Erste Tests zur Befreiung Spirits

Bereits Anfang Mai 2009 hat sich der Mars-Rover Spirit in einer Sandfalle verfangen. Mittlerweile gelang es den für die Mission verantwortlichen Ingenieuren und Wissenschaftlern die Situation so weit zu analysieren, dass in einer Testanlage des JPL ab der nächsten Woche erste Strategien zur Befreiung des Rovers getestet werden sollen.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL, Unmanned Spaceflight.

NASA, JPL
Spirit hat sich mit seinen Rädern in sehr lockerem Untergrund festgefahren.
(Bild: NASA, JPL)

Am 12. Mai 2009 gab die NASA offiziell bekannt, dass sich der Mars-Rover Spirit im sehr lockeren Untergrund festgefahren hatte und in den folgenden Wochen intensive Tests in einer simulierten Umgebung stattfinden sollten, um die als sehr ernst eingestufte Situation ausgiebig zu analysieren. Drei der vier steuerbaren Räder des Rovers waren bis über die Achsen im Sand versunken. Bei dem vierten Rad handelte es sich um das seit drei Jahren durch einen Defekt dauerhaft blockierte und nicht mehr drehbare rechte Vorderrad. Über den Status der beiden Mittelräder war zunächst nichts bekannt, da diese durch keine der Kameras des Rovers abgebildet werden konnten. Außerdem konnte man aufgrund der übermittelten Telemetriedaten nicht ausschließen, dass die Unterseite des Rovers nicht bereits Kontakt mit dem Untergrund hatte, was eine Weiterfahrt zumindestens sehr erschweren, wenn nicht sogar unmöglich machen würde.

Um eine Strategie zur Befreiung des Rovers zu entwickeln, war daher das Sammeln weiterer Daten zwingend notwendig. Dazu musste allerdings erst ein anderes Problem bewältigt werden. Die erforderlichen Daten konnten größtenteils nur mit den am Instrumentenarm des Rovers montierten Spektrometern erlangt werden. Dieser Instrumentenarm war aber infolge mehrerer zuvor erfolgter unerwarteter Reboots des Bordcomputers vorübergehend nicht einsatzfähig. Diese Neustarts hatten die Skalierung der Servomotoren des Armes gelöscht. Deshalb musste jetzt zunächst eine erneute Eichung durchgeführt werden. Dieser Prozess wurde bisher allerdings lediglich in den Labors des JPL durchgeführt und noch nie direkt auf dem Mars, was einige Vorbereitungen erforderlich machte.

NASA, JPL, USGS
Ein Blick unter den Rover, aufgenommen mit der Mikroskopkamera am 2. Juni 2009.
(Bild: NASA, JPL, USGS)

Ende Mai war es dann soweit und die Arbeiten konnten beginnen. Zuerst setzte man das im Instrumentenarm integrierte Mikroskop auf eine ungewöhnliche Art ein. Am 30. Mai und am 3. Juni erfolgten dazu zwei Abbildungen des Bodens unter dem Rover. Die dabei erzielten Ergebnisse waren erstaunlich gut, wenn man bedenkt, dass das Mikroskop eigentlich nur für die Abbildung von Objekten aus einer Entfernung von sechs Zentimetern vorgesehen ist, während die gewonnenen Aufnahmen aus etwa einen Meter Entfernung angefertigt wurden und deshalb sehr unscharf ausfielen. Die anschließend computertechnisch nachbearbeiteten Aufnahmen gaben allerdings weiteren Anlass zur Sorge. Beide Mittelräder waren zur Hälfte im Untergrund versunken. Des weiteren befinden sich mehrere Steine unter dem Rover, von denen anscheinend einer bereits die Unterseite von Spirit berührt.

