Erste Ergebnisse vom Titan

Auf einer Pressekonferenz präsentierten die Experimentleiter der Huygens-Mission erste Ergebnisse und weitere Bilder. Auch zum Ausfall von Kanal A gab es neue Informationen.

Ein Beitrag von Axel Orth. Quelle: ESA.

Raumfahrer.net berichtete am Freitag live aus dem Kontrollzentrum der ESA von der Landung auf dem Titan und zeigte die ersten frei gegebenen Bilder von der Oberfläche des Saturnmondes. Die Daten sind mittlerweile vollständig bei der ESA angekommen, werden ausgewertet, und Samstag morgen wurden auf einer im ESA-TV und NASA-TV übertragenen Pressekonferenz erste wissenschaftliche Resultate vorgestellt.

David Southwood, wissenschaftlicher Direktor der ESA, sagte, dass ihn „umgehauen“ habe, was er am Freitag gesehen habe. Die Mission sei erfolgreich verlaufen und die Qualität der Daten sei besser als erwartet. Nach der Landung auf dem Titan hat Huygens noch etwa 90 Minuten lang gesendet, eine überraschend lange Zeit. Um seine Gefühle auszudrücken, rezitierte er ein Gedicht von Percy Shelley. Raumfahrer.net hatte einen nervösen David Southwood am Freitag interviewen können, noch vor Eintreffen der guten Nachrichten von Huygens. Dieses Interview wird auch bald im Rahmen unseres Service „InSound“ veröffentlicht.
Southwood ging auch auf den bedauerlichen Ausfall des Datenkanals A ein. Seiner Darstellung und der Darstellung in anderen Medien zu Folge handelte es sich dabei nicht um technisches Versagen, sondern um menschliches Versagen: Der entsprechende Empfänger innerhalb des Huygens-Relais-Pakets an Bord von Cassini hätte durch einen Softwarebefehl aktiviert werden müssen und genau das ist nicht geschehen. Southwood betonte, dass die Verantwortung für den Fehler nicht bei den anderen beiden beteiligten Weltraumbehörden NASA und ASI, sondern einzig und allein bei der ESA selbst liegt, und kündigte eine Untersuchung an.

Die Wissenschaftlerteams hatten beim Entwurf ihrer Instrumente die Wahl, ob sie ihre Daten über beide Kanäle übertragen lassen wollten oder einen Kanal nur zur Absicherung des anderen. Die meisten Teams scheinen sich für die sicherere Variante entschieden zu haben. Lediglich vom Experiment DISR (Bilder und Spektrometrie) mit seinem enormen Datenaufkommen wurde bekannt, dass über beide Kanäle zusammen 700 Bilder übertragen werden sollten, so nun aber „nur“ 350 Bilder auf der Erde angekommen sind. Martin Tomasko zeigte sich davon aber nicht sonderlich beeindruckt – man werde halt ein paar Lücken in den Bildern haben.

Von dem Fehler am stärksten betroffen war aber das Doppler-Windexperiment (DWE), mit dem nicht nur die Position von Huygens bis auf einen Kilometer genau berechnet werden sollte, sondern auch die Schwingungen der Sonde an ihrem Fallschirm und dergleichen weitere Details. Für dieses Experiment hätte der Kanal A funktionieren müssen, somit sind die Daten verloren gegangen. Leonid Gurvits, der Leiter des Teams, das 18 Radioteleskope auf der ganzen Welt koordinierte, die den Abstieg von Huygens mit verfolgten, kündigte allerdings an, dass man keine Mühen scheuen werde, die Daten aus dem auf der Erde aufgezeichneten Trägersignal von Huygens zu rekonstruieren. Gurvits war fest überzeugt, dass die Daten komplett wiederhergestellt werden können, auch wenn es schwierig werden würde und Zeit kosten werde. Es wurde nicht ganz klar, ob die Rekonstruktion anhand des bloßen Trägersignals geschehen soll oder ob tatsächlich die übertragenen Daten selbst rekonstruiert werden sollen. In jedem Fall eine unglaubliche Leistung, wenn man das schwache Signal des Huygens-Senders und die gewaltige Entfernung zum Saturn berücksichtigt.
Gurvits präsentierte auch ein Diagramm vom Green-Bank-Teleskop in den USA, das das erste Lebenszeichen von Huygens am Freitag zeigte. Das Trägersignal war nur wenige Minuten nach dem vorhergesagten Zeitpunkt entdeckt worden und dadurch war schon frühzeitig klar, dass zumindest der Abstieg an sich verlief wie geplant und die Sonde noch Daten sandte, als Cassini sich mit vollen Datenspeichern bereits planmäßig abgewandt hatte.

Überarbeitete und übernächtigte, aber glückliche Experimentleiter stellten die ersten Ergebnisse ihrer Instrumente an Bord der Sonde vor.

John C. Zarnecki (SSP – Oberflächenuntersuchung) freute sich über 3:37 Stunden voller brillanter Daten, die übertragen worden seien. Lediglich ein Sensor sei beim Aufsetzen auf der Oberfläche für ganze dreieinhalb Minuten ausgefallen. Die gesamte Arbeit, die man vorsorglich in Fehlerkorrektursoftware gesteckt habe, sei im Nachhinein verschwendet gewesen, lachte er. Daten von einem „Penetrometer“, einem Fühler unterhalb der Sonde hätten gezeigt, dass dieser beim Aufsetzen auf der Oberfläche einen Widerstand hatte überwinden müssen, bevor er in den relativ weichen Boden eingedrungen sei – also hätte er wahrscheinlich eine dünne Kruste durchstoßen. Die Aufsetzgeschwindigkeit sei mit 4,5 Meter pro Sekunde (ca. 16 km/h) niedriger gewesen als erwartet. Dies passt dazu, dass Huygens auch etwa eine Viertelstunde später als erwartet aufsetzte, also war der Abstieg durch die Atmosphäre offenbar langsamer und dauerte länger als voraus berechnet. Der Ruck beim Aufsetzen habe bei 15 g gelegen, offensichtlich weiter kein Problem.

