Als Reaktion auf einen Ende März 2015 erfolgten Übertritt in den Sicherheitsmodus wurde die Kometensonde Rosetta auf eine neue Umlaufbahn geleitet. Dies hat zur Folge, dass auch die Planungen für den Einsatz der wissenschaftlichen Instrumente neu erfolgen müssen. Hiervon nicht betroffen ist jedoch die erneute Suche nach einem Signal von dem Kometenlander Philae, welche ab dem 12. April fortgesetzt werden soll.
Erstellt von Ralph-Mirko Richter. Quelle: DLR, ESA
Nach einer mehr als zehn Jahre andauernden Flugzeit erreichte die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Rosetta am 6. August 2014 das Ziel ihrer Reise – den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko (der Einfachheit halber ab hier als „67P“ abgekürzt). Seitdem ‚begleitet‘ die Raumsonde diesen Kometen auf seinem weiteren Weg in das innere Sonnensystem und untersucht dieses Relikt aus der Entstehungsphase unseres Sonnensystems dabei intensiv mit elf wissenschaftlichen Instrumenten.
Im Rahmen dieser Untersuchungen überflog Rosetta am Vormittag des 28. März 2015 die Oberfläche von 67P in einem Abstand von lediglich 14 Kilometern. Aufgrund der starken Aktivität des Kometen 67P, von dessen Kern inzwischen immer mehr Gas und Staubpartikel in das umgebende Weltall entweichen, konnten die für die Navigation von Rosetta eingesetzten Sternsensoren bei diesem Überflug die Ausrichtung der Raumsonde im All nicht mehr mit der nötigen Genauigkeit ermitteln. Als Reaktion auf dieses Problem versetzte sich Rosetta zunächst in einen Sicherheitsmodus und entfernte sich auf einer ‚Fluchtbahn‘ rund 400 Kilometer von der Oberfläche des Kometen.
Dem für die Steuerung von Rosetta verantwortlichen Team des ESOC gelang es jedoch relativ schnell, die Raumsonde wieder unter Kontrolle zu bringen und Rosetta durch zwei am 1. und am 4. April durchgeführte Orbitkorrekturmanöver bis zum 8. April wieder auf eine Entfernung von rund 140 Kilometern zur Kometenoberfläche zu dirigieren. Um derartige Zwischenfälle in Zukunft möglichst zu vermeiden, wurde der Verlauf der Flugbahn, auf der die Raumsonde Rosetta ‚ihren‘ Kometen umkreist, abgeändert.
Statt auf einer langgezogenen ellipsenförmigen Bahn, auf der sich Rosetta – wie in den letzten Monaten erfolgt – der Oberfläche von 67P bis auf wenige Kilometer annähert, soll die Raumsonde den Kometen jetzt – wie bereits im Sommer 2014 während der damaligen Annäherungsphase – auf einer pyramidenförmig verlaufenden Bahn begleiten, welche sich allerdings in einem deutlich größeren Abstand zur Kometenoberfläche befindet.
Seit dem heutigen Tag bewegt sich Rosetta dabei auf einer Dreiecksbahn, deren größter Abstand zu 67P bei einem Wert von 100 Kilometern liegt. Gegenwärtig sind bis zum Ende des Monats auf dieser Flugbahn drei Umkreisungen von 67P vorgesehen. Das für die Steuerung von Rosetta verantwortliche Team des ESOC will in diesem Zeitraum das weitere ‚Verhalten‘ der Raumsonde beobachten und dabei zeitnah entscheiden, ob eine weitere Annäherung an den Kometen möglich ist, ohne dabei die weitere Mission von Rosetta zu gefährden, oder ob aus Sicherheitsgründen eventuell sogar eine nochmals größere Distanz zu 67P eingenommen werden muss.
Dieser jetzt komplett geänderte Verlauf der zukünftigen Flugbahn hat allerdings zur Folge, dass auch die über Monate hinweg im Voraus festgelegten Beobachtungsziele und Beobachtungszeiten der verschiedenen Instrumente der Raumsonde komplett neu geplant werden müssen. Im Rahmen des kürzlich erfolgten Übertritts in den Sicherheitsmodus waren diese zunächst deaktiviert. Mittlerweile befinden sich die ersten Instrumente wieder in Betrieb und sammeln Daten. Weitere Instrumente sollen im Verlauf der kommenden Woche reaktiviert werden. Für deren Einsatzplanung stehen die Mitarbeiter des Raumsondenkontrollteams in engen Kontakt mit dem hierfür zuständigen Operationsteam und den einzelnen für die verschiedenen Instrumente verantwortlichen Projektleitern.
„Unser wissenschaftliches Operationsteam am ESAC ist derzeit damit beschäftigt, diese neue Flugbahn und deren Auswirkung auf die wissenschaftlichen Beobachtungen der kommenden Monate – einschließlich der weiteren eigentlich geplanten dichten Überflüge – zu bewerten“, so Matt Taylor, der wissenschaftliche Leiter der Rosetta-Mission von der ESA. „In enger Zusammenarbeit mit den Instrumententeams sollen dabei auch die zu erwartenden Resultate der zukünftigen wissenschaftlichen Beobachtungen optimiert werden.“
Die Suche nach Philae wird fortgesetzt
Keinen unmittelbaren Einfluss hat die gegenwärtige Situation dagegen auf die weitere Suche nach dem Kometenlander Philae. Der von Rosetta mitgeführte Kometenlander wurde am 12. November 2014 von der Raumsonde abgetrennt und erreichte noch am selben Tag um 16:35 MEZ die Oberfläche des Kometen 67P (Raumfahrer.net berichtete live aus den Raumsondenkontrollzentren in Darmstadt und Köln). Dort kam Philae schließlich nach einer dreifachen Landung an einem ungeplanten Standort zum Stehen, welcher aufgrund der dort gegebenen schlechten Beleuchtungsverhältnisse – die Sonne erreichte den Lander an diesem Standort pro ‚Kometentag‘ für lediglich etwa eine Stunde – keine Möglichkeit bot, die Energiereserven in einem ausreichenden Umfang zu erneuern.
