Anzeichen sprechen für die Existenz eines Meeres auf Triton, einem Eismond, der um den Planeten Neptun kreist. Eine Flüssigkeitsansammlung auf einem Eismond? Wie ist das möglich?
Ein Beitrag von Lars-C. Depka. Quelle: Department of Geology, University of Maryland, Center for Scientific Computation and Applied Mathematical Modeling, University of Maryland, Applied Physics Laboratory, Johns Hopkins University, Laurel.
Großflächige, ja sogar globale liquide Ozeane unter der Oberfläche weit entfernter Himmelskörper des äußeren Sonnensystems rücken in den letzten Jahren immer weiter in den Fokus der Wissenschaftsgemeinde. Was vor etwa 10 Jahren noch undenkbar schien, hat sich hinsichtlich einiger Einsmonde wie Enceladus oder Europa zur aktuellen Lehrmeinung verfestigt, oder ist im Falle des Titans Gegenstand aktueller Diskussionen. Nun scheint es, als könne die Grenze der möglichen unterirdischen Flüssigkeitsansammlungen in unserem Sonnensystem noch weiter nach Außen verschoben werden.
Langsam wird es ein wenig heller über dem Horizont und ein neuer Tag beginnt auf Triton, dem mit Abstand größten Mond des Neptuns. Es wird wieder ein kalter Tag auf dem 2.700 km großen Mond werden, genauso wie der vorherige. Und der davor. Genauso, wie jeder Tag, seit Triton seinen Orbit um den Gasriesen Neptun eingenommen hat. Sogar die Vulkane auf der Mondoberfläche speien gefrorene Gase anstelle heißer Magmen. Doch es gibt ernst zu nehmende Anzeichen dafür, dass sich unter der mit -235°C kältesten Oberfläche des Sonnensystems etwas Überraschendes verbergen könnte: Ein flüssiger Ozean.
Auf den ersten Blick unterscheidet Triton vermutlich nichts von vielen anderen Eismonden der kalten Außenbereiche des Sonnensystems. Eine strukturlose, öde Welt, die den äußersten Planeten umkreist. Doch Triton scheint anderes. Er umkreist Neptun auf einer retrograden, fast perfekt kreisförmigen, jedoch mit 156° stark gegenüber dem Äquator des Planeten geneigten Umlaufbahn, in einem mittleren Abstand von 354.759 Kilometern.
Als rechtläufig oder prograd (lat. pro für „vor“ oder „vorwärts“ und gradus für„Schritt“) bezeichnet man in der Astronomie Objekte, die in einem rotierenden System der Hauptrotationsrichtung folgen. Entgegengesetzt umlaufende bzw. rotierende Objekte bezeichnet man als rückläufig oder retrograd (lat. retro „zurück“, „rückwärts“). Im Sonnensystem gelten solche Objekte als rechtläufig, die, aus Richtung des Nordpols der Ekliptik gesehen, entgegen dem Uhrzeigersinn rotieren bzw. ihren Zentralkörper umlaufen.
Als Folge der Entstehung des Sonnensystems bewegen sich alle Planeten, Pluto und der Asteroidengürtel auf einem rechtläufigen Orbit. Die Rotation der meisten größeren Körper des Sonnensystems erfolgt ebenfalls in rechtläufigem Sinn. Triton ist der einzige große Mond des Sonnensystems mit retrograder Orientierung. Dieses ungewöhnliche Verhalten lässt sich nur damit erklären, dass Triton ursprünglich nicht um Neptun kreiste. Aus entstehungsdynamischen Gründen können sich Satelliten nicht in retrograden Orbits um ihre Mutterkörper bilden.
Triton muss sein Dasein also an einem anderen Ort begonnen haben, bevor er durch Neptun eingefangen und in seinen aktuellen Orbit gezwungen wurde. Wohl ähnlich wie Pluto ist Tritons Oberfläche zu 55 % mit gefrorenem Stickstoff, zu 15–35 % mit Wassereis und zu 10–20 % mit Trockeneis bedeckt. Zudem konnte ein 0,1 % Methan- und 0,05 % Kohlenmonoxideis-Anteil bestimmt werden. Die Ähnlichkeit legt hinsichtlich des Entstehungsgebietes eine gewisse Verwandtschaft mit Pluto nahe. Vermutlich handelt es sich bei Triton also auch um ein Objekt vom inneren Rand des Kuiper-Gürtels.
