Astronomen ist es kürzlich gelungen, einen Braunen Zwerg zu untersuchen und dabei erstmals eine Wetterkarte von einem solchen Objekt anzufertigen. Im Rahmen der Arbeiten zeigte sich, dass sich in unterschiedlichen Atmosphärenschichten unter verschiedenen Temperaturbedingungen Wolken bilden. Vergleichbare Studien werden auch zukünftige Analysen der Atmosphären von Exoplaneten ermöglichen.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: Max-Planck-Institut für Astronomie, ESO.
Bei den „Braunen Zwergen“ handelt es sich um kosmische Objekte, welche eine Lücke zwischen den großen Gasplaneten wie zum Beispiel Jupiter und Saturn und lichtschwachen und zugleich relativ kühlen Sternen, den sogenannten „Roten Zwergen“, ausfüllen. Als Braune Zwerge werden alle Objekte eingestuft, deren Masse zwischen dem 13fachen und dem 75fachen der Masse des Planeten Jupiters liegt. Erst ab dieser Mindestmasse finden sich im Inneren eines kosmischen Objektes Druck- und Temperaturbedingungen, welche das Einsetzen einer Wasserstofffusion und somit die Entstehung eines Sterns ermöglichen.
Braune Zwerge verfügen somit nicht über genügend Masse, um in ihrem Zentralbereich die Kernfusion zu zünden und leuchten nur schwach im Infrarotbereich des elektromagnetischen Spektrums. Der erste Braune Zwerg, dessen Fund zweifelsfrei bestätigt werden konnte, wurde erst vor zwanzig Jahren entdeckt. Bislang sind den Astronomen lediglich einige Hundert dieser schwer fassbaren und entsprechend wenig untersuchten Objekte bekannt.
Die beiden Braunen Zwerge, welche unserem Sonnensystem am nächsten liegen, bilden ein Paar namens Luhman 16AB, das lediglich knapp 6,5 Lichtjahre von der Erde entfernt im Sternbild Vela (zu deutsch „Segel“) zu finden ist. Dieses Paar ist nach dem Mehrfachsternsystem Alpha Centauri und „Barnards Pfeilstern“ das drittnächste „Stern“-System zur Erde, wurde aber trotzdem erst Anfang des Jahres 2013 entdeckt (Raumfahrer.net berichtete).
Entdeckt wurden die beiden Objekte von dem US-amerikanischen Astronomen Kevin Luhman auf Aufnahmen des Infrarot-Weltraumteleskops WISE, was auch den offiziellen Namen „WISE J104915.57-531906.1“ erklärt. Zur Vereinfachung wird mittlerweile jedoch ein eingängigerer Name verwendet. Da Kevin Luhman zuvor bereits 15 andere Doppelsternsysteme entdeckt hatte, einigten sich die Astronomen auf den Namen „Luhman 16“. Den Konventionen zur Benennung von Doppelsternsystemen folgend wird der hellere Braune Zwerg dieses Doppelsystems Luhman 16A und der lichtschwächere Luhman 16B genannt. In seiner Gesamtheit wird das Paar als „Luhman 16AB“ bezeichnet.
Untersuchungen mit dem Very Large Telescope der ESO
Es war bereits bekannt, dass der lichtschwächere dieser beiden Braunen Zwerge während seiner Rotation alle paar Stunden seine Helligkeit verändert. Dies wurde als ein Hinweis darauf interpretiert, dass Luhman 16B eventuell deutliche Oberflächenstrukturen aufweist. Jetzt hat ein internationales Astronomenteam das in den chilenischen Anden befindliche Very Large Telescope (kurz „VLT“) der Europäischen Südsternwarte (ESO) für weiterführende Studien genutzt. Dabei konnten sie nicht nur den Braunen Zwerg abbilden, sondern zudem auch die verschiedenen hellen und dunklen Bereiche genau kartieren.
Durch die Kombination dieser Daten konnten die Astronomen erstmals eine Oberflächenkarte eines Braunen Zwergs erstellen und Messungen durchführen, welche die Atmosphäreneigenschaften in unterschiedlichen Höhenlagen erfassen. Die Ergebnisse, so die beteiligten Wissenschaftler, läuten eine neue Ära in der Erforschung der Braunen Zwerge ein, in der Astronomen ihre theoretischen Modelle für die Wolkenbildung auf diesen Gebilden – und später auch auf extrasolaren Gasplaneten – anhand von direkten Beobachtungen überprüfen können. Die Ergebnisse der Untersuchungen wurden kürzlich in zwei Artikeln in den Fachzeitschriften „Nature“ und „Astrophysical Journal Letters“ publiziert.
