Einem europäischen Astronomenteam ist die Entdeckung des bisher am weitesten von der Erde entfernten Quasars gelungen. Der Quasar wird von einem schwarzen Loch mit zwei Milliarden Sonnenmassen angetrieben und ist das leuchtkräftigste Objekt, das bislang im frühen Universum beobachtet und untersucht werden konnte.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO, Wikipedia. Vertont von Peter Rittinger.
Bei einem Quasar handelt es sich um den extrem hellen Kernbereich einer Galaxie, welche sich normalerweise in einer sehr großen Entfernung zu unserer Heimatgalaxie befindet und gewaltige Energiemengen abstrahlt. Im sichtbaren Licht erscheinen diese Objekte dabei nahezu punktförmig. Ihre Leuchtkraft, so die gängige Theorie, wird durch die Aktivität von einem schwarzen Loch erzeugt, welches sich im Zentrum dieser Galaxie befindet. Die von ihnen erzeugte große Helligkeit macht Quasare quasi zu „kosmischen Leuchtfeuern“, deren nähere Untersuchung es den Astronomen und Astrophysikern ermöglicht, die Anfänge der Entstehungsgeschichte unseres Universums und die Entstehung der ersten Sterne und Galaxien näher zu analysieren und zu interpretieren.
Der jetzt entdeckte Quasar ist so weit von der Erde entfernt, dass das von ihm ausgehende Licht den Astronomen Einblicke in den letzten Abschnitt des sogenannten Zeitalters der „Reionisation“ ermöglicht. Etwa 400.000 Jahre nach dem Urknall, welcher sich nach der heute allgemein akzeptierten Theorie vor rund 13,7 Milliarden Jahren ereignet hat, war das Universum so weit abgekühlt, dass eine Wechselwirkung von Elektronen und Protonen ermöglicht wurde. Diese Wechselwirkung führte zur Bildung von stabilem, neutralem Wasserstoff.
Durch gravitative Einflüsse konzentrierte sich ein Teil des Wasserstoffs in der Folgezeit in Gaswolken, aus denen sich schließlich 100 bis 150 Millionen Jahre später die ersten Sterne in unserem Universum bilden konnten. Die von diesen Sternen ausgehende intensive Ultraviolettstrahlung spaltete die im freien Raum verbliebenen Wasserstoffatome wieder in Elektronen und Protonen auf. Dieser Prozess, welcher das Universum für die Ultraviolettstrahlung wieder durchsichtiger machte, wird als Reionisation bezeichnet. Nach der gängigen Theorie fand das Zeitalter der Reionisation vermutlich in einem Zeitraum zwischen 150 Millionen und 800 Millionen Jahren nach dem Urknall statt.
Der jetzt neu entdeckte Quasar trägt die Bezeichnung ULAS J1120+0641. Das von ihm ausgehende Licht benötigte 12,9 Milliarden Jahre, um die Erde zu erreichen. Wir sehen ihn heute somit in dem Zustand, in welchem er sich befand, als das Universum lediglich 770 Millionen Jahre alt war. Dabei muss aber auch die sogenannte kosmologische Rotverschiebung berücksichtigt werden.
Da sich das Licht nur mit einer endlichen Geschwindigkeit ausbreitet, blicken die Astronomen bei den Untersuchungen von weit entfernten Objekten zugleich auch immer in die Vergangenheit. Während der 12,9 Milliarden Jahre, die das Licht von ULAS J1120+0641 benötigte, um die irdischen Teleskope zu erreichen, hat sich das Universum weiter ausgedehnt. In diesem Zeitraum wurde auch das von dem Quasar ausgehende Licht „gedehnt“. Die Expansion des Universums darf nämlich nicht so verstanden werden, dass sich Galaxien in der Raumzeit im Rahmen einer Relativbewegung voneinander entfernen. Vielmehr ist es die Raumzeit selbst, die sich ausdehnt. Die Galaxien werden dabei lediglich „mitbewegt“. Die kosmologische Rotverschiebung, oftmals auch nur als Rotverschiebung bezeichnet und mit dem Buchstaben „z“ abgekürzt, ist ein Maß dafür, wie stark sich das Universum zwischen dem Zeitpunkt, an dem das Licht ausgesandt wurde, und dem Zeitpunkt seiner Detektion auf der Erde ausgedehnt hat. Für ULAS J1120+0641 berechneten die Astronomen einen Wert von z=7,085.
„Dieser Quasar liefert uns wertvolle Einblicke in das frühe Universum. Es handelt sich um ein sehr seltenes Objekt, das uns helfen wird, zu verstehen, wie solche supermassereichen schwarzen Löcher einige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall an Masse zugenommen haben“, so Stephen J. Warren vom Imperial College in London, einer der Mitarbeiter des Astronomen-Teams, welches das neu entdeckte Objekt untersucht hat.
