Am 28. Januar starteten im Rahmen der europäischen Mission PromISSe der ESA-Astronaut André Kuipers und sein Kollege US-Astronaut Dan Burbank mit der Experimentstudie SOdium LOad in microgravity (SOLO). (Newsbild: André Kuipers auf der ISS)
Ein Beitrag von Ralf Möllenbeck. Quelle: NASA, ESA, DLR, raumfahrer.net.
Osteoporose, auch als Knochenschwund bezeichnet, ist auf der Erde eine schwere Krankheit, welche die Lebensqualität von Millionen Betroffenen reduziert und Europa rund 25 Milliarden Euro pro Jahr kostet. Durch unsere alternde Gesellschaft wird sich dies zukünftig sogar noch weiter verstärken, da hauptsächlich ältere Menschen, mehrheitlich weiblichen Geschlechts, betroffen sind. Folgen der Osteoporose und damit der verringerten Knochendichte ist ein erhöhtes Risiko von Knochenbrüchen jeglicher Art. Auch Raumfahrer leiden bei ihren Langzeitaufenthalten in der Schwerelosigkeit unter einer Verringerung der Knochendichte. Glücklicherweise ist bei ihnen dieser Vorgang umkehrbar, sobald sie wieder zur Erde zurückkehren.
Hier setzt nun die vom DLR-Institut für die Raumfahrtmedizin in Köln seit 2008 geführte Studie zur Erforschung des Knochenschwundes in der Schwerelosigkeit SOLO an. Bereits seit den 1990er Jahren wurde auf der Raumstation MIR (EUROMIR 94 & MIR 97) ein Zusammenhang zwischen der Kochsalzaufnahme und dem ohnehin durch die fehlende Schwerkraft einsetzenden Knochenschwund festgestellt. In einer Reihe von Studien auf der Erde, und seit einigen Jahren auch auf der ISS, kamen die Wissenschaftler weiter zu dem Schluss, dass Salzspeicherungen in der Haut und Änderungen im Säure-Basen-Haushalt des Körpers zu Verschlechterungen der Zusammensetzung von Knochen führt, da vermehrt Kalzium über den Urin ausgeschieden wird. Eine erhöhte Salz- bzw. Natriumchloridaufnahme in den Speisen wird von vielen Raumfahren bevorzugt, da in der Schwerelosigkeit der Geschmackssinn weniger intensiv ausgeprägt ist. Ein unmittelbarer Zusammenhang von erhöhter Salzaufnahme durch Lebensmittel und einen dadurch beschleunigten Knochenabbau wird durch SOLO erforscht.
Genutzt wird dafür das Cardiolab als Teil des European Physiology Modules (EPM) im Columbus-Labor und SLAMMD (Space Linear Acceleration Mass Measurement Device), ein Gerät zur Massenermittlung von Menschen im All. Im EPM befinden sich außerdem Messmittel zur Erfassung der Atmung und Untersuchung des Stoffwechsels. Weiter werden regelmäßig Blut und Urinproben genommen, auf bestimmte Körperstoffwechselprodukte getestet und Teile davon im MELFI-Gefrierschrank für die Untersuchung auf der Erde aufbewahrt. André Kuipers und Dan Burbank absolvierten nun die erste von zwei sechstägigen SOLO-Diäten. Sie mussten von Tag 1 bis 5 die speziell angefertigten Mahlzeiten zu sich nehmen, der sechste Tag ist Diät-frei. Die Geschmacksrichtungen der Speisen konnten sie sich vor ihrer Mission bereits am Boden aussuchen, die Zusammensetzung und Reihenfolge der Einnahme ist jedoch laut Protokoll fest vorgeschrieben. Bei der ersten Diätreihe enthalten die Mahlzeiten einen normalen Salzgehalt (11,5 g Salz pro Tag), die zweite Reihe hingegen beinhaltet geringe Salzmengen (2,9 g Salz pro Tag).
Den Verlauf des Experimentes bestimmen das Essen, die vielen Untersuchungen und deren Protokollierung. Die Raumfahrer führen dabei täglich Speiselisten, die Körpermasse wird an den Tagen 4 und 6 mit SLAMMD ermittelt, Blutproben werden am Tag 5 genommen, zentrifugiert, per PCBA (Portable Clinical Blood Analyzer) analysiert und eingefroren. Urinproben werden während des gesamten 5. Tages gesammelt und eingelagert. Diese eingefrorenen Körperflüssigkeiten kehren später mit einem Sojus-Raumschiff zur Erde zurück. Bei der Auswertung der Messergebnisse und Proben untersuchen die Mediziner am Boden das Zusammenspiel von Knochen- und Muskelstoffwechsel mit den Faktoren Ernährung, Salz- und Flüssigkeitshaushalt von Raumfahrern. Ebenso findet bei dieser Studie eine genaue Bewertung des Trainingsprogrammes der Personen in Bezug auf den zu erwartenden Knochenabbau statt.
Die gewonnen Erkenntnisse zielen auf zwei Nutzungsgebiete ab. Zum einen sollen sie helfen, den Menschen im All vor Schäden bei zukünftigen Langzeitmissionen zum Mond oder auch zum Mars zu schützen. Zum anderen erhofft sich das internationale Forscherteam rund um die Ernährungswissenschaftlerin Martina Heer einen signifikanten Nutzen auf der Erde. Vielen erkrankten Menschen, welche unter Herz-Kreislauf-Problemen, Osteoporose und Muskelschwund leiden, könnte mit speziellen Diäten geholfen werden. Damit ergibt sich ein direkter Nutzen aus der bemannten Raumfahrt, da sich solche Studien auf der Erde nur in sehr langen Zeiträumen durchführen ließen. Ähnliche Versuche wie SOLO wurden auch bei der russischen Mars-500-Langzeitflugsimulation absolviert und zum direkten Vergleich mit den Kollegen in der Schwerelosigkeit herangezogen.
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