Erfolgreiche Technologiedemonstration eines mobilen Kontrollsystems für Satelliten am DLR

Das Missionskontrollsystem V3C arbeitet autark, ist dezentral einsetzbar und erhöht die Sicherheit für den Satellitenbetrieb. Eine Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Quelle: DLR.

V3C-Technologiedemonstration im GSOC. (Bild: DLR)

2. Februar 2022 – Für einen Moment steht die Zeit für das Projektteam des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) gefühlt still. Eine Analyse der empfangenen Daten schafft die ersehnte Gewissheit: Zum ersten Mal gelingt die vollständige und fehlerfreie Kommandierung des Erdbeobachtungssatelliten BIROS durch ein neu entwickeltes mobiles Kontrollsystem V3C.

„Die erfolgreiche Technologiedemonstration bildet ein strategisches Element für den Forschungsbereich Responsive Space mit neuen Optionen für einen agilen und resilienten Satellitenbetrieb. Ich beglückwünsche das Projektteam zu diesem hervorragenden Erfolg und bedanke mich für die tolle Arbeit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler“, so Dr. Dirk Zimper, Programmkoordinator für Sicherheitsforschung.

V3C steht für „Verlegefähiges Compact Control Center“ und ist ein auf einem handelsüblichen Laptop integriertes Missionskontrollsystem. Das System arbeitet völlig autark und ist auf keine weitere Infrastruktur außer einer Antenne angewiesen. Es besteht aus mehreren Systemen für Missionsplanung, -monitoring und -kontrolle sowie Flugdynamik und einem Nutzlastdatenprozessor und deckt damit alle typischen Kontrollzentrumsaufgaben ab. Die Technologiebasis wurde in der DLR-Einrichtung für Raumflugbetrieb und Astronautentraining entwickelt. In enger Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum für Reaktionsschnelle Satellitenverbringung (RS) wurde die Technologie nun in eine Demonstration überführt und es sollen noch weitere folgen, um den Reifegrad des Systems zu steigern.

„Mit dem V3C kann eine erhöhte Sicherheit für den Satellitenbetrieb erreicht werden, da hier im Notfall ein dezentraler Betrieb möglich ist“, so Prof. Felix Huber, Direktor der Einrichtung Raumflugbetrieb und Astronautentraining.

Die Technologiedemonstration wurde durchgeführt im Kontrollraum des Deutschen Raumfahrtkontrollzentrums (GSOC), jedoch ohne Rückgriff auf die dort vorhandene Infrastruktur. Das auf diese Infrastruktur angewiesene BIROS-Missionskontrollsystem, mit dem der Satellit seit seinem Start betrieben wird, verblieb die ganze Demonstration über im Standby-Betrieb, um im Fehlerfall wieder schnell übernehmen zu können. Dieser Fall trat jedoch nicht ein.

Die Auswahl der Erdbeobachtungsmöglichkeit und der Uplink über eine Antenne in Weilheim zum Satelliten erfolgte am 14. Dezember. Aus mehreren Aufnahmemöglichkeiten wurde ein Ort in New Mexico, USA ausgewählt. Der Uplink der generierten Kommandolisten fand im ersten geplanten Kontakt über Weilheim um 08:07 Uhr (MEZ) statt. Die Aufnahmen wurden zeitgesteuert um 17:09 Uhr (MEZ) durch den Satelliten durchgeführt.

Mobiles Kontrollsystem V3C. (Bild: DLR)

Am folgenden Tag, dem 15. Dezember 2021, wurde im ersten Kontakt über Weilheim um 08:47 Uhr (MEZ) die erfolgreiche Durchführung der Aufnahmen bestätigt sowie erste Bilder auf den Laptop heruntergeladen, prozessiert und angezeigt. Bei allen Kontakten über Weilheim wurde der Zustand des Satelliten kontrolliert sowie die für die Bahnbestimmung nötige Telemetrie extrahiert. Das Ziel der Technologiedemonstration, den gesamten Prozess vom Aufnahmewunsch über die Satellitenkommandierung bis zur Wiedergabe eines Bildes auf dem Laptop durchzuführen, wurde somit uneingeschränkt erreicht.

Als nächste Schritte sind eine weitere Demonstration außerhalb des GSOC geplant, um die Autarkie und Mobilität des Systems nochmals unter Beweis zu stellen. Auch ein weiterer Ausbau der Automatisierungsfunktionen für einen vereinfachten Routinebetrieb durch einen Operator sowie eine mögliche Kooperation mit der MORABA (MObile RAketenBAsis) zur Integration einer mobilen Satelliten-Antenne sind geplant.

Konkrete Einsatzmöglichkeiten von V3C sind Szenarien, bei denen eine zentrale Planung nicht (mehr) möglich ist. Dazu zählen beispielsweise Einsätze bei der Katastrophenhilfe oder im Verteidigungsbereich, wo V3C wichtige Aufklärungsdaten direkt im Feld bereitstellen kann. In diesem Zusammenhang stellt V3C einen wichtigen Baustein im Bodensegments-Kontext von Responsive Space dar.

Das Projekt wurde finanziert durch Mittel der Einrichtung Raumflugbetrieb und Astronautentraining sowie durch das Kompetenzzentrum für Reaktionsschnelle Satellitenverbringung (RS) mit Mitteln des BMVg im Rahmen der Wehrtechnischen Forschungsaufgabe “Responsive Space”.

BIROS:
BIROS (Bispectral InfraRed Optical System) ist ein circa 140 Kilogramm schwerer Kleinsatellit des DLR, der im niedrigen polaren Erdorbit auf einer Höhe von ca. 510 Kilometern kreist. Zusammen mit dem Satelliten TET-1 war BIROS ein Teil der FireBird-Mission zur Waldbrandfrüherkennung und Feuerbeobachtung. Der Satellit ist am 22. Juni 2016 gestartet, sein offizielles Missionsende war am 31. Dezember 2020. Seitdem wird BIROS in Technologiedemonstrationsexperimenten verwendet.

Responsive Space:
Die Nutzung von Navigationssystemen beim Autofahren, sekundengenaue Kursbuchungen im Aktienhandel, das fast zentimetergenaue Lotsen riesiger Containerschiffe – all das wäre ohne weltraumgestützte Dienste undenkbar. Umso mehr trifft dies auf den militärischen Bereich zu: Die Einsatzfähigkeit von Streitkräften hängt unmittelbar von der Zuverlässigkeit weltraumgestützter Anwendungen ab. Der Weltraum ist zum Operationsraum geworden, und damit zu einer kritischen Infrastruktur. Um diese zu erhalten oder zu erweitern bedarf es der technischen Fähigkeit, innerhalb weniger Tage oder gar Stunden neue Satelliten in die Umlaufbahn zu verbringen. Im internationalen militärischen Kontext wird dies „Responsive Space Capability“ genannt.

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