Im Rahmen früherer Beobachtungen konnten Astronomen zwar noch weiter entfernte Ereignisse und Objekte ermitteln – zum Beispiel einen Gammastrahlen-Ausbruch mit einer Rotverschiebung von z=8,2 oder eine Galaxie mit einer Rotverschiebung von z=8,6. Aber der jetzt entdeckte Quasar strahlt mehrere hundert Mal heller als die zuvor beobachteten Objekte und stellt damit das mit Abstand am weitesten von der Erde entfernte Objekt dar, welches hell genug ist, um eine detaillierte Untersuchung zu ermöglichen. Eine erste Studie wurde von den beteiligten Astronomen am heutigen Tag in der Fachzeitschrift Nature publiziert.
„Wir benötigten fünf Jahre, um ULAS J1120+0641 zu entdecken“, erläutert Bram Venemans von der europäischen Südsternwarte (ESO), einer der Autoren dieser Studie. „Eigentlich waren wir auf der Suche nach einem Quasar mit einer Rotverschiebung von mehr als 6,5. Dass wir ein noch so viel weiter entferntes Exemplar entdeckt haben, welches eine Rotverschiebung von mehr als 7 aufweist, war für uns eine positive Überraschung. Dieser Quasar ermöglicht uns einen tiefen Einblick in das Zeitalter der Reionisation und eröffnet uns dabei die einzigartige Gelegenheit, eine 100 Millionen Jahre umfassende Zeitspanne in der Anfangsgeschichte des Kosmos zu erforschen, welche für uns bisher nicht erreichbar war.“
Die vorherige Nummer Eins auf der Liste der bisher bekannten entferntesten Quasare präsentiert sich den Astronomen in einem Zustand, welches dieses Objekt etwa 870 Millionen Jahre nach dem Urknall hatte – dies entspricht einer Rotverschiebung von z=6,4. Bei einer noch größeren Rotverschiebung können derartige Objekte nicht im Rahmen einer normalen Himmelsdurchmusterung im Bereich des sichtbaren Lichts aufgefunden werden. Die Wellenlänge des von ihnen ausgesandten Lichts wird durch die Expansion des Universums gedehnt und erreicht die Erde daher in Form einer langwelligen Infrarotstrahlung.
Die Suche nach derart entfernt befindlichen Objekten ist einer der Gründe für die Himmelsdurchmusterung „European UKIRT Deep Sky Survey“ (UKIDSS), welche gegenwärtig mit dem britischen Infrarotteleskop UKIRT auf Hawaii im infraroten Spektralbereich durchgeführt wird und einen besonders tiefen Blick in die unendlichen Weiten des Weltalls liefern soll. Das Astronomenteam, welches den Quasar ULAS J1120+0641 entdeckte, analysierte auf der Suche nach weit von unserer Heimatgalaxie entfernten Quasaren die Millionen von Einträgen in der UKIDSS-Datenbank.
Der Wert für die kosmologische Rotverschiebung und damit auch für die Entfernung von ULAS J1120+0641 wurde anschließend durch weiterführende Beobachtungen mit dem FORS-Instrument am Very Large Telescope (VLT) der ESO in Chile und mit Instrumenten am Gemini-Nord-Teleskop auf Hawaii ermittelt. Der „FOcal Reducer and low dispersion Spectrograph“ (wörtlich übersetzt „Brennweitenreduzierer und niedrigauflösender Spektrograf“) ist das vielseitigste Instrument des VLT und stellt eine Kombination aus einer astronomischen Kamera und einem Spektrografen dar. FORS wurde als ein Gemeinschaftsprojekt von den Universitätssternwarten in Heidelberg, Göttingen und München und der ESO entwickelt und gebaut.
Für die spektroskopischen Untersuchungen von ULAS J1120+0641 wurden zusätzlich der Gemini Multi-Object Spectrograph GMOS („Gemini Multiobjekt-Spektrograf“) und der Gemini Near-Infrared Spectrograph GNIRS („Gemini-Spektrograf für das nahe Infrarot“) eingesetzt. Des Weiteren kamen das Liverpool-Teleskop, das Isaac-Newton-Teleskop und das UK Infrared Telescope (UKIRT) zum Einsatz, um die zuvor gewonnenen Daten aus der Himmelsdurchmusterung zu bestätigen.
Da das Objekt ULAS J1120+0641 relativ viel Licht ausstrahlt, ist es den Astronomen möglich, das von dem Quasar ausgehende Licht in seine einzelnen Farben aufzuspalten. Aus diesen Lichtspektren lassen sich neben der Rotverschiebung noch weitere umfangreiche Erkenntnisse über den Quasar ableiten. Die Analysen haben so zum Beispiel gezeigt, dass das schwarze Loch im Zentrum von ULAS J1120+0641 über eine Masse von rund zwei Milliarden Sonnenmassen verfügt.
Dieses Ergebnis stellte für die beteiligten Wissenschaftler eine Überraschung dar. Die gegenwärtigen Theorien über den Wachstumsprozess von supermassiven schwarzen Löchern gehen von einem relativ langsam erfolgenden Massezuwachs aus, wobei das kompakte Objekt Materie aus seiner näheren Umgebung einfängt. Im Rahmen dieser Theorien ist es gegenwärtig nur sehr schwer zu erklären, wie ein Objekt bereits so kurz nach dem Urknall über eine derart große Masse verfügen konnte.
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Fachartikel:
- Nature (engl.)