Eine topografische Karte zeigt die Titan-Oberfläche

Wissenschaftler haben kürzlich eine globale topografische Karte der Oberfläche des Saturnmondes Titan erstellt. Durch dieses Kartenwerk wird es zukünftig unter anderem möglich sein, den auf dem Titan bestehenden Flüssigkeitskreislauf noch besser zu analysieren und zu verstehen.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL.

NASA, JPL-Caltech, ASI, JHUAPL, Cornell University, Weizmann
Zwei polare Ansichten des Titan (Nordpol rechts, Südpol links). Die beiden oberen Bilder basieren ausschließlich auf bisher gewonnenen Radardaten dieser Regionen. Die unteren Bilder wurden durch mathematische Algorithmen ergänzt. Hier zeigen sich zwei tiefe Bassins, welche sich auf der südlichen Hemisphäre befinden.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, ASI, JHUAPL, Cornell University, Weizmann)

Mit einem Durchmesser von 5.150 Kilometern handelt es sich bei dem bereits im Jahr 1655 durch den niederländischen Astronomen Christiaan Huygens entdeckten Mond Titan um den größten der bisher 62 bekannten Monde des Planeten Saturn und – nach dem Jupitermond Ganymed – zugleich um den zweitgrößten Mond innerhalb unseres Sonnensystems. Als einziger Mond ist der Titan von einer dichten Atmosphäre umgeben. Diese Gashülle besteht hauptsächlich aus Stickstoff, welcher dort mit einem Anteil von rund 98 Prozent vertreten ist. Neben dem Edelgas Argon sind zudem Spuren von Methan, Ethan und weiteren komplexen Kohlenwasserstoffverbindungen enthalten.

Auf der Oberfläche des Titan ist diese Atmosphäre etwa fünfmal dichter als auf unserem Heimatplaneten und erreicht einen Atmosphärendruck von 1,5 bar, was einen etwa 50 Prozent höheren Wert als auf der Erde darstellt. Die Lufthülle, deren gesamte Masse etwa 1,19 mal größer ausfällt als die Masse der Erdatmosphäre, erreicht eine Höhe von mehreren hundert Kilometern und ist zudem mit Wolken und Dunstschleiern durchsetzt.

In den letzten Jahren haben sich die Hinweise darauf verdichtet, dass auf dem Titan ein regelrechter Flüssigkeitskreislauf stattfindet, welcher im Gegensatz zu dem vergleichbaren Kreislauf auf der Erde allerdings nicht auf Wasser basiert. Bei Oberflächentemperaturen von rund minus 180 Grad Celsius regnen Methan und Ethan aus den Wolken ab, welche sich anschließend in ausgedehnten Abflusssystemen sammeln, von wo aus diese flüssigen Kohlenwasserstoffverbindungen zu verschiedenen Seen transportiert werden. Derzeit sind den Planetenforschern etwa 400 Seen auf der Titanoberfläche bekannt, welche sich größtenteils auf der nördlichen Hemisphäre des Mondes konzentrieren.

Somit hat sich der Titan neben der Erde als der einzige bekannte Ort innerhalb unseres Sonnensystems herauskristallisiert, an dem auch in der Gegenwart ein Flüssigkeitskreislauf stattfindet. Aus den daran beteiligten Kohlenwasserstoffen könnten sich unter bestimmten Bedingungen auch komplexere organische Verbindungen bilden, welche als die „Grundbausteine des Lebens“ angesehen werden. Unter den Exobiologen gilt der Titan daher als einer der derzeit aussichtsreichsten Kandidaten für den Nachweis von extraterrestrischen Lebensformen.