Der Schwerpunkt der Analysen konzentrierte sich allerdings auf die Ermittlung der exakten Zusammensetzung des Marsbodens in unmittelbarer Umgebung von Spirit. Auf den gewonnenen Aufnahmen der Kameras ist zu erkennen, dass sich der Boden unter Spirit offensichtlich aus verschiedenen Materialien zusammensetzt. Die drei linken Räder des Rovers befinden sich in einem weißen Material, bei welchem es sich sehr wahrscheinlich um hoch konzentriertes Siliziumdioxid handeln dürfte. Diese Räder sind auch etwas tiefer eingesunken als die drei Räder auf der rechten Roverseite, wo der aufgewühlte Boden die für die Marsoberfläche typische rötliche Färbung einnimmt. Zur genaueren Analyse der Bodenzusammensetzung wurden eine Vielzahl von Panoramakamera-Aufnahmen angefertigt. Außerdem wurden das Mikroskop, das APXS-Spektrometer und das Mössbauer-Spektrometer eingesetzt, um die Zusammensetzung an verschiedenen Punkten zu bestimmen.

NASA, JPL, Cornell University
Falschfarbenaufnahme des Bodens. Die beiden Steine haben Abmessungen von etwa 10 mal 3 Zentimetern.
(Bild: NASA, JPL, Cornell University)

Mit den gewonnenen Erkenntnissen ging man daran, verschiedene Strategien zur Befreiung des Rovers auszuarbeiten, zu diskutieren und zu bewerten. Gleichzeitig rekonstruierte man in einer Testanlage des JPL die aktuelle Situation auf dem Mars. Bodenneigung und -zusammensetzung wurden möglichst detailgetreu dargestellt, bevor man in dieser Anlage dann erste Fahrversuche unternahm. Eines der ersten Ergebnisse dieser Tests stand im Zusammenhang mit einem der Mittelräder des Rovers. Das linke Mittelrad von Spirit hatte während der letzten Fahrt aus einem anfangs nicht bekannten Grund den Betrieb eingestellt. Die Telemetriedaten zeigten lediglich an, dass das Rad plötzlich einen ungewöhnlich hohen Wiederstand überwinden musste. Der dazu erforderliche Energieaufwand überstieg die voreingestellten Parameter, was aus Sicherheitsgründen zu einer Abschaltung des Rades führte. Als Ursache vermutete man zuerst, dass eventuell Sand in das entsprechende Radgetriebe geraten sein könnte. Später stellte sich heraus, dass das Rad lediglich gegen einen im Weg liegenden Stein gefahren war.

Mitte Mai wurden Spirit Kommandos übermittelt, um dieses Problem genauer zu analysieren. Die Auswertung der gewonnenen Daten zeigte für das betreffende Rad einen elektronischen Widerstand an, welcher sich aber innerhalb der erwarteten Bandbreite befand. Anfang Juni wurde das Rad dann mehrmals in eine Drehbewegung versetzt. Da es sich bei diesen Versuchen genauso verhalten hat, wie es auch bei den zuvor mit einem Testrover erfolgten Tests auf der Erde der Fall gewesen war, konnte man jetzt relativ sicher sein, dass die am JPL gemischte Bodenzusammensetzung mit den realen Bodenverhältnissen auf dem Mars identisch ist. Die Spektrometeruntersuchungen haben ergeben, dass es sich dabei neben Siliziumdioxid im Wesentlichen um eine Mischung aus Quarzsand, Eisen- und Kalziumsulfaten handelt, welche sich nicht gleichmäßig verteilt, sondern an verschiedenen Stellen in unterschiedlichen Konzentrationen abgelagert ist.