Der Ablauf der Einbindung Tritons als Mond war über die Jahre Thema unterschiedlicher Theorien. Heute nimmt man an, dass er während einer Begegnung von drei Objekten an Neptun gebunden wurde. In diesem Szenario war Triton das Objekt eines Doppelsystems, das die heftige Begegnung mit Neptun überstanden hatte. Ein solches Szenario ist durchaus vorstellbar, denn Binäre Objekte, also gravitative Verbindungen von zwei Körpern, sind unter transneptunischen Objekten oft anzutreffen. Es wird vermutet, dass diese Eigenschaften auf weit mehr als 10 % aller Objekte dort zutreffen. Die bekanntesten Vertreter der Paarkonstellationen bei Transneptunobjekten sind sicherlich Pluto und Charon.
Eingefangene Körper wie Triton starten ihre Existenz am neuen Ort in hoch elongierten (langgezogenen) bzw. exzentrischen Orbits. Durch gravitative Interaktionen und Gezeitenreibung mit ihrem assoziierten Planeten verlassen Objekte von Tritongröße allerdings in astronomisch kurzen Zeiträumen diese Bahnen und werden durch Energieverlust in einen zunehmend kreisrunden Orbit geschleppt. Und tatsächlich umkreist Triton Neptun auf einer fast perfekt kreisförmigen Umlaufbahn. Ein Einschleifungsprozess wie dieser setzt beträchtliche Energie frei, die den eingebremsten Körper aufheizt.
Modellrechnungen legen den Schluss nahe, dass das zu erwartende Energieniveau ausreichend gewesen sein muss, um Triton nicht nur oberflächennah, sondern tief bis in den Kernbereich des Mondes hinein zu erwärmen, bevor er wieder zu seinem jetzt beobachteten starren Stadium abkühlte. Darüber hinaus umläuft Triton seinen Planeten innerhalb eines kritischen Abstandes, wodurch er auch heute noch stark den Gezeitenkräften des Gasplaneten ausgesetzt ist. Da sich Triton Neptun weiter annähert, wird er nach Berechnungen in 100 Millionen Jahren die Roche-Grenze nach innen passieren und zerrissen werden, da die Gravitationskräfte, die den Mond zusammenhalten den dann immer höher anwachsenden Gezeitenkräften nicht mehr standhalten können. Seine Bestandteile werden schließlich ein größeres Ringsystem, ähnlich dem des Saturns, um Neptun bilden.
Weiter verfeinerte Modelle berücksichtigen die durch die Gezeitenreibung noch heute erzeugte Wärme, sowie die Zerfallsenergie, die beim radioaktiven Zerfall von instabilen Atomkernen im Kern des Mondes frei wird. Sie ist um einige Größenordnungen höher, als die Energie, die durch die Gezeitenkräfte beigesteuert wird. Alleine war sie aber nicht in der Lage, die äußeren Kernschichten des Mondes über die vergangenen 4,5 Mrd. Jahre vor dem Gefrieren zu bewahren.
Den kleinen aber entscheidenden Unterschied – so zeigen die verfeinerten Modelle – liefert dann tatsächlich die räumliche Nähe des Mondes zum Planeten, die erst die notwendige Gezeitenreibung ermöglicht und den Berechnungen zufolge so einen großen Teil des Eismantels in flüssigem Zustand hält. Der unterirdische Tritonozean benötigt für sein Überleben einen kreisrunden Orbit, der in einem Radius von etwa 350.000 km stabil bleibt.
Durch große Mengen Ammoniak, die im Ozean gelöst sind, wird der Gefrierpunkt des Wassers substantiell auf etwa -90°C herabgesetzt. Im Vergleich mit den doppelt so niedrigen Temperaturen der Kohlenwasserstoffseen auf Titan ein fast schon angenehmer Wert. Während die Gewässer auf Triton also die vermeintlich sonnenfernsten sind, sind sie doch noch längst nicht die kältesten.
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