Trotzdem konnte der Lander – mit der Energie aus einer auf eine Einsatzdauer von etwa 60 Stunden ausgelegten Batterie versorgt – in den folgenden 54 Stunden eine Vielzahl an Messungen durchführen. Die dabei gesammelten Daten der zehn Instrumente des Landers wurden regelmäßig bei jedem sich öffnenden Kommunikationsfenster an die Erde übertragen, bevor die Energiereserven am 15. November so weit erschöpft waren, dass sich Philae um 01:36 MEZ in einen ‚Schlafmodus‘ versetzte.
Aufgrund der zunehmenden Annäherung des Kometen 67P an die Sonne verbesserten sich im Bereich des Standortes von Philae die dort gegebenen Beleuchtungs- und Temperaturbedingungen in den folgenden Monaten allerdings immer mehr. Hierdurch bedingt könnte in Zukunft wieder ausreichend Sonnenlicht zur Verfügung stehen, damit der für seine Stromversorgung ausschließlich auf die Sonnenenergie angewiesene Lander Philae aus seinem ‚Winterschlaf‘ erwacht und sich reaktiviert. Zu diesem Zweck erfolgte bereits Mitte März 2015 eine erste ‚Horchkampagne‘, in deren Rahmen der Kometenorbiter Rosetta nach einem Signal von Philae ‚lauschte‘ (Raumfahrer.net berichtete). Dieser Versuch verlief allerdings erfolglos.
In den seitdem vergangenen drei Wochen dürfte sich die Situation von Philae jedoch nochmals weiter verbessert haben, da der Bereich der Kometenoberfläche, wo der Lander endgültig zum Stehen kam, mittlerweile pro ‚Kometentag‘ über einen immer längeren Zeitraum hinweg von dem Sonnenlicht erreicht wird. Je mehr Sonnenenergie – so die einfache Rechnung – desto mehr Energie steht dem Lander damit auch zur Verfügung, um seine elektrischen Heizelemente zu aktivieren und das Innere der Raumsonde auf die für eine Reaktivierung zwingend notwendige Betriebstemperatur von nicht weniger als minus 45 Grad Celsius zu erwärmen.
Aus diesen Grund wird am kommenden Sonntag, dem 12. April um 02:00 MESZ erneut die Kommunikationseinheit des Rosetta-Orbiters aktiviert, um den Versuch einer Kontaktaufnahme mit dem Lander durchzuführen. Für eine erfolgreiche Kontaktaufnahme müssen sich Orbiter und Lander jedoch zueinander in einer Konstellation befinden, welche einen Funkkontakt überhaupt erst ermöglicht. Zudem muss Philae während dieser Kommunikationsfenster direkt im Sonnenlicht stehen, um das Signal des Orbiters mit ausreichend Energie zu empfangen und eventuell darauf zu antworten.
„Diese Bedingungen müssen immer mindestens über 45 Minuten andauern, denn Philae schaltet nach seinem Aufwachen seinen Empfänger nur alle 30 Minuten an“, so Dr. Koen Geurts vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), einer der an der Philae-Mission beteiligten Wissenschaftler.
Erneutes „Blind Commanding“
Hierbei ergibt sich das Problem, dass die zukünftige Flugbahn von Rosetta – und somit auch die dabei zu überfliegenden Oberflächenbereiche von 67P – aufgrund der erst vor wenigen Tagen durchgeführten Veränderungen zunächst noch im Detail festgelegt werden muss. Wann genau die besten Bedingungen für die automatische Kontaktaufnahme mit Philae bestehen kann erst exakt berechnet werden, sobald die neuen Flugbahnen des Orbiters feststehen. Aus diesem Grund wird die Kommunikationseinheit des Orbiters während der in wenigen Stunden beginnenden erneuten ‚Horchkampagne‘ auch rund um die Uhr aktiviert sein.
Diese Kampagne wird sich allerdings nicht nur auf ein passives ‚Lauschen‘ nach Signalen von Philae beschränken. Vielmehr soll Rosetta dabei auch erneut selbst aktiv werden und im Rahmen einer „Blind Commanding“ genannten Prozedur Kommandos absetzten, welche dem Lander Befehle erteilen, die der Optimierung der Energienutzung für das Heizsystem und der Kommunikation mit dem Orbiter dienen sollen. Sollte Philae diese ‚auf gut Glück‘ abgesetzten Kommandos tatsächlich empfangen, so würden diese auch dann durchgeführt, wenn sich Philae aufgrund immer noch zu geringer Energiereserven nicht gleich melden kann. Allerdings gehen die für die jetzige Horchkampagne verantwortlichen Mitarbeiter nicht unbedingt von einem unmittelbar eintretenden Erfolg aus.
„Am wahrscheinlichsten ist es zwar, dass Philae erst im Mai oder Juni aufwacht – allerdings wollen wir sein Aufwachen natürlich nicht verpassen, falls er bereits jetzt genügend Energie und eine ausreichend hohe Betriebstemperatur haben sollte“, so der für den Betrieb des Kometenlanders zuständige Projektleiter Dr. Stephan Ulamec vom DLR. „Umso mehr sich der Komet mit Philae auf seiner Oberfläche der Sonne nähert, desto größer sind die Chancen, dass er wieder aufwacht.“
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