Die NASA arbeitet auf das Ziel hin, ca. 2020 auf dem Mond zu landen und dort eine Station einzurichten. Später sind bemannte / befraute Marsmissionen geplant. Doch wie würde eine solche Mission konkret aussehen?
Autor: Georg Jakubaas. Vertont von Karl Urban.
Die Grundlagen der Marsmissionen
Im Juli 1997 veröffentlichte die NASA ein Dokument der Arbeitsgruppe „NASA Mars Exploration Study Team„, welches für zukünftige Marsmissionen auch heute wegweisend ist. Es beschreibt ausführlich eine Referenzmission zum Mars. Dieser Artikel fasst das 237 Seiten starke Dokument zusammen und zeigt auf, wie realistisch eine Marsmission ist und wie sie ablaufen könnte.
Planetenbahnen und Flugbahnen
Eine Marsmission kann nicht mit einem einzelnen Flug abgewickelt werden. Keine Rakete wäre in der Lage, die gesamte benötigte Last von der Erde zum Mars zu befördern. Früher wurde deshalb die Idee verfolgt, ein Raumschiff im Erdorbit oder auf dem Mond zu bauen und von dort aus zu starten. Diese Idee hat sich inzwischen als zu komplex und zu teuer herausgestellt. Die Kosten für den Aufbau und Betrieb einer Raumschiffswerft, die Versorgung der Arbeiter und die Materialtransporte wären wortwörtlich exorbitant hoch. Eine Marsmission kann auf einfachere Weise abgewickelt werden, indem die Last mit einer Serie konventioneller Raketen auf den Mars transportiert wird.
Als Vorreiter dieser Idee gilt der Marsforscher Dr. Robert Zubrin, der zu dem Schluss kam, dass man zuerst das Material mit mehreren Flügen zum Mars befördern und dort zusammensetzen sollte. Die Besatzung würde erst dann zum Planeten fliegen, wenn die Infrastruktur funktionsfähig und einsatzbereit ist.
Die Tatsache, dass mehrere Flüge für die Mission notwendig sind, bringt allerdings neue Herausforderungen mit sich. Da die Umlaufbahn des Mars‘ nicht konzentrisch um die Sonne verläuft, variiert der Abstand zwischen Mars und Erde zwischen 3 und 22 Lichtminuten (55 Mio. und 401 Mio. km). Zudem umrundet Mars die Sonne durch seinen äußeren Orbit in 668,6. Tagen. Dadurch ergibt sich eine günstige Konstellation für einen Start nur etwa alle zwei bis drei Jahre. Dies setzt eine wesentlich langfristigere Planung voraus, als bei den Mondmissionen, wo sich jeden Monat ein Startfenster öffnet.
Zudem stellt sich die Frage, ob auf dem Hin- oder Rückweg der Besatzung ein Vorbeiflug an der Venus durchgeführt werden soll. Zwar brächte dies Vorteile wie die Tatsache, dass damit der Flug beschleunigt und so verkürzt werden könnte. Allerdings würde sich das Raumschiff innerhalb der Erdumlaufbahn befinden, also wesentlich näher an der Sonne. Damit wäre die Besatzung wiederum einer höheren Strahlenbelastung ausgesetzt. Am Raumschiff wäre deshalb ein zusätzlicher Strahlenschutz notwendig. Bei größeren Sonneneruptionen müssten sich die Astronauten sogar in einen besonders gut geschützten Bereich zurückziehen können, da während solchen Sonnenaktivitäten sehr hohe und gefährliche Strahlungsbelastungen auftreten können.
Unterschiede zu den Mondmissionen
Die wesentlich größere Entfernung zum Mars ist nicht der einzige Unterschied zu Mondmissionen. Auch die Flugbahn wirkt sich sehr stark auf die Mission aus.