Die erste der beiden Studien, welche unter der Leitung von Ian Crossfield vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) durchgeführt wurde, präsentiert eine Oberflächenkarte von Luhman 16B. Hierfür nutzten die Astronomen im Mai 2013 das Instrument CRIRES (kurz für „Cryogenic high-resolution InfraRed Echelle Spectrograph“) – einem Spektrografen zur Aufnahme von hochaufgelösten Spektren im Wellenlängenbereich von einem bis fünf Mikrometern. Anhand der so gewonnenen Daten konnten die Wissenschaftler nicht nur die Helligkeitsänderungen während der Rotation von Luhman 16B erkennen, sondern auch die Bewegungsrichtung der hellen und dunklen Strukturen – zu dem Instrument hin oder von diesem weg – bestimmen.
Mit der gegenwärtig zur Verfügung stehenden Technik ist es unmöglich, Oberflächenkarten dieses Braunen Zwergs in der gleichen Weise zu erstellen, wie Astronomen zum Beispiel die Wolkenbänder des Jupiter kartieren würden – also mithilfe räumlich aufgelöster Bilder, auf denen sich die Details der Oberfläche unterscheiden lassen. Stattdessen kam eine indirekte Methode zum Einsatz. Das verwendete Verfahren wird – dem englischen Sprachgebrauch folgend – als „Doppler Imaging“ bezeichnet. Die Methode nutzt aus, dass die Frequenzen des Lichts eines Sterns in ganz bestimmter Weise verschoben werden, während dieser rotiert. Aus diesen systematischen Verschiebungen lässt sich eine ungefähre Karte der Sternoberfläche rekonstruieren.
Um ein ungefähres Verständnis dafür zu bekommen, wie dieses Verfahren funktioniert, stellen Sie sich bitte vor, dass Sie sich hoch über dem Äquator der Erde befinden und beobachten, wie die Erdoberfläche langsam unter Ihnen hinweg rotiert. Sobald eine spezielle Struktur, welche sich über dem Äquator befindet, gerade in Sicht kommt – also gerade erst über dem Horizont auftaucht – bewegt diese sich zunächst relativ schnell auf Sie zu. Sobald die Formation direkt unter Ihnen vorbeiläuft, ändert sich deren Abstand zu Ihnen zunächst nur noch unwesentlich. Rotiert das Objekt jedoch über den gegenüberliegenden Horizont wieder außer Sicht, dann ändert sich dessen Abstand zu Ihnen wieder deutlich schneller. Ein Objekt, welches sich in höheren nördlichen oder südlichen Breiten befindet, folgt dem gleichen Bewegungsmuster – nur, dass die Bewegungen auf den Beobachter zu oder von ihm weg nicht so ausgeprägt ausfallen wie für ein Objekt am Äquator. Für ein Objekt an einem der Pole bewirkt die Erdrotation dagegen keinerlei Abstandsänderungen relativ zum Beobachter.
Stellen Sie sich die gleiche Situation jetzt für den untersuchten Braunen Zwerg vor. Wenn ein hellerer Fleck auf der Oberfläche des Braunen Zwergs in Sicht rotiert, wird die Art und Weise, inwieweit sich dieser Fleck direkt auf Sie zu oder von Ihnen weg bewegt, davon abhängen, wo diese Struktur in Bezug auf den Äquator platziert ist und wie die Rotationsachse des Braunen Zwergs relativ zu dem Beobachter orientiert ist.
Im Fall von Luhman 16B konnten die Astronomen die Bewegung der Flecken zwar nicht direkt verfolgen, da sie nicht über ausreichend hoch aufgelöste Bilder verfügen. Aber die Bewegung in Richtung Beobachter oder von ihm weg lässt sich indirekt über den Dopplereffekt nachweisen. Wie der Schall so verändert auch das Licht seine Wellenlänge in systematischer Art und Weise, wenn sich die Lichtquelle auf den Beobachter zu oder aber von ihm weg bewegt. Das Ausmaß dieser Veränderung hängt davon ab, wie schnell und in welche Richtung die Bewegung erfolgt.
