In einem Doppelsternsystem scheint einer der beiden Sterne so viel Masse an seinen Partner verloren zu haben, dass das nukleare Feuer erlosch.
Ein Beitrag von Axel Orth. Quelle: Gemini Observatorium.
Astronomen haben mit Hilfe der Teleskope Gemini-Nord und Keck II in ein Doppelsternsystem mit bewegter Vergangenheit gespäht und dabei heraus gefunden, dass einer der beiden Sterne so viel Masse an seinen Partner, einen so genannten „Weißen Zwerg“, verloren hat, dass er zu einem fremdartigen, inaktiven Objekt degeneriert ist, das keinem bekannten Sternentyp mehr entspricht.
Unfähig, das Nuklearfeuer in seinem Kern weiter zu nähren und mit dem Schicksal eines sehr viel energiereicheren Partners geschlagen, ist der tote Stern tatsächlich ein neuer, unbestimmter Typ eines stellaren Objekts.
„Ganz im klassischen Sinne, wie der gekränkte Partner in einer romantischen Beziehung, hat der Stern immer nur Materie an seinen stärkeren Partner abgegeben, und gegeben und gegeben und gegeben, bis er nichts mehr zu geben hatte“, sagt der Astronom Steve B. Howell, der das Projekt leitete. „Nun ist dieser Spenderstern an einem toten Punkt. Er ist viel zu massiv, um als Superplanet bezeichnet zu werden. Seine Zusammensetzung entspricht aber auch nicht der von Braunen Zwergen. Und er hat viel zu wenig Masse, um ein Stern zu sein. Es gibt einfach keine passende Kategorie für solch einen Zwitter“.
Das Doppelsternsystem, bekannt als „EF Eridanus“, kurz „EF Eri“, befindet sich 300 Lichtjahre von der Erde in der Konstellation Eridanus. EF Eri besteht aus einem kleinen Weißen Zwerg von etwa 60 Prozent der Masse der Sonne und aus dem unbestimmbaren Spenderobjekt, das nur noch über ca. 5 Prozent der Masse der Sonne verfügt.
Howell und sein Kollege Thomas E. Harrison machten im Dezember 2002 und September 2003 Hochpräzisions-Infrarotmessungen des Doppelsternsystems mit dem Near Infrared Imager (NIRI) von Gemini-Nord und dem NIRSPEC-Instrument von Keck II, beide auf dem Mauna Kea. Hinzu kamen unterstützende Beobachtungen mit dem 2,1-Meter-Teleskop am Kitt Peak-Nationalobservatorium im September 2002.
EF Eri gehört zu einer Klasse von Doppelsternsystemen, die man als „magnetische kataklysmische Veränderliche“ bezeichnet. Diese Systeme könnten wesentlich mehr solcher „toten“ Objekte produziert haben, als Wissenschaftler bisher wussten, sagt Harrison, Co-Autor eines Artikels über die Entdeckung, der in der Oktoberausgabe des „Astrophysical Journal“ veröffentlicht wird.
Der Weiße Zwerg ist der komprimierte, ausgebrannte Überrest eines Sterns vom Sonnentyp, der nun nur noch den Durchmesser der Erde hat, aber immerhin noch reichlich sichtbares Licht aussendet.
Howell und Harrison beobachteten EF Eri im Infraroten, weil infrarotes Licht aus dem System natürlich von Wärme- und noch langwelligeren Emissionen von dem Spenderobjekt dominiert wird.
Dieses infrarote Licht zu entschlüsseln, war Detektiv-Arbeit und wurde noch erheblich erschwert: Freie Elektronen rasen in Spiralbahnen entlang der Feldlinien des mächtigen Magnetfelds des Weißen Zwerges, das 14 Millionen mal so stark ist wie das der Sonne, und erzeugen dabei eine Zyklotron-Strahlung, die vorwiegend im Infrarotbereich des Spektrums emittiert wird.
