Forscher*innen der Universität Wien erwarten Durchbruch in der Erforschung junger Sterne und Exoplaneten. Eine Pressemitteilung der Universität Wien.
Quelle: Universität Wien 12. Juli 2022.
12. Juli 2022 – Mit einem Spiegeldurchmesser von 6,5 Metern ist das James Webb Space Telescope (kurz Webb oder JWST) das mit Abstand größte Spiegelteleskop im Weltraum. Es ist am 25. Dezember 2021 als Nachfolger des Hubble-Teleskops in den Weltraum gestartet. Nach einem halben Jahr Inbetriebnahme und Kalibration der Instrumente wurden heute, Dienstag 12. Juli 2022, die ersten Bilder und andere Daten der Öffentlichkeit vorgestellt. Diese ersten Beobachtungen übertreffen die Erwartungen und lassen Durchbrüche in der Erforschung der Ursprünge des Universums und Planeten erahnen. Astrophysiker Manuel Güdel von der Universität Wien war an der Entwicklung des Teleskops beteiligt und bereitet sich auf die Interpretation dieser und noch bevorstehender Beobachtungen vor.
Nach dem Start vom Guiana Space Centre am 25. Dezember 2021 hat das James Webb Space Telescope nun eine Reise von 1,5 Millionen Kilometern hinter sich, eine Strecke etwa vier Mal so lang wie die Distanz Erde-Mond. Am Dienstag, 12. Juli 2022, haben die Weltraumagenturen NASA (National Aeronautics and Space Administration), ESA (European Space Agency) und die Canadian Space Agency (CSA) die ersten vom JWST aufgenommenen fünf Bilder und Spektren der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Bilder werden auf der Webseite der ESA und auf dem Twitter Kanal der ESA zur Verfügung gestellt.
Die Aufnahmen zeigen folgende Motive:
Carina-Nebel: Der Carina-Nebel ist einer der größten und hellsten Gasnebel am Himmel und befindet sich in einer Entfernung von etwa 7.600 Lichtjahren im südlichen Sternbild Carina. In ihm entstehen neue Sterne.
WASP-96 b (Spektrum): WASP-96 b ist ein Riesenplanet außerhalb unseres Sonnensystems, der hauptsächlich aus Gas besteht. Der Planet, der fast 1.150 Lichtjahre von der Erde entfernt ist, umkreist seinen Stern alle 3,4 Tage.
Südlicher Ringnebel: Der Südliche Ringnebel oder „Eight-Burst“-Nebel ist ein planetarischer Nebel – eine expandierende Gaswolke, die einen sterbenden Stern umgibt. Er hat einen Durchmesser von fast einem halben Lichtjahr und ist etwa 2.000 Lichtjahre von der Erde entfernt.
Stephans Quintett: Das etwa 290 Millionen Lichtjahre entfernte Stephansquintett befindet sich im Sternbild Pegasus. Es ist die erste kompakte Galaxiengruppe, die im Jahr 1877 entdeckt wurde.
SMACS 0723: Massive Galaxienhaufen im Vordergrund vergrößern und verzerren das Licht der dahinter liegenden Objekte und ermöglichen so einen tiefen Einblick in die extrem weit entfernten und sehr schwachen Galaxienpopulationen. „Das Bild ist bereits empfindlicher als das entsprechende, früher vom Hubble-Teleskop aufgenommene Bild und zeigt nach nur zwölfeinhalb Stunden Belichtung im weiten Hintergrund bereits Galaxien in einem Zustand nur 600 Millionen Jahre nach der Entstehung des Universums vor ca. 13,8 Milliarden Jahren. Das Bild gibt tiefe Einblicke in die Entstehung der ersten Sterne und Galaxien des Universums“, erklärt Manuel Güdel von der Universität Wien. „Da das JWST im Gegensatz zum Hubble-Teleskop tief im Infrarot-Bereich beobachtet, kann es weiter entfernte Galaxien sehen, die auch weiter zurück in der Zeit liegen. Das kommt daher, dass wegen der Expansion des Universums das Licht dieser Galaxien in den Infrarot-Bereich verschoben wird. Damit zeigen sich bereits die enormen Vorteile von JWST. Wir sind begeistert davon, damit auch einen neuen Wellenlängenbereich durch ein Großteleskop wie das JWST abdecken zu können.“
Beteiligung der Universität Wien
An Bord hat das Teleskop einige Instrumente wie Kameras und Spektrographen für Beobachtungen und Messungen. Bei der Entwicklung von MIRI (Mid Infrared Instrument), einer abbildenden Kamera und einem Spektrometer in einem, ist Manuel Güdel, Leiter des Instituts für Astrophysik an der Universität Wien, seit 2003 federführend beteiligt. Die Spektrographen von MIRI zielen zum Beispiel auch darauf ab, Spektren von Exoplanetenatmosphären aufzunehmen, die in bisher unerreichter Qualität Aufschluss über die Zusammensetzung der Atmosphären geben.
Suche nach erdähnlichen Atmosphären
„Die nun erste derartige Beobachtung des großen, Jupiter-ähnlichen Exoplaneten WASP-96 b während eines Durchgangs vor seinem Stern zeigt ein erstaunliches Spektrum, in dem klar die Anwesenheit von Wasserdampf ersichtlich ist. Noch sind die Daten nicht wissenschaftlich ausgewertet, aber ein Blick auf das Spektrum genügt, um erste Hinweise auf die Zusammensetzung der Atmosphäre zu gewinnen“, berichtet Güdel. Solche Beobachtungen sind der Schlüssel zum Verständnis der Umgebungsbedingungen auf einem Exoplaneten. Dazu gehört auch die Frage, ob bei erdähnlichen Planeten Atmosphären wie die der Erde oder alternative wie jene der Venus gefunden werden.
„Mit umfangreichen Modellrechnungen werden wir in den nächsten Monaten die Spektren weiter modellieren und so auch andere physikalische Größen der Atmosphären bestimmen. Wir werden damit systematisch untersuchen können, welche Ähnlichkeiten die Exoplaneten zu den wenigen Planeten unseres Sonnensystems aufweisen, oder ob sie vielmehr neue, uns bisher verborgene Eigenschaften haben“, erklärt Güdel: „Unser Ziel wird es sein, besser zu verstehen, wie es im Universum überhaupt zu lebensfreundlichen Planeten wie der Erde kommen kann.“
Untersuchung von Planetenentstehung
Ein weiterer Untersuchungspunkt sind sogenannte protoplanetare Scheiben, das sind riesige Gasscheiben von der Größe eines ganzen Sonnensystems, die sich während der Entstehung eines Sterns formen und um den Stern kreisen. In diesen Scheiben spielt sich der Aufbau von Molekülen ab, aber auch die gesamte Planetenentstehung vom Staub bis zum erdähnlichen oder jupiterähnlichen Planeten. Die Scheiben verschwinden nach einigen Millionen Jahren wieder und hinterlassen im Idealfall ein ganzes Planetensystem.
„MIRI ist besonders gut geeignet, um die Scheiben chemisch zu untersuchen, aber auch die festen Bestandteile wie mikroskopisch kleinen ‚Staub‘ zu erforschen. Mit entsprechenden Modellen kann man den Aufbau dieser Scheiben und dadurch ihre Rolle in der Planetenentstehung und damit von Planeten wie der Erde erforschen“, sagt der Astrophysiker Manuel Güdel.
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