Es stürmt die Sonne

Besonders starke Ausbrüche der Sonne haben für Beeinträchtigungen bei der Kommunikation und dem Betrieb von Satelliten und Raumsonden gesorgt. Was führte zu diesen rauen Bedingungen im All?

Ein Beitrag von Karl Urban. Quelle: NASA, ESA.

Sonnenuntergang in Florida am 23. Oktober 2003: Deutlich zu erkennen sind die massiven Sonnenflecken.
(Foto: NASA Spaceweather)

Eine stürmische Woche liegt hinter uns. Ausnahmsweise mussten dieses Mal keine umgeknickten Bäume von der Straße geräumt und überflutete Küstengebiete evakuiert werden. Denn diese Woche löste die Sonne einen etwas anderen Sturm aus, der in erster Linie die Betreiber von Satelliten in Aufregung versetzte.

Am vergangenen Samstag, den 25. Oktober vermeldete die NASA-Webseite für Weltraumwetter zwei besonders große Sonnenflecken von der Größe des Jupiters. Sonnenflecken sind Regionen auf der Sonnenoberfläche, deren Temperatur sich um etwa tausend Grad von ihrer heißeren Umgebung unterscheidet. Sie kommen zustande, wenn der Energietransport vom Sonnenkern zur Oberfläche unregelmäßig verläuft. Meist sind mit der Sichtung von Sonnenflecken die Entstehung von Flares und Protuberanzen verbunden. Dies sind Phänomene, bei denen die Sonne Materiewolken ins All bläst. Dadurch verstärkt sich der Sonnenwind, der normale Teilchenstrom, den die Sonne ständig ins Sonnensystem pustet.

Wenige Stunden nach der Sichtung der Flecken erreichte ein Strom geladener Teilchen die Erde und beschädigte unter anderem den japanischen Satelliten ADOES-2 so stark, dass er seine Arbeit einstellte und nicht mehr antwortete.

Durch die Eruptionen stark gestörte Aufnahme der amerikanisch-europäischen Sonnensonde SOHO, die sonst sehr scharfe Bilder macht.
(Foto: ESA/NASA)

Am 28. Oktober beobachtet die europäische-amerikanische Raumsonde SOHO erneut ein außergewöhnliches Schauspiel auf der Sonne: Eine gigantische Protuberanz wird ins All geblasen, allerdings sehr viel stärker als am Samstag und zudem in direkte Richtung der Erde. Die geladenen Partikel von der Sonne stellen eigentlich keine direkte Gefahr für die Erde und das Leben auf ihr dar: Unser Planet besitzt ein Magnetfeld, das ihn ständig vor den Auswirkungen des Sonnenwindes schützt und die Teilchen ablenkt. Selbst ein so großer Ausbruch wie in dieser Woche beobachtet, lässt das Erdmagnetfeld nicht verschwinden sondern verursacht nur eine Komprimierung um einige Prozent, die nach dem Ende des Sturms wieder zurückgeht. Doch für einige Satelliten, die auf relativ großen Bahnen um die Erde kreisen, bedeutet ein verstärkter Sonnenwind eine Gefahr. So kann die sensible Elektronik leicht beschädigt werden, wenn der Satellit durch die Bodenmannschaften nicht vorbereitet wird. Aber auch Raumsonden, die weit außerhalb eines schützenden Magnetfeldes fliegen, sind bei einem Sonnensturm stark gefährdet. Zur Situation der europäischen Sonde Mars Express, die noch auf dem Weg zum Roten Planeten ist, sagte Rudolf Schmidt, Projektleiter der Mission, gegenüber Raumfahrer.net: „Mars Express schlägt sich […] wunderbar. Irgendwie ist es für uns so, als würden wir mit einem Linienflugzeug durch starke Turbulenzen fliegen. Obwohl es wild zugeht behält der Bordcomputer alles unter Kontrolle.“ Auch die anderen Raumsonden der ESA haben die Auswirkungen des Teilchenbombardements gut überstanden.

Doch wie kommt es eigentlich, dass die Sonne diese Woche so viel Materie ins all spuckte? Besteht Grund zu der Annahme , dass sie in Zukunft noch größere Schäden anrichten wird?