Ein Abbruch der Mission und eine direkte Rückkehr zur Erde sind im Gegensatz zu einem Mondflug nicht möglich. Bei einem Mondflug kann eine Flugbahn gewählt werden, die ohne größere Korrekturen um den Mond herum und innerhalb weniger Tage wieder zur Erde zurück führt (Free Return Trajectory). Bei einem Marsflug ist dies schon deshalb nicht möglich, weil die notwendigen Verbrauchsgüter für einen Rückflug nicht an Bord sind. Die Reise muss beim Mars terminiert werden, wenn auch nur kurzfristig, um in das ERV (Earth Return Vehicle) umzusteigen.
Die Kommunikation wird anders als bei den Mondmissionen verlaufen. Je nachdem, wie weit weg der Mars von der Erde gerade ist, wird eine Nachricht 3 bis 22 Minuten unterwegs sein. Dies hat auch Auswirkungen auf die Aufgabenteilung zwischen Kontrollzentrum und Besatzung. Deshalb wird die Bodenkontrolle andere Aufgaben als bei bisherigen Missionen wahrnehmen. Zwar wird sie weiterhin entscheiden, was die Astronauten zu tun haben. Wie die Astronauten aber die gesetzten Ziele erreichen, wird ihnen überlassen. Der Bodenkontrolle wird deshalb eine vermehrt unterstützende Rolle zukommen.
Ein nicht zu unterschätzender Faktor während der gesamten bemannten Mission ist der psychologische Aspekt. Die Missionsteilnehmer aus verschiedenen Staaten und Kulturen werden während mehrerer Jahre auf kleinstem Raum in lebensfeindlichen Umgebungen zusammen wohnen und arbeiten. Es gibt bisher keine vergleichbaren Daten, welche die Auswirkungen eines solchen Zusammenlebens dokumentieren. Vergleichbare Projekte wie Biosphere 3 (1972 – 1984) und Biosphere 2 (1987-1989) wurden jeweils nach 180 Tagen abgebrochen. Auch hatten diese Experimente nicht primär psychologische, sondern ökologische Forschungsziele. Zurzeit ist aber ein neues Experiment in Planung, in dessen Rahmen die psychologischen Aspekte einer Langzeitmission untersucht werden sollen. Russland und die ESA werden Probanden für 520 Tage unter Konditionen einer Langzeitmission einsperren.
Optimales Abfallmanagement, bioregenerative Lebenserhaltungssysteme, verbesserter Strahlungsschutz, Ressourcennutzung vor Ort, Telemedizin, Psychodynamik,– all diese Themen müssen behandelt, bewertet, und für möglichst alle Vorkommnisse Lösungen erarbeitet werden. Lösungen, die bisher noch gar nicht oder nur unvollständig zur Verfügung stehen.
Roboter auf dem Mars
Die Mars-Referenzmission identifiziert die Robotik als einen kritischen Erfolgsfaktor. Roboter ermöglichen es, den Mars vorbereitend detaillierter als bisher zu erkunden und so potenzielle Landeplätze festzulegen. Dabei werden Parameter wie Eisvorkommen für die Wassergewinnung, Oberflächenbeschaffenheit für eine sichere Landung und Fortbewegung, sowie die wissenschaftliche Relevanz von Marsgebieten für die Mission berücksichtigt.
Die Referenzmission sieht vor, diese Parameter mit automatisierten Marsmissionen zu überprüfen, indem mit Unterstützung von autonomen Robotern Proben vom Mars auf die Erde gebracht und hier untersucht werden. Dabei wird auch die Möglichkeit genutzt, neue Schlüsseltechnologien wie das Aerobrake-Verfahren, Treibstoffgewinnung vor Ort, oder Präzisionslandungen auf dem Mars zu testen und das Funktionieren dieser Prozeduren zu bestätigen (Proof of Concept).
Sowohl beim späteren Aufbau der Marsbasis, als auch bei der Erforschung durch Menschen wird Robotik eine tragende Rolle spielen. So genannte telerobotische Rovers (TROVs), also weitgehend autonome, aber unterstützend fernsteuerbare (programmierbare) Marsfahrzeuge, werden zuerst die Basis aufbauen. Danach könnten mit einem TROV weit entfernte Gebiete aufgesucht werden, um vorab Proben zu sammeln, welche nach Ankunft der Marsforscher untersucht werden können.
