werden nun nach und nach eingesammelt.
NASA-Administrator Sean O’Keefe hat eine Untersuchungskommission gebildet, die eine unabhängige Ermittlung der Ereignisse und Aktivitäten, welche den tragischen Tod von sieben Astronauten auf der Raumfähre „Columbia“ zur Folge hatten, durchführen soll. Der Direktor des Raumtransporterprogramms, Ron Dittemore, hat in einer Stellungnahme die Möglichkeit der Beschädigung einer Tragfläche der Raumfähre beim Start angesprochen; bisher sei jedoch nicht bekannt, ob dies zu der Katastrophe beigetragen haben könnte. Derzeit werden sämtliche Daten gesichert. Durch die Auswertung dieser Daten und die Begutachtung der eingesammelten Trümmerteile soll die Ursache des Unglücks ermittelt werden.
Unterdessen bleiben alle Raumtransporter am Boden, was unter anderem bedeutet, daß der Termin des geplanten Flugs des ESA-Astronauten Christer Fuglesang an Bord der Raumfähre „Atlantis“, d.h. Juli 2003, nun überprüft werden muß.
Internationale Raumstation (ISS)
Gegenwärtig befindet sich eine dreiköpfige Mannschaft an Bord der ISS: Kommandant Kenneth Bowersox (NASA) und die Flugingenieure Nikolai Budarin (RKA) und Donald Pettit (NASA). Sie kamen am 24. November 2002 mit der Raumfähre „Endeavour“ (STS-113) an und sollten Mitte März 2003 mit der „Atlantis“ zurückfliegen.
Ein russischer Progress-Entsorgungsfrachter (9P) koppelte sich am 1. Februar planmäßig von der ISS ab, und am 2. Februar um 13.59 Uhr MEZ wurde eine Sojus-Rakete mit einem weiteren Progress-Frachter (10P) erfolgreich für eine planmäßige Versorgungsmission gestartet.
An Bord der ISS sind ausreichende Vorräte (Proviant, Wasser, Treibstoff, usw.) für mehrere Monate nominalen Betriebs vorhanden. Auch ist ein Sojus-Fahrzeug des Typs 5S angekoppelt, das der Station als „Rettungsboot“ bis mindestens Mai 2003 zur Verfügung steht.
Rosaviakosmos und die NASA bestimmen gegenwärtig den Nachschubbedarf für die ISS und ihre Mannschaft in den kommenden Monaten und werden das Manifest für den nächsten Progress-Flug (11P, geplant für Juni 2003) und Sojus-Flug (6S, geplant für April 2003) neu festlegen.
Der nächste Mannschaftswechsel sollte beim Flug der Raumfähre „Atlantis“ im März 2003 stattfinden. Der am 26. April vorgesehene nächste Sojus-Flug war als Taxi-Flug mit dem ESA-Astronauten Pedro Duque geplant. Dieser Flug wird nun einer eingehenden Überprüfung unterzogen, doch werden Duque und sein ESA-Kollege André Kuipers, der am Sojus-Flug 7S im Oktober teilnehmen soll, einstweilen ihr Trainingsprogramm wie geplant fortsetzen.
Die nächsten Raumtransportermissionen zur ISS sahen nach einem MPLM-Logistikflug fünf Montageeinsätze für den Anbau von Gittersegmenten und Solargeneratoren vor und sollten im Februar 2004 zum Start des Verbindungsknotens Nr. 2 führen. Wie sich der Verlust der „Columbia“ auf diese Planung auswirken wird, soll in den nächsten Wochen geklärt werden.
ESA-Nutzlasten an Bord der „Columbia“
Die Raumfähre „Columbia“ führte das Spacehab-Forschungsdoppelmodul mit sieben ESA-Nutzlasten mit, deren Gesamtmasse 600 kg betrug und rund 25 % der Nutzlast auf dem Mitteldeck der Raumfähre und im Spacehab ausmachte.
Alle Nutzlasten haben während des 16-tägigen Einsatzes planmäßig funktioniert. Für die folgenden vier Instrumente, die der biologischen Forschung und Proteinkristallzüchtung dienten, werden jedoch keine wissenschaftlichen Ergebnisse zur Verfügung stehen, da den Experimentatoren keine Proben oder elektronischen Daten bereitgestellt werden können:
Die Verbesserte Protein-Kristallzüchtungsanlage (APCF) umfaßte 38 Experimentbehälter, deren Daten auf Digitalband aufgezeichnet wurden und deren wissenschaftliche Ergebnisse in den verarbeiteten Experimentproben bestanden.
Die „Biobox“ wurde für vier Experimente genutzt, deren Ergebnisse in verarbeiteten Proben bestanden. Für diese Einrichtung liegen nur Telemetriedaten vor, die zeigen, daß sie einwandfrei funktioniert hat.
Der „Biopack“ diente acht Experimenten, deren wissenschaftliche Ergebnisse in den verarbeiteten Proben bestanden.
Die Europäische Forschungseinrichtung zur Osteoporose im Weltraum und auf der Erde (ERISTO) umfaßte zwei Experimente mit 12 Experimentproben in Form menschlicher Knochenzellen. ERISTO benutzte das von der kanadischen Raumfahrtagentur CSA leihweise bereitgestellte Versuchsgerät OSTEO. Auch hier bestanden die wissenschaftlichen Ergebnisse in den Proben selbst.
Für die folgenden drei Forschungsinstrumente stehen alle Daten für die wissenschaftliche Auswertung zur Verfügung:
Die Einrichtung „Com2Plex“ ermöglichte drei technologische Experimente, die der Erprobung neuer Kreislauf-Wärmerohrkonzepte für die Industrie dienten. Die empfangenen Telemetriedaten aller Experimente lassen bereits erhebliche Verbesserungen der Wärmetransportfähigkeit erkennen. Die Daten sollen nun genauer ausgewertet werden.
Mit der Anlage für Adsorptions- und Oberflächenspannungsmessungen (FAST) konnten während des Flugs alle drei geplanten Experimente zum Abschluß gebracht werden. Alle Informationen (Telemetrie- und Videodaten) stehen den drei Experimentatorgruppen zur weiteren Auswertung zur Verfügung.
Das Verbesserte Atmungsüberwachungssystem (ARMS) war für 7 Flugexperimente und 1 Bodenexperiment zur Untersuchung der Lungen- und Herzkreislauf-Funktion unter Schwerelosigkeit bestimmt. Alle vor dem Flug gesammelten Basisdaten und alle Flugdaten liegen den Experimentatoren in elektronischer Form zur Auswertung vor.