Für hellere Flecken auf der Oberfläche eines rotierenden Sterns ergibt sich auf diese Weise ein Muster von miteinander überlagerten Wellenlängenverschiebungen für das empfangene Licht. Die Details dieses Musters hängen von der Position der Flecken auf der Oberfläche ab, und deswegen lassen sich umgekehrt aus den Details des Musters Rückschlüsse darauf ziehen, wo auf der Oberfläche sich hellere Flecken befinden und auch darauf, wie hell diese ausfallen. Die Rekonstruktion der Oberfläche ist dabei nicht ganz eindeutig und mit einiger Unsicherheit behaftet. Die hier gezeigten Karten zeigen die Oberflächenstruktur, welche den beteiligten Wissenschaftlern als die wahrscheinlichste erscheint.
Ian Crossfield erklärt hierzu: „Frühere Beobachtungen haben bereits Hinweise darauf ergeben, dass Braune Zwerge eine gefleckte Oberfläche besitzen sollten. Jetzt können wir solch eine Oberfläche direkt kartieren. Bei dem, was wir sehen, dürfte es sich um eine unregelmäßige Wolkendecke handeln, nicht unähnlich der Oberfläche des Planeten Jupiter.“ Die Karten, welche Crossfield und seine Kollegen erstellt haben, sind so etwas wie die groben Versionen von Wetterkarten, wie wir sie von Satellitenaufnahmen unseres Heimatplaneten kennen.
„In Zukunft sollten wir dabei zusehen können, wie auf Luhman 16B Wolken neu entstehen, wie sie sich entwickeln und wieder verschwinden. Vielleicht sind wir dann irgendwann an einem Punkt angelangt, wo Exo-Meteorologen vorhersagen können, wann ein Besucher auf Luhman 16B klaren oder bewölkten Himmel erwarten könnte“, so Ian Crossfield weiter. Für menschliche Bedürfnisse dürfte die Wettervorhersage für Luhman 16B allerdings zu allen Zeiten „äußerst unangenehmes Wetter“ lauten, denn bei Temperaturen von mehr als 1.000 Grad Celsius handelt es sich bei diesen Wolken um Strukturen, welche aus winzigen Tröpfchen flüssigen Eisens und verschiedenen Mineralen bestehen, die in einer Wasserstoff-Atmosphäre schweben.
Die zweite Studie, welche von Beth A. Biller geleitet wurde (jetzt an der Universität Edinburgh tätig, während dieser Forschungen ebenfalls noch am MPIA beschäftigt), geht im wörtlichen Sinne weiter in die Tiefe. Wenn hellere und dunklere Wolken ins Blickfeld rotieren und anschließend wieder außer Sicht geraten, dann ändert sich auch die Gesamthelligkeit des Braunen Zwergs. Durch gleichzeitige Beobachtung der Helligkeitsveränderungen bei unterschiedlichen Wellenlängen konnten Beth Biller und ihre Kollegen rekonstruieren, was in unterschiedlichen Atmosphärenschichten sowohl von Luhman 16A als auch von Luhman 16B vor sich geht. Die entsprechenden Helligkeitsmessungen wurden im April 2013 mit der astronomischen Kamera GROND am 2,2-Meter-Teleskop am La Silla-Observatorium der ESO durchgeführt. GROND kann Aufnahmen einer Himmelsregion in sieben verschiedenen Wellenlängenbereichen simultan anfertigen.
Wieviel Licht ein Gas in diesen Wellenlängenbereichen jeweils aussendet, steht in einem direkten Zusammenhang mit der Temperatur dieses Gases, welche sich in unterschiedlichen Höhen in verschiedenen Atmosphärenschichten unterschiedlicher Temperatur in der Atmosphäre des Braunen Zwergs verändert. Beth Biller sagt zu der Bedeutung der gewonnenen Ergebnisse: „Unsere Daten zeigen, dass das Wettergeschehen auf diesen Braunen Zwergen durchaus komplex ist. Die Wolkenstruktur variiert, je nachdem wie tief man in die Atmosphäre blickt – wir haben es definitiv mit mehr als einer einzigen Wolkenschicht zu tun.“
In den Daten lassen sich unterschiedliche Wolkenregionen auseinanderhalten. Die Analyse der Helligkeitsvariationen zeigt, dass der Braune Zwerg über mehr als nur eine Atmosphärenschicht verfügen muss, welche zudem Wolken beherbergen und lokale Temperaturunterschiede aufweisen. Dies ist das erste Mal, dass solche komplexen Wetterverhältnisse auf einem Braunen Zwerg in dieser Weise nachgewiesen werden konnten. Jetzt sind zunächst wieder die Theoretiker am Zug, welche bessere und detailreichere Modelle für die Atmosphärenstruktur von Braunen Zwergen liefern müssen. Dies wird dann im Zusammenspiel mit zukünftigen Beobachtungsdaten dazu führen, dass die Astronomen die Braunen Zwerge deutlich besser verstehen werden als bisher möglich.