Die Besatzung
Die Zusammensetzung der Mannschaft ist noch offen. Wahrscheinlich ist aber, dass die Besatzung aus Vertretern der an der Mission teilnehmenden Staaten zusammengesetzt wird, ähnlich wie heute auf der ISS. Dort sind die EU, Russland, Japan und die USA beteiligt. Bei einem Unternehmen dieser Größe ist es möglich, dass die UNO auch einen Teilnehmer der Dritten Welt entsenden wird. Wahrscheinlich ist, dass an jeder Teil-Mission sechs Astronauten beteiligt sein werden.
Die Astronauten werden mehrere Jahre lang trainieren, um den physischen und psychischen Belastungen, sowie den wissenschaftlichen und sozialen Anforderungen der Marsmission gewachsen zu sein. Durch die Abgeschiedenheit und die Unmöglichkeit, die Mission abzubrechen und frühzeitig zur Erde zurückzukehren, müssen sie ein sehr breites Spektrum an Anforderungen abdecken, damit sie in allen Situationen effektiv und effizient reagieren können. Die Besatzung muss in der Lage sein, stets so zu entscheiden, dass die Missionsziele möglichst erreicht werden. Deshalb wird sie interdisziplinär ausgebildet. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an die Astronauten.
Zwar musste bereits die Besatzung der Apollo-Missionen mehrere Aufgaben erfüllen können. Zum Beispiel war bereits Michael Collins bei Apollo 11 ausgebildet, um den Rückflug zur Erde alleine durchzuführen, falls Neil Armstrong und Buzz Aldrin auf dem Mond etwas zugestoßen wäre. Die Ansprüche bei Marsmissionen sind aber weitaus höher. Die Astronauten müssen die folgenden Wissensgebiete abdecken:
- Wartung, Reparatur und Betrieb der mechanischen, elektrischen und elektronischen Geräte
- Medizin inkl. Chirurgie, Psychologie und Biomedizin
- Geologie, Geophysik, Planethologie, Geochemie und Geophysik
- Biologie, Botanik, Ökologie und Sozialwissenschaften
Für jedes Wissensgebiet muss zudem ein zweites Crewmitglied als Ersatz ausgebildet sein. Alle Astronauten müssen zusätzlich über umfangreiche Kenntnisse in Management, Kommunikation, Computerwissenschaften, Forschung, Navigation und Journalismus verfügen.
Der Missionsablauf
Die technischen und logistischen Anforderungen, um sechs Menschen einen 150 Tage langen Flug, einen 600 Tage langen Marsaufenthalt und einen 120-tägigen Rückflug zu ermöglichen, sind enorm. Zu den schwierigsten Aufgaben gehört die Tatsache, dass die Mannschaft die gesamte Mission ohne Nachschub von der Erde absolvieren muss. Alle benötigten Güter werden entweder vorher auf dem Mars platziert, beim Hinflug mitgeführt, oder auf dem Mars vor Ort produziert. Da alle Ressourcen beschränkt sein werden, gilt es, ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Kosten und Komfort, sowie zwischen Effektivität und Sicherheit zu finden.
Die Mars Referenzmission wählte deshalb das Vorgehen der „Split Mission Strategy„, also als Strategie der aufgeteilten Mission. Diese besteht aus ca. 15 Marsflügen, aufgeteilt auf ca. 10 Jahre, welche zusammen die gesamte Marsmission ausmachen. Die Grundzüge des Vorhabens:
Die Infrastruktur auf dem Mars wird vor dem Abflug der Astronauten bereitgestellt Es fliegen nacheinander drei Teams mit je sechs Astronauten auf den Mars Die Lasttransporte fliegen immer auf einer langsamen Flugbahn mit maximaler Nutzlast Die Mannschaft fliegt immer auf einer schnellen Flugbahn mit minimaler Nutzlast Auf dem Mars werden Ressourcen vor Ort für die Mission erzeugt / verwendet. Der Treibstoff für den Wiederaufstieg wird aus der Marsatmosphäre gewonnen Alle drei Teams werden nacheinander je ca. 600 Tage auf dem Mars verbringen
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