„Der Titan weist viele interessante aktive Prozesse wie strömende Flüssigkeiten oder Wanderdünen auf. Um diese Prozesse jedoch verstehen zu können ist es nützlich zu wissen, wie sich das Gelände auf der Oberfläche gestaltet“, so Ralph D. Lorenz vom Applied Physics Laboratory der Johns Hopkins University in Laurel/USA. „Besonders hilfreich für das Studium der Hydrologie und dem Erstellen von Klima- und Wettermodellen sind dabei genaue Kenntnisse über die Gestalt und die Höhe der Oberfläche.“

NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute
Der Titan ist von einer dichten Atmosphäre umgeben, welche im Bereich des sichtbaren Lichts keinen Blick auf dessen Oberfläche zulässt. Durch die Verwendung verschiedener Filtersysteme kann diese Atmosphäre jedoch „durchdrungen“ werden. Die hier gezeigte linke Aufnahme gibt den Mond in den Farben wieder, wie sie auch ein im Saturnsystem befindlicher menschlicher Betrachter wahrnehmen würde. Die mittlere Aufnahme wurde im nahen Infrarotbereich bei 938 Nanometern erstellt und ermöglicht einen Blick auf verschiedene Oberflächenstrukturen. Bei der rechten Aufnahme handelt es sich um ein Falschfarbenkomposit. Zwei Infrarotaufnahmen (erstellt bei 938 und 889 Nanometern) wurden hierzu mit einer im sichtbaren Lichtbereich erstellten Aufnahme kombiniert. Alle verwendeten Aufnahmen wurden am 16. April 2005 mit der WAC-Kamera aus Entfernungen zwischen 173.000 und 168.200 Kilometern angefertigt.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute)

Die extrem dichte, mit Wolken und Dunstschichten durchsetzte Atmosphäre macht es allerdings nahezu unmöglich, die Oberfläche des Titan mit herkömmlichen Teleskopen oder Kameras direkt zu beobachten, was der übliche Ansatz zur Erstellung einer topografischen Karte der Oberfläche dieses Mondes wäre. Nahezu alle Daten, welche den Planetologen über den Titan gegenwärtig zur Verfügung stehen, wurden während der letzten Jahre durch die Raumsonde Cassini gewonnen, welche sich bereits seit dem 1. Juli 2004 in einer Umlaufbahn um den Saturn befindet und dabei auch den Titan mittlerweile 91 mal im Rahmen von dichten Vorbeiflügen passieren konnte.

NASA, JPL-Caltech, ASI, Cornell University
In dieser Radar-Aufnahme der Raumsonde Cassini präsentieren sich die erkennbaren Kohlenwasserstoffseen auf dem Titan in unterschiedlichen Helligkeiten. Eventuell ist hierfür eine die Oberfläche der Seen bedeckende Eisschicht verantwortlich. Die Aufnahme wurde am 22. Mai 2012 angefertigt und verfügt über eine Auflösung von rund 350 Metern pro Pixel.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, ASI, Cornell University)

Bei vielen dieser Vorbeiflüge wurde ein an Bord der Raumsonde befindliches Radarinstrument eingesetzt, um Radarkarten der Titanoberfläche zu erstellen, aus denen sich dann auch Höhendaten über die dort befindlichen Geländestrukturen ableiten lassen konnten. Anhand der so gewonnenen Daten konnten die an der Cassini-Mission beteiligten Wissenschaftler jetzt eine topografische Karte der Oberfläche des Titan erstellen.
„Mit dieser neuen Landkarte erscheint eine der faszinierendsten und dynamischsten Welten in unserem Sonnensystem jetzt in einer dreidimensionalen Ansicht“, so Steve Ward, der stellvertretende Leiter des Cassini-RADAR-Teams vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/USA. „Auf der Erde stehen die Aktivitäten von Flüssen, Vulkanen und sogar von dem Wetter in einer engen Beziehung zu der Gestaltung der Oberfläche. Wir sind gespannt zu erfahren, in welcher Form sich dieser Zusammenhang auf dem Titan zeigen wird.“
Bei der Erstellung der Karte ergaben sich allerdings diverse Herausforderungen, da sich die Raumsonde Cassini dem Titan nur bei bestimmten Zeitpunkten weit genug nähert, um das RADAR-Instrument erfolgreich einsetzen zu können. Für eine erfolgreiche Vermessung der Oberfläche, so Ralph Lorenz, sind jedoch mehrere Observationen der gleichen Oberflächenbereiche notwendig. Aus diesem Grund konnten bisher lediglich rund 11 Prozent der Titanoberfläche mit dem Instrument in einem Umfang erfasst werden, welcher definitiv zutreffende Daten über die Struktur der Oberfläche liefert. Um die verbliebenen Datenlücken aufzufüllen verwendete das RADAR-Team einen speziellen mathematischen Algorithmus.