Bedeutung für die Exoplaneten-Forschung
Die Atmosphären von Braunen Zwergen weisen starke Ähnlichkeiten mit den Atmosphären heißer Gasriesen, den sogenannten „Hot Jupiters“, auf. Solche „Heiße Jupiter“ befinden sich allerdings sehr nah an ihren Muttersternen, welche wiederrum sehr viel heller sind als die sie umkreisenden Exoplaneten. Aus diesem Grund ist es nahezu unmöglich, das schwache Licht der dort befindlichen Planeten zu beobachten, welches durch das von dem Zentralstern ausgehende Licht überstrahlt wird. Im Fall von Braunen Zwergen gibt es jedoch keine Lichtquellen, welche das schwache Glühen dieser Objekte überstrahlen könnten, so dass man hier viel genauere Messungen durchführen kann. Durch Untersuchungen von relativ einfach zu beobachtenden Braunen Zwergen können Astronomen also zugleich mehr über die Atmosphären von jungen Gasriesen lernen.
Die Messungen sind allerdings noch in einem allgemeineren Zusammenhang von Interesse. Der Wunsch eines jeden „Exoplanetenjägers“ ist es vermutlich, bei seiner Suche eine „zweiten Erde“ zu entdecken – also einen außerhalb unseres Sonnensystems gelegenen Planeten, welcher theoretisch über die Umweltbedingungen verfügen könnte, welche die Entstehung und Weiterentwicklung von außerirdischen Lebensformen ermöglichen. Hierbei, so die Minimalanforderungen, müsste es sich um einen terrestrischen Planeten handeln, welcher seinen Zentralstern im Bereich von dessen habitablen Zone umläuft und der somit theoretisch Bedingungen aufweist, welche das dauerhafte Vorhandensein von Wasser im flüssigen Aggregatzustand ermöglichen.
Aber auch andere Faktoren, wie zum Beispiel die Atmosphärenzusammensetzung, die Temperatur, die Wetterverhältnisse oder die Eigenschaften der Oberfläche müssen dabei „stimmen“. Es gibt zwar einige Ansätze dafür, wie sich die entsprechenden Eigenschaften von kleinen, kühlen, erdähnlichen Planeten um andere Sterne modellieren lassen. Aber die Beobachtungen, anhand derer solche Modelle getestet und die so vermuteten Eigenschaften direkt überprüft werden können, dürften aller Voraussicht nach noch einige Jahrzehnte auf sich warten lassen. Die jetzt veröffentlichte Karte eines Braunen Zwergs, die weiteren Informationen über dessen Atmosphäre sowie im Rahmen einer anderen Studie erst jüngst veröffentlichte, allerdings deutlich niedriger aufgelöste Karten einer Exoplaneten-Oberfläche, sind erste wichtige Schritte, um in der Zukunft die Eigenschaften von erdähnlichen Planeten zu charakterisieren.
Beth Biller ergänzt: „Besonders aufregend ist für uns, dass unsere Beobachtungen nur der Anfang sind. Mit der nächsten Generation von Teleskopen, insbesondere mit dem European Extremely Large Telescope mit seinem Spiegeldurchmesser von 39 Metern, sollten wir Oberflächenkarten für noch entferntere Braune Zwerge erstellen können – und irgendwann dann auch einmal für junge Gasplaneten anderer Sterne.“
Ian Crossfield schließt mit der folgenden Bemerkung ab: „Unsere Karte des Braunen Zwergs hilft dabei, uns einen Schritt näher zum Verständnis von Wettermustern in unserem Sonnensystem zu bringen. Von klein auf wurde mir beigebracht die Schönheit und den Nutzen von Karten wertzuschätzen. Da ist es wirklich aufregend zu sehen, dass wir nun angefangen haben sogar Objekte außerhalb unseres Sonnensystems zu kartieren!“
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