Um diese Frage zu beantworten, ist es ratsam, einen Blick auf die Entwicklung der Sonne in den letzten Jahrzehnten und Jahrhunderten zu werfen. Ihre Aktivität ist nämlich nicht konstant. In einem Abstand von etwa elf Jahren steigt die Zahl der Sonnenflecken und damit ihre Aktivität auf ein Maximum, um dann in den nächsten elf Jahren wieder auf ein Minimum abzusinken. Im gleichen Zeitabstand polt sich auch das Magnetfeld der Sonne um. Der Grund für diese Lebenszyklen unseres Zentralgestirns ist noch nicht einwandfrei geklärt. Allerdings zeigt ein Blick auf die aufgezeichnete Entwicklung in letzter Zeit, dass die Ausbrüche dieser Woche keine Besonderheit waren. So stellten die gemessenen Werte am Mittwoch nur die drittstärksten seit der kontinuierlichen Aufzeichnung der Stärke von Flares 1978 dar. Allerdings reicht die Aufzeichnung der Anzahl von Flares und damit der Sonnenaktivität sehr viel weiter zurück.

Wie dieses Diagramm zeigt, war die Sonne bereits mitte des 20. Jahrhunderts sehr aktiv.

Hubertus Wöhl vom Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik (KIS) sagte dazu in einem schriftlichen Interview mit Raumfahrer.net:

„Grundsätzlich ist die Sonne ein typischer Stern, aber es gibt noch aktivere und noch ruhigere Sterne. Soweit wir durch Beobachtungen, die natürlich im Laufe der Jahrhunderte und speziell der letzten Jahrzehnte immer detaillierter wurden, wissen, hat die Sonne nach dem Maunder-Minimum (1650-1715) bis in die zweite Hälfte des vergangenen Jahrhunderts an Aktivität zugenommen. Der 11-Jahreszyklus mit der höchsten jemals gemessenen Aktivität war 1957, aber auch mehrere nachfolgende Zyklen waren recht stark, der derzeitige [ist] dagegen eher ein mittlerer.“

Am 29. Oktober in den USA: Die Auswirkungen der des Sonnensturms sind zumeist harmlose und doch schöne Polarlichter bzw. Auroras.
(Foto: NASA Spaceweather)

Die Sonne erreichte Mitte 2000 erneut ein Maximum. Seitdem ist ihre Aktivität wieder rückläufig. Da wundert es etwas, dass sich über drei Jahre nach dem Maximum noch so ein starker Ausbruch ereignen kann. Doch auch dies lässt sich erklären. Bernhard Kliem vom Astrophysikalischen Institut Potsdam (AIP) schrieb auf Anfrage von Raumfahrer.net:

„In jedem 11-Jahres-Zyklus gibt es einige besonders große Flares ein bis drei Jahre vor oder nach dem Maximum […]. Das Ereignis am 28.10. war das drittgrößte seit Beginn der quantitativen Aufzeichnungen […]. Die größten Ereignisse bisher gab es am 2. April 2001 (also nahe dem Maximum des aktuellen Zyklus) und am 16. August 1989 (nahe dem Maximum des vorhergehenden Zyklus) […]“

Obwohl der starke Sonnenwind, ausgelöst durch die aktuellen Ausbrüche, einen japanischen Satelliten außer Gefecht setzte und in der schwedischen Stadt Malmö einen Stromausfall verursachte, besteht kein Grund zur Besorgnis über die Gesundheit der Sonne. Sie ist ganz in ihrem Element und wird noch einige Milliarden Jahre leuchten, ehe sie ihr Zeitliches segnen wird. Wenn unser Zentralgestirn mal wieder Stürme entfacht und Sie nicht gerade Angestellter in einem Satelliten-Kontrollzentrum sind, sollten Sie dann gelegentlich einen Blick an den nächtlichen Sternenhimmel wagen: Denn dort lassen sich dann, wie auch in dieser Woche, Polarlichter beobachten. Sie entstehen, wenn die Teilchen des Sonnenwindes entlang der schwächeren Stellen des Erdmagnetfelds an den Polen in die Atmosphäre eindringen und mit den Luftmolekülen kollidieren. Nur wenn der Sonnenwind sehr stark ist, lassen sich Polarlichter auch in südlicheren Breiten, weitab von den Polkappen, beobachten.

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