NASA, JPL-Caltech, ASI, JHUAPL, Cornell University, Weizmann
Zwei zylindrische Karten der Titanoberfläche. In der oberen Karte wurden die durch das RADAR abgedeckten Bereiche durch Daten des VIMS-Spektrometers ergänzt. Die untere Karte zeigt die Oberfläche entsprechend den jetzt angestellten Untersuchungen.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, ASI, JHUAPL, Cornell University, Weizmann)

„Hierbei wählen wir einen Punkt aus, von dem es keine Daten gibt, und schauen nach, wie weit dieser Punkt von den nächsten Stellen entfernt ist, von denen wir Daten haben. Anschließend verwenden wir verschiedene Ansätze, um die Lücken anhand von Mittelungen und Schätzungen zu füllen“, so Ralph Lorenz. „Wenn Sie einen Punkt, von dem keine Daten existieren, auswählen, und in der Umgebung dieses Punktes befinden sich ausschließlich hoch gelegene Oberflächenbereiche, dann müssten Sie schon einen besonderen Grund aufführen, um davon ausgehen zu können, dass der spezielle Punkt tiefer liegt als die Umgebung.“

Neben den RADAR-Daten wurden dabei auch Messdaten welche durch die Spektrometer der Raumsonde, zum Beispiel durch das Visual and Infrared Mapping Spectrometer (VIMS), oder durch das aus einer Telekamera (NAC) und einer Weitwinkelkamera (WAC) bestehende ISS-Kameraexperiment gesammelt wurden.

Die auf diese Weise erstellten Abschätzungen über die Geländehöhen der bisher nicht durch das RADAR-Instrument erfassten Gebiete decken sich gut mit dem bisherigen Wissensstand über die Topografie der Titanoberfläche demzufolge zum Beispiel die Polarregionen tiefer gelegen sind als der Äquatorbereich. Durch die Auffüllung der Datenlücken können die Wissenschaftler jetzt auch die auf der Titanoberfläche vorhandenen Abflusssysteme besser modellieren, welche durch die jahreszeitlich bestimmte Menge und Verteilung von Niederschlägen reguliert werden.

„Die Bewegungen von Sand und Flüssigkeiten werden durch Berghänge beeinflusst und diese Berge können zudem eine Wolkenbildung und damit verbundene Niederschläge auslösen. Dieser global erfolgende Prozess, welcher eine Schlüsselrolle in dem dynamischen Klimasystem des Titan einnimmt, kann jetzt dank einer Beschreibung der Titanoberfläche besser nachvollzogen werden“, so Ralph Lorenz weiter. Im Rahmen der Erstellung der Karte konnten die Wissenschaftler mehrere bisher nicht bekannte Bassins und Hochländer nachweisen.

NASA, JPL-Caltech, ASI, JHUAPL, Cornell University, Weizmann
Anhand der erstellten Titan-Karte lässt sich ein Profil von der Oberfläche dieses Mondes erzeugen.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, ASI, JHUAPL, Cornell University, Weizmann)

Die jüngsten Daten, welche für die jetzt erstellte Karte verwendet wurden, stammen aus dem Jahr 2012. Bis zum Ende der Cassini-Mission im Jahr 2017 erwarten die beteiligten Wissenschaftler jedoch noch weitere Daten des RADAR-Instrumentes, mit denen sich die bisher bestehenden „Lücken“ auf der Titanoberfläche noch weiter auffüllen lassen werden, was dann auch eine Verbesserung der für die jetzt erstellten Karte verwendeten Algorithmen bedeuten wird.
Eine erste Gelegenheit dazu ergibt sich bereits in wenigen Tagen, denn am 23. Mai 2013 wird die Raumsonde Cassini dem Titan einen erneuten Besuch abstatten (Raumfahrer.net berichtete).

