„Erdbeobachtung light“ mit Proba V

In Kourou gehen die Vorbereitungen zum zweiten Vega-Start in die entscheidende Phase. Die Rakete ist kurz vor der Fertigstellung. Es fehlt noch die Nutzlast, die Satelliten Proba V, VNREDSat 1A und ESTCube 1.

Ein Beitrag von Roland Rischer. Quelle: ESA Bulletin 153, talkvietnam.

Der Start Vega VV02 ist bislang noch für April 2013 terminiert. Im Vorfeld hat Sean Blair von ESTEC, dem Forschungs- und Technologiezentrum der ESA in Noordwijk, Niederlande, nun Aufgaben und Instrumentarium von Proba V vorgestellt. Der Satellit ist Hauptnutzlast, daneben werden der vietnamesische VNREDSat 1A und der estnische Mini-Satellit ESTCube 1 mittransportiert. Das V in Proba steht für Vegetation. Vorrangige Aufgabe von Proba V wird die ständige Beobachtung der Pflanzenentwicklung auf der Erde sein. VNREDSat 1A dient ebenfalls der Erdbeobachtung. ESTCube 1 soll den experimentellen Nachweis der Funktionsfähigkeit eines auf elektrostatischen Kräften beruhenden Antriebseffektes im Weltraum liefern. Das wäre die Voraussetzung für eine Fortbewegung mit Hilfe sogenannter E-Sails.

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Proba V im Überflug – die drei schmalen Rechtecke oben sind Teil der Bilderfassung
(Bild: ESA)

Europas „kleine“ Weltraumrakete ist auf Gewichtseinsparung hin ausgelegt. Kohlefaser-Verbundwerkstoffe sollen Eigengewicht sparen und mehr Nutzlast zulassen. In der Theorie ist der Zusammenhang leicht einsichtig. In der Praxis geht es in der Nutzlastspitze der Vega dann aber doch so eng zu, dass auch hier wieder Innovationsgeist zwecks Miniaturisierung gefragt ist. Dazu sind die explizit als Technologieerprobungsplattform dienenden Proba-Satelliten geeignet. Mit dem Erdbeobachtungsinstrumentarium in Proba V ist das Kunststück gelungen. Der Satellit wird von der belgischen QinetiQ Space gebaut.

Das Erdbeobachtungsinstrument „Vegetation“ an Bord von Proba V soll aus Gründen der Datenkontinuität ähnliches Leisten wie das namensgleiche Instrument der französischen Spot-Satelliten. Jedoch ist „Vegetation“ an Bord von Spot 5 größer und schwerer als der Proba-V-Satellit selbst. Das komplette Redesign des Instruments war die größte Herausforderung in der dreijährigen Projektlaufzeit. Die schwere Optik der Spot-Konstruktion wurde durch ein Aluminium-Spiegelsystem ersetzt. Um Volumen zu sparen, wurden drei kleine Teilteleskope mit überlappendem Sichtfeld konstruiert. Die eingesetzten Indium-Galliumarsenid-Detektoren sind nicht nur leistungsfähiger, sondern auch temperaturresistenter. Unter anderem deswegen konnte man auf eine Platz und Gewicht beanspruchende Temperaturregulierung verzichten, musste aber die aus Temperaturschwankungen resultierenden Dehnungseffekte in der Kalibrierung der Gesamtkonstruktion berücksichtigen.

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Dimensioniert wie Proba V selbst – der Vegetationssensor vor Einbau in Spot-5
(Bild: ESA)

Proba-V deckt bei einem Überflug einen Streifen von 2.250 km Breite ab und liefert Bilder mit einer Auflösung von 1.000 und 300 Metern. Die Daten können ergänzt werden durch eine 100-m-Auflösung im sichtbaren bis nah-infraroten Wellenlängenbereich und eine 200-m-Auflösung im kurzwelligen Infrarotbereich. Das ist relativ grob, wie man beim Flämischen Umweltforschungszentrum zugibt. Es ist für die Verarbeitung der „Vegetation“-Daten zuständig. Dafür bekommt man fast täglich ein Bild von jeder interessierenden Region.