Guy M. Israel (ACP – Atmosphärenanalyse) beschrieb sein Instrument, einen Aerosolkollektor in Form einer Pumpe, die beständig Aerosol aus die Titanatmosphäre durch einen Filter saugte und diesen Filter analysierte. Er sagte nicht viel zu den Ergebnissen der Analyse. „It was a good day“, sagte er, ebenfalls erfreut über den Ausgang der Mission.

Marcello Fulchignoni (HASI – Atmosphärenphysik) gab einige Ergebnisse der Messungen bekannt. Die niedrigste Temperatur während des Abstiegs habe 70,5 Kelvin (ca. -200 Grad Celsius) betragen, die Temperatur an der Oberfläche 90,3 Kelvin (ca. -182 Grad Celsius), was bemerkenswert gut mit den vorhergesagten Werten überein stimmt. Dann ließ er zwei Tondokumente abspielen. Das eine war die Aufnahme des Mikrophons während des Abstiegs: Ein überraschend gleichmäßiges Windgeräusch („…und das dann zwei Stunden lang…“) sowie ein dunkles, metallisches, leicht „spacig“ klingendes periodisches Geräusch. „Das war natürlich die Pumpe von Guy Israel!“ erklärte er unter dem Lachen des Publikums. Das zweite Dokument war eine Konvertierung der Messungen des Bodenradars auf den letzten 100 Metern in hörbare Töne, und die immer höher und schneller anschwellende Geräuschkakophonie kommentierte er humorvoll als „besten Techno auf dem Titan“.

Hasso B. Niemann (GCMS – Massenspektrometrie) erklärte, sein Experiment habe gut funktioniert, man habe sehr gute Daten erhalten. Während des Abstiegs habe man Methan in der Atmosphäre „uniform remixed“ festgestellt, also wohl sehr gleichmäßig. Nach etwa 90 Minuten des Abstiegs sei ein sprungartiger Anstieg des Methans zu verzeichnen gewesen, was er mit dem Durchfliegen einer Methanwolke oder von Methannebel in 18-20 Kilometer Höhe erklärte. Auch nach dem Aufsetzen auf der Oberfläche sei die Methankurve wieder sprunghaft angestiegen, woraus er vorläufig auf ein Methanreservoir auf der Oberfläche schloss. Auf eine Frage aus dem Publikum erklärte er, man habe außer Methan auch andere Hydrocarbonate festgestellt.

Martin G. Tomasko (DISR – Bilder und Spektrometrie) zeigte noch einmal die Bilder, die bereits am Freitag veröffentlicht worden waren, sowie vier neue Bilder. Anhand der Bilder aus acht Kilometer Höhe analysierte er die Flugbahn der Sonde und bestimmte die Windgeschwindigkeit zu sieben Meter pro Sekunde (25 km/h) – nicht gerade ein Sturm. Die weißen „Schlieren“ auf den Bildern identifizierte er als Bodennebel. Angesichts der „Kanäle“ und „Küstenlinien“, die uns von der Erde so seltsam vertraut wirken (viel vertrauter als die Kraterlandschaften anderer Himmelskörper), und der ausgedehnten, sehr flachen dunklen Bereiche sei es unwiderstehlich zu spekulieren, ob dies nicht einst tatsächlich Flüsse und ein Meer gewesen seien. Ob die Flüssigkeit nun in der Vergangenheit ausgetrocknet oder versickert sei, könne man nicht sagen. Jedenfalls sehe es gerade so aus, als ob es dort noch vor nicht allzu langer Zeit „nass“ gewesen sei. Ja, es sei noch gar nicht mal sicher, ob es stellenweise nicht immer noch nass sei. Die Lampe des Spektrometers sei planmäßig auf den letzten 100 Metern eingeschaltet worden. Aus der Analyse des reflektierten Lichts gehe hervor, dass es sich bei dem Eis am Boden mehr um Wassereis als Methaneis handele.

Im Nachfolgenden zeigen wir diese Bilder und zum Abschluss noch eine faszinierende Montage der Raumfahrt-Webseite Spaceflightnow.com, die alle diese Bilder in einen Zusammenhang bringt.

360-Grad-Panorama aus 8 Kilometer Höhe (zum Vergrößern anklicken). Die rechte Hälfte des Bildes zeigt das Gebiet, das Huygens beim weiteren Abstieg, mit dem Wind treibend, überflogen hat.

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Bild: ESA/NASA/University of Arizona

Weiteres Bild aus 8 Kilometer Höhe, zeigt eine Grenze zwischen hellem und dunklem Gebiet, mit kanalartigen Strukturen in dem hellen Gebiet – ehemals Flüsse und eine Küste?

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Bild: ESA/NASA/University of Arizona)

Bereits gestern veröffentlichtes Bild von der Titanoberfläche mit den eingezeichneten Größen verschiedener Eissteine ab einem halben Meter Abstand von der Kamera:

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Bild: ESA/NASA/University of Arizona

Farbversion des Bildes von der Oberfläche. Das Schwarzweißbild wurde entsprechend der Wellenlänge des reflektierten Lichts eingefärbt, die das Spektrometer gemessen hat:

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Bild: ESA/NASA/University of Arizona

Montage von Spaceflightnow.com, die alle Huygens-Bilder in einen Zusammenhang bringt:

Zum Vergrößern anklicken
Bild: ESA/NASA/UA/Spaceflight Now
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