Während der Phase der dichtesten Annäherung an den Titan, welcher diesmal in einer Entfernung von 970 Kilometern überflogen werden wird, soll das RADAR-Instrument erneut verschiedene Bereiche der nördlichen Hemisphäre dieses Mondes abtasten. Unmittelbar vor der dichtesten Annäherung soll das Instrument die südlichen und östlichen Bereiche des Kraken Mare, des mit einer Fläche von etwa 400.000 Quadratkilometern größten Methansees auf dem Titan im SAR-Modus abtasten. Kurz darauf wird das Ligeia Mare, ein weiterer mit Kohlenwasserstoffverbindungen gefüllter See, in den Aufnahmebereich des RADAR rücken.

Durch die Messungen, so die Erwartungen der Wissenschaftler der Cassini-Mission, können minimalste Höhenunterschiede auf der Oberfläche dieser Seen erkannt werden, welche sich im Millimeterbereich bewegen und die durch Wellenbewegungen ausgelöst werden, welche ihren Ursprung in Windeinflüssen, durch die Strömungen der diversen Zuflüsse von Kohlenwasserstoffverbindungen oder in Gezeitenbewegungen haben können. Weitere Beobachtungen des Instruments werden verschiedene weitere Seen in der Nordpolregion des Titan zum Ziel haben, welche bereits im Juli und Oktober 2006 durch das RADAR untersucht wurden. In der Abflugphase wird sich das RADAR dann unter anderem auf die Region Ardiri – hierbei handelt es sich um ein ausgedehntes Dünenfeld im Bereich des Äquators des Titan – richten.

Die für den 23. Mai geplanten Beobachtungen stehen dabei in einem direkten Zusammenhang mit dem nächsten Vorbeiflug von Cassini am Titan. Beim nächsten Vorbeiflug der Raumsonde, welcher am 10. Juli 2013 erfolgen wird, soll das RADAR die gleichen Regionen bei einer identischen Überflughöhe unter einen nur minimal veränderten Blickwinkel erneut abbilden. Aus den Aufnahmen von dann zwei Beobachtungsstandorten lassen sich im Anschluss dreidimensionale Bilder der beobachteten Regionen erstellen. Anhand dieser Daten sollen dann unter anderem die Höhen der „Uferböschungen“ ermittelt werden, durch welche diese Seen begrenzt werden.

Ein Fachartikel über die neu erstellten und hier kurz beschriebenen topografischen Karten der Titanoberfläche wurde kürzlich von Ralph D. Lorenz et al. in der Fachzeitschrift „Icarus“ unter dem Titel „A global topographic map of Titan“ publiziert.

Die Mission Cassini-Huygens ist ein Gemeinschaftsprojekt der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA, der europäischen Weltraumagentur ESA und der italienischen Weltraumagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien, eine Abteilung des California Institute of Technology (Caltech), leitet die Mission im Auftrag des Direktorats für wissenschaftliche Missionen der NASA in Washington, DC. Nach dem derzeitigen Planungsstand soll Cassini den Saturn und seine Monde noch bis zum Jahr 2017 erkunden und am 15. September 2017 aufgrund des dann nahezu komplett aufgebrauchten Treibstoffvorrates kontrolliert in der Atmosphäre des Ringplaneten zum Absturz gebracht werden.

Diskutieren Sie mit im Raumcon-Forum:

Verwandte Internetseiten:

Fachartikel von Ralph D. Lorenz et al:

Nach oben scrollen