Der Mond Enceladus gehört weiter zu den spannendsten Untersuchungsobjekten für die Saturnsonde Cassini. Ein Wissenschaftlerteam von den Universitäten in Santa Cruz, Kalifornien und Colorado berichtete kürzlich im Wissenschaftsmagazin Nature über ein roll over des Trabanten.
Ein Beitrag von Karl Urban
Bereits seit den ersten Beobachtungen von Cassini spekulierten Forscher über die Ursache der geologischen Aktivität auf Enceladus. Der Mond besitzt etliche Geysire, die Material aus dem Innern in die Höhe schießen und die in der Südpolregion konzentriert liegen. Sie sind vermutlich das Resultat eines Hot Spots, also einer Region im Innern des Mondes, in der heißes Material an die Oberfläche transportiert wird. Warum der Hot Spot gerade am Südpol auftritt, war zunächst ein Rätsel. Das amerikanische Wissenschaftlerteam schlägt die Vermutung vor, dass Enceladus einen roll over hinter sich hat, der Mond also eine extreme Veränderung seiner Rotationsachse durchgemacht hat.
Alle sich drehenden astronomischen Körper, wie Planeten und Monde, versuchen sich so zu orientieren, dass sich die massereichsten Regionen möglichst nah am Äquator befinden, da in diesem Zustand ihre Eigenrotation am stabilsten ist. Auch eine geworfene Bowling-Kugel wird die Eigenrotation im Flug so verändern, dass sich die Löcher (d.h. der Bereich mit der geringsten Dichte der Kugel) an der Rotationsachse, also den „Polen“ der Bowlingkugel, befinden.
Etwas Ähnliches passierte auf Enceladus: Es kam zu einer Erwärmung im Mondinnern, was die Dichte der erhitzten Region verringerte und so zum Aufstieg des Materials führte. Dadurch geriet die Rotation des Trabanten ins Ungleichgewicht, was er dadurch ausglich, dass er seine Rotationsachse kurzerhand in die Region mit der geringeren Dichte verlegte. Das Forscherteam berechnete, dass ein solches Ereignis die Rotationsachse von Enceladus um bis zu 30 Grad verschoben haben könnte.
Damit ist jedoch leider noch nicht geklärt, wie es zu einer einseitigen inneren Erwärmung des Mondes kommen konnte. Eine mögliche Erklärung könnte die sehr exzentrische Umlaufbahn um den massereichen Gasriesen Saturn sein, die zu sehr starken und ständig wechselnden Gezeitenkräften auf Enceladus führt und dabei auch geologische Prozesse in Gang setzt. Damit ließen sich auch andere auffällige Oberflächenmerkmale auf dem Mond erklären, neben den Geysiren z.B. die sogenannten tiger stripes, langgezogene Verwerfungslinien, die auf tektonische Belastungen hindeuten.
Aktuelle Bilder
Eine neue Aufnahme von Cassini zeigt passend zu den jüngsten Ergebnissen erneut die Fontänen, welche die Südpolgeysire von Enceladus in die Höhe schleudern. Hier ist der im Durchmesser 505 Kilometer große Mond vor der Nachtseite des Saturn zu sehen. Um die Fontänen sichtbar zu machen wurde außerdem eine lange Belichtungszeit gewählt, so dass die Nachtseite des Saturns im Hintergrund dennoch hell erscheint. Die Aufnahme wurde am 4. Mai 2006 in einem Abstand von 1,3 Millionen Kilometern von Enceladus und 2,3 Millionen Kilometern vom Saturn gemacht.
Eine auf den ersten Blick unscheinbare Aufnahme zeigt die Wolkendecke des Gasriesen. Trotz des geringen Kontrasts erkennbar ist jedoch eine Wirbelstruktur auf der rechten Seite – ein aufziehendes Sturmsystem. Das Bild wurde mit einem Spektralfilter aufgenommen, der auf Infrarotstrahlung um 938 Nanometer reagiert und damit Wolkenstrukturen sichtbar macht. Die Aufnahme vom 8. Mai 2006 wurde aus einer Entfernung von 2,8 Millionen Kilometern vom Saturn gemacht und hat eine Auflösung von 17 Kilometern pro Pixel.