NASA, JPL-Caltech
Ein Teil der Materiallieferung zwecks Rekonstruktion des Untergrundes in der Testanlage des JPL.
(Bild: NASA, JPL-Caltech)

Letzte Woche erfolgte daraufhin die Lieferung von insgesamt 1.800 Kilogramm Testmaterials für die Nachbildung des Untergrundes. Das Siliziumdioxid soll dabei in erster Linie durch Diatomeenerde simuliert werden, welche ebenfalls aus einem sehr feinen Pulver besteht und ähnliche Eigenschaften wie das Siliziumdioxid auf dem Mars aufweisen dürfte. Sie setzt sich zu etwa 86 Prozent aus Kieselerde zusammen. Die restlichen Bestandteile sind Natrium, Magnesium und Eisen. Als sich Opportunity, der Zwillingsrover von Spirit, 2005 in der Purgatory-Düne festgefahren hatte, machte man bei den Tests am JPL mit einer ähnlichen Substanz sehr gute Erfahrungen.

In diesen Tagen wird eine ausreichend große Menge Testmaterials zusammengemischt und in das Testfeld umgebettet. Dabei soll der Untergrund möglichst naturgetreu wiedergegeben werden. Das bedeutet, man simuliert einen Abhang mit 14 Grad Gefälle, was der momentanen Ausrichtung des Rovers entspricht, befüllt den unteren Teil, wo sich die linke Roverseite befinden wird, mit der Diatomeenerde-Mischung, während sich im oberen Teil eine Mixtur aus sehr feinem Sand und Tonerde befinden wird und platziert an den bekannten Stellen ein paar Steine, welche in ihrer Form und Größe denen auf dem Mars entsprechen. Zum Schluss wird dann der Testrover des JPL im Testfeld platziert. Diese Vorbereitungen sollen im Laufe des Montags abgeschlossen werden, so dass aller Voraussicht nach bereits am Dienstag erste Versuchsreihen zur Entwicklung einer Strategie zur Befreiung Spirits durchgeführt werden können.

NASA, JPL-Caltech
Mitglieder des Rover-Teams mischten in den letzten Tagen das Material für die Testanlage.
(Bild: NASA, JPL-Caltech)

Dabei soll im Laufe der kommenden Wochen die gesamte Palette der bisher ausgeklügelten Befreiungsstrategien durchgespielt werden. Diese verschiedenen Variationen fallen allerdings bisher eher dürftig aus. Im Prinzip gibt es erst zwei testfähige Strategien.

Zuerst wird man versuchen, mit dem Rover sehr langsam und sehr vorsichtig rückwärts zu fahren. Bei der letzten Fahrt auf dem Mars vor mehreren Wochen hat man damit bereits vielversprechende Erfahrungen gemacht. Der Rover kam zwar nur langsam voran, aber er hat sich immerhin auf die erwartete Weise bewegt. Dieser Versuch wurde damals lediglich aufgrund des im Weg liegenden Steins abgebrochen, welcher für die voreingestellten Parameter ein zu großes Hindernis darstellte. Mit freizügigeren Parametern, so die Erwartungen der Missionsverantwortlichen, bestehen gute Aussichten, dieses Hindernis zu überwinden. Alternativ steht noch eine Vorwärtsbewegung des Rovers zur Debatte. Bei dieser hat Spirit sich jedoch erst festgefahren. Dieses Manöver wäre also sehr wahrscheinlich nicht so erfolgversprechend.

Die zweite Möglichkeit ist eine Drehung der vier steuerbaren äußeren Räder um bis zu 60 Grad (für eine größere Drehung ist die Lenkung des Rovers nicht ausgelegt) und der anschließende Versuch, den Rover seitwärts den Abhang herunter zu steuern. Das ist allerdings sehr wahrscheinlich die kompliziertere Variante, da der Rover sich doch bereits sehr tief in den Sand eingegraben hat und dementsprechende Probleme haben dürfte, sich aus seiner selbst gegrabenen Fahrspur zu befreien. Außerdem würden die beiden nicht steuerbaren Mittelräder bei dieser Art von Fortbewegung nahezu „quer“ stehen und dementsprechend jeweils einen Sandhaufen vor sich auftürmen, welche einen zusätzlichen Wiederstand erzeugen würden.