Jeder Punkt auf der Erde wird mindestens im Zweitagesrhythmus optisch erfasst. Dazu wird der Satellit in einen sonnensynchronen Polarorbit in 820 km Höhe gebracht. Das Sichtfeld der Optik erlaubt die tägliche Abdeckung aller Regionen in den höheren Breitengraden. In Richtung Äquator bedarf es dafür zwei Tage, was aber für Forschungszwecke ausreichend ist. Zur Vergleichbarkeit der Aufnahmen im Zeitablauf ist es notwendig, dass jede Region zum gleichen Zeitpunkt überflogen wird. Proba V wird jeweils morgens um ca. 10.30 Uhr lokaler Zeit seine Aufnahmen machen.

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Zum Größenvergleich mit dem Spot-Vegetationssensor – Proba V bei den abschließenden Tests
(Bild: ESA)

Bei der Positionierung des Satelliten hat man sich an den Spot-Satelliten orientiert. Das hat einen einfachen Grund. Spot 5 wird voraussichtlich Mitte 2014 stillgelegt. Beim Nachfolger Spot 6, der im September 2012 gestartet wurde, verzichtete man aus Platzgründen auf „Vegetation“. Damit besteht die Gefahr, dass eine rund 15-jährige Datenreihe endet oder unterbrochen wird. Aus wissenschaftlicher Sicht wäre das bedauerlich, denn erst ab einem dreißigjährigen Beobachtungszeitraum sind in der Klima- und Vegetationsforschung Trendentwicklungen statistisch signifikant.

In Belgien erkannte man die Chance, mit Proba V eine Fortschreibung der Daten sicherzustellen, mindestens für zweieinhalb Jahre, eventuell bis zu fünf Jahre. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die ESA-Sentinel-3-Mission im April 2014 auch „Vegetation“-kompatible Daten liefern soll.

Daneben ist in Proba V noch Platz für andere innovative Anwendungen und Experimente. Erstmals im All wird für die X-Band-Kommunikation mit dem Boden ein Verstärker deutscher Provenienz mit Halbleitern auf Galliumnitrid-Basis eingesetzt. Derartige Halbleiter arbeiten selbst bei erheblich höheren Spannungen und Temperaturen zuverlässig, ganz im Gegensatz zu Silizium- oder Galliumarsenid-basierten Halbleitern. Ergebnis ist ein fünf- bis zehnmal stärkeres Sendesignal ohne die Notwendigkeit einer aktiven Kühlung. Zudem sind Galliumnitrid-Halbleiter strahlungsresistent.

Seitens des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) wird ein Instrument zur Erfassung von Flugzeugdaten beigesteuert. Mit dem Automatic Dependent Surveillance – Broadcast-System (ADS-B) können die Flugdaten entsprechend ausgerüsteter Flugzeuge von der Flugüberwachung, anderen Flugzeugen und sonstigen Dritten ständig erfasst werden. Ein Satellitenempfang der Daten ist vor allem in infrastrukturarmen Regionen der Kontinente und über den Ozeanen interessant. Mit dem ADS-B-Empfänger an Bord von Proba V wird erstmals getestet, ob der Datenempfang auch in 820 km Höhe in der nötigen Qualität möglich ist.

Pünktlich zur maximalen Sonnenaktivität Mitte 2013 wird an Bord von Proba V die Strahlung im erdnahen Orbit hinsichtlich Ladung, Energie und Eintrittswinkel mit Hilfe eines Energetic Particle Telescope (EPT) aus Belgien und dem Space Application of Timepix-based Radiation Monitor (SATRAM) aus der Tschechischen Republik mit neuer Genauigkeit analysiert.

Aus Norwegen und Spanien kommt ein High Density Space Form Connector Demonstrator. Neuartige Glasfaserkabel und dazugehörige Anschlüsse werden erstmals unter Weltraumbedingungen getestet.

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