Aus der Periode der Schwankung der Signale geht hervor, dass die beiden Objekte in nur 81 Minuten umeinander kreisen. Vor fünf Milliarden Jahren, als der Materietransfer wohl begann, dürfte die Umlaufzeit wahrscheinlich noch vier bis fünf Stunden betragen haben. Ursprünglich mag auch das Spenderobjekt eine ähnliche Größe wie die Sonne gehabt haben, mit vielleicht 50 bis 100 Prozent ihrer Masse.
„Wann der Materietransfer zwischen den Objekten begann, und warum er endete, ist uns beides unbekannt“, sagt Howell. Während dieses Prozesses gab es wahrscheinlich wiederholt mächtige Ausbrüche und Nova-Explosionen. Die Physik des Prozesses, bei dem das Spenderobjekt zu einem Körper von etwa der Größe des Jupiter verkümmerte, führte auch dazu, dass die beiden Objekte sich auf ihren Bahnen immer näher kamen. Jetzt befinden sie sich in etwa der doppelten Entfernung voneinander wie Erde und Mond. Da es sich aber um viel massigere Objekte handelt, mit entsprechend größerer Gravitationskraft, muss folglich auch die Umlaufzeit umeinander viel kürzer sein als bei Erde und Mond – eben die erwähnten 81 Minuten.
Howell betont, dass die kombinierte Beobachtungskraft des Gemini-Acht-Meter- und des Keck-Zehn-Meter-Spiegels ausschlaggebend war für die Feststellung, dass sowohl das Spektrum als auch die Zusammensetzung des Spenderobjekts keinem bekannten Typ von Braunem Zwerg oder Planeten entspricht. Damit ist es einmalig im bekannten Universum!
Derek Homeier von der Universität von Georgia erstellte eine Serie von Computermodellen, um die Bedingungen und die Entwicklung von EF Eri zu simulieren, aber selbst die besten von ihnen erklären die Beobachtungen nicht vollständig.
Die Form der Spektren deutet auf ein sehr kühles stellares Objekt hin (etwa 1.700 Kelvin, was einem kühlen Braunen Zwerg entspricht), allerdings haben sie nicht die selben detaillierten Formen wie sonst bei Braunen Zwergen. Die kühlsten normalen Sterne (vom M-Typ, mit sehr geringer Masse) liegen aber schon bei etwa 2.500 Kelvin. Der Planet Jupiter liegt hingegen bei eisigen 124 Kelvin. Die bisher entdeckten Exoplaneten, die ebenfalls die Größe des Jupiter haben beziehungsweise noch deutlich größer sind, dabei aber sehr viel näher um ihren Stern kreisen (was der Hauptgrund für ihre Entdeckung ist) und daher von dessen Gravitationskräften durchgewalkt und aufgeheizt werden, sind nun alles andere als eisig, sondern schätzungsweise 1.000 bis 1.600 Kelvin warm, weswegen man sie auch als „heiße Jupiter“ bezeichnet.
Alternativ zur These vom „ausgesaugten Stern“ ist zwar auch denkbar, dass das EF Eri-System ursprünglich aus einem normalen Stern und einem ihm sehr nahen Riesenplaneten bestanden haben könnte, der erstaunlicherweise die Entwicklung des Sterns zu dem Weißen Zwerg, den man heute sieht, überlebt hat. Aber das ist bei genauerer Betrachtung unwahrscheinlich.
„Uns sind etwa 15 ähnliche Systeme bekannt, aber keines ist bisher intensiv studiert worden“, sagt Howell. „Wir arbeiten gerade an einigen von ihnen, und versuchen, unsere Rechenmodelle zu verbessern, in Bezug auf Übereinstimmung mit den Beobachtungen.“
Weitere Co-Autoren dieser Veröffentlichung über EF Eridanus waren Paula Szkody von der Universität von Washington und Heather Osborne aus New Mexico.