Ein verborgener Ozean auf dem Saturnmond Mimas?

Bei der Auswertung von Beobachtungsdaten, welche die Umlaufbahn des Saturnmondes Mimas betreffen, stießen die beteiligten Wissenschaftler auf Ungereimtheiten. Die derzeit beste Erklärung hierfür ist, dass dieser lediglich knapp 400 Kilometer durchmessende Mond unter seiner Oberfläche einen Ozean aus flüssigem Wasser beherbergt.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL.

NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute
Die Raumsonde Cassini passierte den Saturnmond Mimas unter anderem am 13. Februar 2010. Das hier gezeigte Mosaik wurde aus sieben Einzelaufnahmen der NAC-Kamera des ISS-Kameraexperiments der Raumsonde zusammengesetzt und zeigt in der Bildmitte den etwa 130 Kilometer durchmessenden Krater Herschel. Dieses ungewöhnliche und zugleich an die Science-Fiction-Saga „Star Wars“ erinnernde Aussehen führte dazu, dass dieser Mond den inoffiziellen Beinahmen „Todesstern“ erhielt. Für die Fans dieser Weltraum-Saga ist in diesem Zusammenhang eventuell dieses kurze Video auf der Internetseite des Cassini Imaging Central Laboratory for Operations (CICLOPS) sehenswert.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute)

Nach einer Flugdauer von fast sieben Jahren und einer bis dahin zurückgelegten Distanz von mehr als drei Milliarden Kilometern trat die Raumsonde Cassini am 1. Juli 2004 in eine Umlaufbahn um den Saturn, dem zweitgrößten Planeten innerhalb unseres Sonnensystems, ein. In den folgenden zehn Jahren hat die Raumsonde den Saturn bis zum heutigen Tag 210 mal umkreist. Neben der Atmosphäre des Planeten, dessen komplexen Magnetfeld und dem Ringsystem gilt das Interesse der an dieser Mission beteiligten Wissenschaftler auch der Untersuchung der 62 bisher bekannten Monde des Saturn.

Bei einem dieser Monde handelt es sich um den am 17. September 1789 durch den Astronomen Wilhelm Herschel entdeckten Mond Mimas. Dieser mit einem Durchmesser von 396,6 Kilometern siebtgrößte Mond des Saturn umkreist seinen ‚Heimatplaneten‘ auf einer prograden, nahezu kreisförmig verlaufenden Umlaufbahn in einer Entfernung von 185.520 Kilometern zu dessen Zentrum innerhalb von 22 Stunden, 37 Minuten und 5,2 Sekunden. Die Umlaufbahn dieses Mondes weist dabei eine Exzentrizität mit einem Wert von lediglich 0,0202 auf und ist um 1,566 Grad gegen die Äquatorebene des Saturn und um 0,005 Grad gegenüber der eigenen Rotationsachse geneigt. Bedingt durch die niedrige Exzentrizität variiert die Umlaufbahn bezüglich der Entfernung zu Saturn um lediglich etwa 7.500 Kilometer. Aufgrund der sich durch diese Werte ergebenden gebundenen Rotation zeigt Mimas dem Saturn immer die gleiche Seite seiner Oberfläche.

Diese hier genannten Werte über die Umlaufbahn des Mondes Mimas, aber auch die entsprechenden Daten für die anderen inneren und zugleich größeren Saturnmonde sind den Astronomen bereits seit längerem bekannt – dabei aber keineswegs ‚in Stein gemeißelt‘. Speziell die Umlaufbahnen der inneren Monde des Saturn, welche über geringe Durchmesser verfügen und entsprechend wenig Masse aufweisen, unterliegen einer permanenten gravitativen Beeinflussung durch den Saturn und den anderen, mehr oder weniger in der unmittelbaren Nachbarschaft kreisenden Monden, was zu minimalen Veränderungen der jeweiligen Umlaufbahnen führen kann. Zwecks der Bestimmung ihrer präzisen Bahnparameter werden diese Monde deshalb bei sich ergebenden Möglichkeiten immer wieder mit der ISS-Kamera, einem der 12 wissenschaftlichen Instrumente an Bord von Cassini, im Rahmen von sogenannten ‚astrometrischen Beobachtungskampagnen‘ abgebildet.
Bei der Auswertung der Aufnahmen, welche in diesem Zusammenhang während der letzten Jahre von dem Mond Mimas angefertigt wurden, sind die an der Cassini-Mission beteiligten Wissenschaftler auf eine Ungereimtheit gestoßen. Mimas weist bei der Umkreisung des Saturn ein eigentümliches Umlaufverhalten auf, welches sich in Form einer minimalen ‚Taumelbewegung‘, die auch als Libration bezeichnet wird, bemerkbar macht. Diese Taumelbewegung wurde jetzt mit Modellen, welche sich mit dem vermuteten inneren Aufbau von Mimas beschäftigen, abgeglichen.

NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute
Diese Aufnahme fertigte die Weitwinkelkamera des ISS-Experiments der Raumsonde Cassini am 13. Juli 2014 an. Aus einer Entfernung von 1,8 Millionen Kilometern zum Saturn und 1,6 Millionen Kilometern zu Mimas ist dieser Mond dabei über der südlichen, zum Aufnahmezeitpunkt im Schatten der Saturnringe gelegenen Hemisphäre des Saturn erkennbar.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute)

„Unsere Daten deuten darauf hin, dass irgend etwas im Inneren von Mimas nicht ganz stimmen kann“, so Radwan Tajeddine von der Cornell University. „Die von uns beobachteten Taumelbewegungen fallen doppelt so stark aus, wie es die Modelle vorausgesagt haben.“

Um die gewonnenen Daten mit den Modellen in Einklang zu bringen sind zwei Szenarien denkbar. Zum einen könnte Mimas in seinem Inneren über einen in die Länge gezogenen und nicht etwa über einen – wie eigentlich zu erwartenden – mehr oder weniger kugelförmigen Kern verfügen. Dies wäre für die Wissenschaftler eine Überraschung, da man angesichts des Alters des Mondes, welches mehr als vier Milliarden Jahre betragen dürfte, eigentlich davon ausgeht, dass der Kern dieses Mondes bereits vor langer Zeit eine kugelförmige Gestalt angenommen haben sollte.

Ein verborgener Ozean unter der Oberfläche?
Wahrscheinlicher – und für die Planetenforscher zugleich auch faszinierender – ist dagegen die zweite Möglichkeit: Der Saturnmond Mimas könnte in einer Tiefe von etwa 24 bis 31 Kilometern unter seiner Oberfläche einen Ozean aus flüssigem Wasser beherbergen!

Auch dieses Szenario wäre allerdings eine Überraschung, da im Rahmen der bisherigen Untersuchungen auf der Oberfläche von Mimas keinerlei Hinweise auf irgendeine Form von geologischer Aktivität entdeckt wurden. Mit einem Durchmesser von weniger als 400 Kilometern ist Mimas zudem eindeutig zu klein, um in seinem Inneren eine Wärmequelle zu beherbergen, welche einen flüssigen Ozean möglich machen würde. Eine mögliche Erklärung für diesen Wiederspruch wäre, dass die Umlaufbahn von Mimas um den Saturn in der Vergangenheit deutlich langgezogener war als in der Gegenwart. Dies könnte dann zu erhöhten Gezeitenkräften und – dadurch bedingt – zu einer Freigabe von Wärmeenergie geführt haben. Ein vergleichbares Szenario dürfte für die gegenwärtig zu beobachtende Aktivität des Saturnmondes Enceladus verantwortlich sein.

NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute
Eine weitere Aufnahme von Mimas – diesmal am 20. Mai 2013 mit der Telekamera des ISS-Experiments angefertigt. Aus einer Entfernung von 200.000 Kilometern zu Mimas beträgt die Auflösung dabei etwa einen Kilometer pro Pixel.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute)

Trotz dieser Ungereimtheiten erscheint den Wissenschaftlern gegenwärtig das ‚Ozean-Modell‘ als die plausiblere Erklärung. Ein in die Länge gezogener Kern müsste sich eigentlich dadurch bemerkbar machen, dass der Mond Mimas eine andere, dann ebenfalls eher ovale Form einnimmt. Allerdings weisen die Wissenschaftler darauf hin, dass durch zusätzliche Daten eventuell noch alternative Modelle entwickelt werden können, welche diese ungewöhnlich starke Taumelbewegung erklären könnten. Hierbei setzen die Wissenschaftler um Radwan Tajeddine speziell auf weitere Daten der Raumsonde Cassini, welche in den kommenden Monaten und Jahren gesammelt werden sollen.
Die hier kurz vorgestellten Forschungsergebnisse wurden von Radwan Tajeddine et al. unter dem Titel „Constraints on Mimas’ interior from Cassini ISS libration measurements“ am 17. Oktober 2014 in der Fachzeitschrift „Science“ publiziert.

Die Mission Cassini-Huygens ist ein Gemeinschaftsprojekt der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA, der europäischen Weltraumagentur ESA und der italienischen Weltraumagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien, eine Abteilung des California Institute of Technology (Caltech), leitet die Mission im Auftrag des Direktorats für wissenschaftliche Missionen der NASA in Washington, DC. Nach dem derzeitigen Planungsstand soll Cassini den Saturn noch bis zum Jahr 2017 erkunden und am 15. September 2017 aufgrund des dann nahezu komplett aufgebrauchten Treibstoffvorrates kontrolliert in der Atmosphäre des Ringplaneten zum Absturz gebracht werden.

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