Die Satellitennavigation hat die Art und Weise, wie Menschen leben und arbeiten, grundlegend verändert. Da aber die meisten von uns über ihre Smartphones darauf zugreifen, ist die tatsächliche Genauigkeit der Positionsbestimmung noch stark verbesserungswürdig. Eine Information der Europäischen Weltraumorganisation (ESA).
Quelle: ESA 25. Juli 2022.
25. Juli 2022 – Die ESA hat ein Projekt geleitet, in dem untersucht wurde, ob ein aus dem Satellitendesign übernommener Ansatz mit Gruppenantennen eine bessere Positionsbestimmung für zukünftige Smartphones, Tablets, Drohnen und andere Massenmarktgeräte ermöglichen könnte.
Alle derzeit in Europa verkauften Smartphones sollten die europäische Galileo-Konstellation verwenden. Sie ist heute das präziseste Satellitennavigationssystem der Welt und bietet mehr als 3 Milliarden Nutzer*innen auf der ganzen Welt eine metergenaue Ortung. Allerdings erreichen die Nutzer*innen von Smartphones in der Regel nicht die gleiche Präzision wie die Nutzer*innen von speziellen Satellitennavigationsempfängern.
„Die Satellitennavigation ist nur eine von vielen verschiedenen Funktionen, für die unsere Smartphones entwickelt wurden, sodass ihr typischer Ortungsfehler ziemlich hoch ist“, sagt die Antenneningenieurin Victoria Iza, die das Projekt für die ESA leitet.
„In der Praxis ist die Genauigkeit von der Umgebung abhängig. Am schlechtesten ist sie in bebauten Gebieten und Straßenschluchten, wo ein Teil des Himmels verdeckt ist. Der Ortungsfehler kann bis zu 10 m oder sogar noch höher steigen – das reicht zwar immer noch aus, um die richtige Straße zu finden, aber nur gerade so. Wenn man nämlich ein Smartphone auseinandernimmt, sieht man, dass die Navigationsfunktion von einer einzigen Antenne abhängt, die kleiner als eine Mini-Sim-Karte ist.“
„Wir haben im Rahmen des AMELIE-Projekts (Advanced Multi-Frequency Low-Cost, High Gain GNSS Antennas for next generation of Mass-Market Devices) die Anzahl der Navigationsantennen erhöht und jeweils eine auf jeder Seite der Platine vorsichtig platziert, um die Tasten und den Lautsprecher des Telefons zu umgehen. Dann haben wir ihre Eingänge mit einem für Satellitenantennen üblichen Gruppenansatz zusammengeführt. Wir wollten die Leistung bei der Geolokalisierung, der Signalverstärkung und der Phase verbessern, damit sie für Geräte der nächsten Generation geeignet sind.“
Das ursprüngliche Konzept stammt vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS und wurde durch das Navigation Innovation and Support Programme (NAVISP) der ESA unterstützt, das neue Konzepte im Bereich der Ortung, Navigation und Zeitmessung untersucht. Das deutsche Unternehmen TeleOrbit fungierte bei dem Projekt als Hauptauftragnehmer.
„Unser Team arbeitet normalerweise an großen Satellitenantennen, daher ist dies ein interessanter Wechsel hin zu kleineren, kostengünstigen Geräten für den Massenmarkt“, fügt Victoria Iza hinzu. „Und letztendlich wird der Erfolg durch die Erfahrung der Endbenutzer*innen definiert. Das bedeutete, dass das Projektteam nicht nur im Labor, sondern auch im Freien eine Reihe von Geh- und Fahrversuchen durchführen musste.“
Die Tests fanden in und um Nürnberg statt, wo TeleOrbit und das Fraunhofer-IIS angesiedelt sind. Matthias Overbeck vom Fraunhofer-IIS erklärt: „Wir nutzten unsere Absorberkammer für die Bewertung von Antennenmustern und der Abschwächung von Mehrwegsignalen, aber wir unternahmen auch Spaziergänge und Fahrten durch eine Vielzahl unterschiedlicher Umgebungen, vom bebauten Stadtzentrum über enge Straßen bis hin zu weniger bevölkerten Gebieten unter freiem Himmel.“
„Vieles hängt von der Umgebung ab, da hohe Gebäude die GNSS-Signale abschatten, während alle Arten von Objekten die Signale ebenfalls reflektieren. Diese Mehrwegsignale verringern auch die Genauigkeit der Ortung.“
„Außerdem haben die Feldtests ergeben, wie wichtig die Einbeziehung der Benutzer*innen ist, denn die Platzierung des Smartphones in der Hand der Benutzer*innen beeinflusst das Verhalten und die Leistung der AMELIE-Antenne.“
Das Team hat zwei Arten von Antennen getestet: ein Dualband-Design mit zwei separaten Frequenzbändern, das eine deutliche Leistungssteigerung gegenüber herkömmlichen Empfängern für Smartphones bietet, da Fehler durch die Ionosphäre, eine elektrisch aktive atmosphärische Schicht, ausgeglichen werden können, und eine Multiband-Version, mit der bis zu fünf Frequenzbänder der Konstellationen GPS, GLONASS und BeiDou sowie Galileo genutzt werden können.
Für den Einsatz im Auto hat das Team auch eine Keramikhalterung untersucht, die den Fokus der Antennen auf die Satellitensignale optimiert und gleichzeitig das Telefon in einem optimalen Winkel von 30° hält.
Dabei erreichte das Team einen maximalen Ortungsfehler von 1 m, eine zehnfach bessere Genauigkeit. Sie wollen in einem nächsten Schritt direkt mit einem Smartphone-Hersteller zusammenarbeiten, um herauszufinden, welche Fläche maximal für die Navigationsfunktionalität zur Verfügung steht. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass die Leistung der Antennen durch benachbarte Komponenten beeinträchtigt werden kann.
Sie sprechen auch Drohnenunternehmen an, bei denen der Platz weniger beschränkt ist und die zusätzliche Leistung der Gruppenantennen einen deutlichen Marktvorteil bedeuten könnte.
Über NAVISP
Viele der Experten, die das Galileo-Satellitennavigationssystem entworfen und betreut haben, unterstützen jetzt europäische Spitzenunternehmen bei der Entwicklung neuer Navigationstechnologien und -dienste. Das Ergebnis ist das Navigation Innovation and Support Programme (NAVISP) der ESA.
NAVISP befasst sich mit allen möglichen cleveren Ideen für die Zukunft der Navigation: Möglichkeiten zur Verbesserung der Satellitennavigation, alternative Ortungssysteme sowie neue Navigationsdienste und -anwendungen.
In Zusammenarbeit mit der europäischen Industrie und Forschung wurden bisher mehr als 200 NAVISP-Projekte initiiert.
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