NASA, JPL-Caltech
Die Testanlage. Hier wird aktuell die unmittelbare Umgebung von Spirit nachgebildet, bevor man einen baugleichen Testrover platziert und verschiedenen Befreiungsstrategien ausprobiert.
(Bild: NASA, JPL-Caltech)

Ein anderes Problem scheint sich dagegen relativiert zu haben. Der Stein unmittelbar unter dem Rover wird anscheinend nicht mehr als allzu große Bedrohung betrachtet. Die Gefahr ist, dass Spirit sich bei einer Fortsetzung der Fahrt noch weiter in den Boden eingräbt, so endgültig definitiven Kontakt zu diesen Stein herstellt und dadurch nicht mehr genügend Anpressdruck auf den Boden aufbringen kann, um sich aus der Sandfalle zu befreien. Die letzten Analysen haben jedoch die Möglichkeit aufgezeigt, dass dieser Stein, sollte es sich überhaupt um einen solchen handeln und nicht lediglich um eine zufällige Anhäufung losen Materials, wahrscheinlich durch das Gewicht Spirits, der Rover wiegt etwa 180 Kilogramm, in den lockeren Boden gedrückt werden würde und deshalb sehr wahrscheinlich keine direkte Bedrohung darstellt. Näheres werden die jetzt anstehenden Fahrtests zeigen.

Zusammengefasst sieht es für den Rover also „verhalten optimistisch“ aus. Die für die Mission Verantwortlichen haben Spirit keinesfalls aufgegeben. Trotzdem werden die jetzt anstehenden Fahrtests noch mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Sollten diese positiv verlaufen, so ist mit ersten ernsthaften Befreiungsversuchen auf dem Mars selbst im günstigsten Falle nicht vor Mitte Juli zu rechnen. Es ist aber auch gut möglich, dass ein noch längerer Zeitraum vergehen könnte. Alle an der Mission Beteiligten sind sich dessen bewusst, dass eine falsche oder übereilte Verfahrensweise zum endgültigen Festfahren des Rovers führen und so das Ende der Mission bedeuten könnte. Deshalb wird man auch weiterhin sehr behutsam und sorgfältig vorgehen, ohne sich unter Zeitdruck zu setzen.

NASA, JPL, Animation: Raumfahrer.net
Starke Winde und ein Staubteufel in der Nähe von Spirit am 13. Juni 2006
(Bild: NASA, JPL, Animation: Raumfahrer.net)

Unterstützung erhält man dabei vom Mars selbst. Noch Anfang des Jahres hat eine dichte Staubschicht die Solarflächen des ausschließlich mit Solarenergie betriebenen Rovers bedeckt. Die täglich generierte Energiemenge bewegte sich zeitweise nahe an der Grenze zur benötigten Mindestmenge. Im Laufe der letzten Wochen kam es allerdings zu mehreren sogenannten Cleaning-Events, bei denen starke Windstöße einen Großteil des die Solarpaneele bedeckenden Staubes wegbliesen. Am 24. Juni 2009, Sol 1.947 der Mission, stieg die generierte Energiemenge auf 945 Wattstunden/Tag (0,945 kWh) an. Vergleichbare Werte wurden bisher nur in der Anfangszeit der Spirit-Mission erreicht. John Callas, der Projektmanager: „Diese verbesserte Energiesituation gibt uns mehr Zeit. Diese Zeit werden wir nutzen, um die nächsten Schritte sehr sorgfältig zu planen.“

In der Zwischenzeit wird der Rover aber auch weiter seine sehr ausführlichen Bodenuntersuchungen fortsetzten. Ray Arvidson von der Washington University in St. Louis bezeichnet das Gebiet als eines der interessantesten, welches jemals von dem Rover untersucht werden konnte. „Wir sind hier in der Lage, jede einzelne Bodenschicht und jeden einzelnen Bestandteil dieser interessanten Bodenschichtungen, welche durch die Roverräder freigelegt wurden, zu studieren.“

Raumcon:

Internetseite des JPL:

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