Im Verlaufe der letzten Monate kam es mehrfach zu Kontakten zwischen Vertretern der NASA und chinesischen Raumfahrtverantwortlichen. Ebenso lassen verschiedentlich getroffene Aussagen von US-Verantwortlichen den Schluss zu, dass China in Zukunft auch für die USA ein Partner in der Raumfahrt werden könnte.
Ein Beitrag von Günther Glatzel. Quelle: Aviation Week & Space Technology.
So besuchten die NASA-Astronauten Frederick Gregory und Tom Henricks chinesische Raumfahrtzentren, äußerte sich John Holden, Präsidentenberater in Wissenschaftsfragen im April dahingehend, dass US-Astronauten auch mit chinesischen Raumschiffen ins All gelangen könnten und befinden sich Gerüchte im Umlauf, der NASA-Administrator Charles Bolden könnte im nächsten Jahr offiziell nach China reisen.
Aviation Week and Space Technology hat ebenfalls dieses Thema aufgegriffen und einen kleinen Überblick über das Drumherum veröffentlicht. Anlass war die Bekanntgabe von sieben neuen chinesischen Raumfahrtanwärtern, die in diesen Tagen mit ihrer Ausbildung beginnen. Darunter befinden sich erstmals auch zwei Frauen. Damit erhöht sich die Anzahl der Taikonauten auf 21. Sechs von ihnen waren bei drei bemannten Raumflügen dabei.
Die Starts bemannter Raumschiffe finden vom in der Wüste gelegenen Raumfahrtzentrum Jiuquan in Chinas Norden aus statt. Raketenteile, Nutzlasten und sonstiges Zubehör wird per Bahn angeliefert. Die Raketen werden danach vormontiert und in eine 93,50 m hohe Montagehalle gefahren. Hier werden sie aufgerichtet und mit ihrer Nutzlast versehen. Zwei Starts können parallel vorbereitet werden. Die fertige Rakete wird auf einer von zwei 750 Tonnen schweren mobilen Startplattformen von acht Motoren getrieben auf einem breiten Schienenstrang 1,5 km zum eigentlichen Startplatz gefahren. Hier wird sie von einem 105 Meter hohen Zugangs- und Serviceturm mit Blitzschutz überragt. An dessen Struktur befindet sich auch eine Metallröhre, die im Notfall als Rutsche für die Taikonauten dient, um sich – gehüllt in einen feuerhemmenden Schutz – in einen explosionssicheren Bunker zu retten.
Die Nutzlast wird durch eine Schleuse, in der per Hochdruckluftdusche der Wüstenstaub vom Transportcontainer geblasen wird, in einen Reinraum gefahren. Hier existieren mehrere bis zu 12 Meter hohe Gerüste, in denen unterschiedliche Nutzlasten auf ihren Einsatz vorbereitet werden. Danach nehmen auch die den Weg in die große Montagehalle, wo sie auf die Rakete aufgesetzt werden. Die Halle findet man bei 40° 58′ 03“ nördlicher Breite und 100° 10′ 44“ östlicher Länge. Der Startplatz befindet sich etwa 1.500 Meter südöstlich davon. „Aus der Luft“ sind deutlich die beiden aus verstärktem Beton gefertigten Abgasablenkschächte zu sehen.
Der gesamte Komplex wurde seit etwa 1992 errichtet. Das Kontrollzentrum befindet sich 7 Kilometer vom Startplatz entfernt und umfasst auch einen 400 Quadratmeter großen Raum mit vier Arbeitsreihen mit modernen Computern und Kontrollgeräten, die mittels Glasfaser mit Einrichtungen auf dem Startplatz vernetzt sind. Über vier große Bildschirme hat man das komplette Geschehen ebenfalls im Blick. Bei einem Shenzhou-Start werden sowohl die Haupttriebwerke der ersten Stufe als auch seitlich angebrachte Booster gezündet. Nach 120 Sekunden wird das an der Spitze montierte Rettungssystem abgeworfen, 20 Sekunden später die Booster. Nach 200 Sekunden gibt die Nutzlastverkleidung das Raumschiff frei. Dieses ist nach Brennschluss der Oberstufe in einem 200 x 350-Kilometer-Orbit und wird nach 580 Sekunden Flugzeit von dieser abgetrennt. Kurz darauf übernimmt das Kontrollzentrum in Peking.
Bei den als privat deklarierten Besuchen von NASA-Vertretern wurde auch über die chinesischen Pläne gesprochen, bis 2020 eine eigene Raumstation zu errichten. Im nächsten Jahr wird zunächst Tiangong 1 gestartet, ein 8,5 Tonnen schweres Raumschiff, an welches das unbemannte Shenzhou 8 ankoppeln soll. Später sollen die Ministation und mögliche Nachfolger als Kopplungsziele für bemannte Flüge dienen. Nachdem etwa 2020 eine eigene Raumstation der Chinesen in Betrieb geht, sollen Schiffe der Tiangong-Klasse als unbemannte Frachter weiter Verwendung finden.
Allerdings könnten die Pläne auch an eine veränderte Situation angepasst werden. Wang Wenbao, Generaldirektor des chinesischen Büros für bemannte Raumfahrtentwicklung, schloss beim Treffen mit Frederick Gregory am 22. September jedenfalls ausdrücklich eine Beteiligung an der Internationalen Raumstation nicht aus.
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