Erstmals Quantenwelle im Heliumdimer gefilmt

Ein internationales Wissenschaftsteam der Goethe-Universität Frankfurt und der University of Oklahoma hat erstmals Effekte der Quantenphysik an einem auseinanderbrechenden Heliumdimer gefilmt. Der Film zeigt die Überlagerung von Wellen zweier Ereignisse, die mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit gleichzeitig auftreten: Der Fortbestand und das Auseinanderbrechen des Heliumdimers. Die Methode könnte künftig erlauben, das Entstehen und den Zerfall quantenphysikalischer Efimov-Systeme experimentell zu verfolgen. Eine Pressemitteilung der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Quelle: Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Prof. Reinhard Dörner (links) und Dr. Maksim Kunitzki vor dem COLTRIMS-Reaktionsmikroskop an der Goethe-Universität Frankfurt, mit dessen Hilfe die „Quantenwelle“ beobachtet werden konnte.
(Bild: Goethe-Universität Frankfurt)

Wer sich in die Welt der Quantenphysik begibt, muss sich auf Einiges gefasst machen, was in der Alltagswelt unbekannt ist: Edelgase gehen Bindungen ein, Atome verhalten sich gleichzeitig wie Teilchen und wie Wellen, und Ereignisse, die eigentlich einander ausschließen, lassen sich gleichzeitig beobachten.

Reinhard Dörner und sein Team beschäftigen sich in der Quantenwelt mit Molekülen, die es klassischerweise gar nicht geben dürfte: Zweierverbindungen von Helium, sogenannte Heliumdimere. Denn Helium wird ja gerade deshalb zu den Edelgasen gezählt, weil es eigentlich keine Verbindungen eingeht. Wenn man das Gas jedoch auf nur 10 Grad über dem absoluten Nullpunkt von minus 273 Grad Celsius abkühlt und dann durch eine kleine Düse in eine Vakuumkammer strömen lässt, wodurch es noch kälter wird, dann bilden sich – ganz selten – solche Heliumdimere. Es sind sicher die am schwächsten gebundenen Moleküle im Universum, und entsprechend weit sind die beiden Atome im Molekül voneinander entfernt. Während eine chemische Bindung gewöhnlicherweise rund 1 Ångström misst (0,1 Nanometer), sind es beim Heliumdimer im Mittel mehr als 50 Mal so viel, 52 Ångström.

Solche Heliumdimere haben die Frankfurter Wissenschaftler mit einem extrem starken Laserblitz bestrahlt und dadurch die Bindung zwischen den beiden Heliumatomen minimal verdreht – was ausreichte, um die beiden Atome auseinanderfliegen zu lassen. Daraufhin konnten die Wissenschaftler das wegfliegende Heliumatom erstmals als Welle sehen und in einem Film aufzeichnen.

Dr. Maksim Kunitski am COLTRIMS-Reaktionsmikroskop an der Goethe-Universität Frankfurt, mit dessen Hilfe die „Quantenwelle“ beobachtet werden konnte.
(Bild: Uwe Dettmar für Goethe-Universität)

Der Quantenphysik zufolge verhalten sich Objekte gleichzeitig wie ein Teilchen und eine Welle, was der Laie vielleicht von den Lichtteilchen (Photonen) her kennt, die sich einerseits wie Wellen überlagen und damit verstärken oder auslöschen können (Interferenz), andererseits aber als „Sonnenwind“ zum Beispiel Raumsonden über deren Sonnensegel antreiben können.

Dass die Forscher das wegfliegende Heliumatom im Frankfurter Laser-Experiment als eine Welle überhaupt beobachten und filmen konnten, lag daran, dass das Heliumatom nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit wegflog: Mit 98-prozentiger Wahrscheinlichkeit war es noch an seinen zweiten Heliumpartner gebunden, mit 2-prozentiger Wahrscheinlichkeit flog es weg. Diese beiden Heliumatom-Wellen – Vorsicht: Quantenphysik! – überlagerten sich, ihre Interferenz ließ sich messen.

Vorstellen kann man sich das nicht, aber die Vermessung solcher „Quantenwellen“ lässt sich ausdehnen auf Quantensysteme mit mehreren Partnern wie das Heliumtrimer aus drei Helium-Atomen. Das Heliumtrimer ist interessant, da es einen exotischen sogenannten Efimovzustand bilden kann, sagt Maksim Kunitski, Erstautor der Studie: „Solche Drei-Teilchen-Systeme wurden 1970 durch den russischen Theoretiker Vitaly Efimov vorhergesagt und zunächst an Cäsiumatomen nachgewiesen. Vor fünf Jahren haben wir erstmals den Efimovzustand im Heliumtrimer entdeckt. Unsere jetzt entwickelte Methode der Laserpuls-Bestrahlung könnte es uns in Zukunft erlauben, die Entstehung und den Zerfall von Efimov-Systemen zu beobachten und so quantenphysikalische Systeme besser verstehen zu können, die experimentell nur schwer zugänglich sind.“

Video:
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