Durch Beobachtungen mit dem ALMA-Teleskopverbund haben Astronomen in der den Stern Beta Pictoris umgebenden Staubscheibe große Mengen an Kohlenstoffmonoxid entdeckt. Das Vorkommen und die Verteilung des Gases in der Scheibe lassen sich am besten durch die häufig erfolgenden Kollisionen von eishaltigen Objekten wie etwa Kometen erklären. Alternativ sind dort erst kürzlich zwei etwa marsgroße Planeten kollidiert.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO, Science.
Das System des rund 63 Lichtjahre von der Erde entfernt gelegenen Stern Beta Pictoris wird von den Astronomen als ein ursprüngliches, noch in der Entstehungsphase befindliches Planetensystem angesehen. Bereits im Jahr 1983 konnte mit dem Infrarotsatelliten IRAS eine Trümmerscheibe entdeckt werden, welche diesen Stern umgibt und die über einen Durchmesser von bis zu 400 Astronomischen Einheiten (kurz „AE“) – eine AE entspricht der Entfernung zwischen Erde und Sonne – verfügt. Beta Pictoris war einer der ersten Sterne, bei denen eine solche Scheibe nachgewiesen werden konnte.
Seit dem Jahr 2008 ist zudem bekannt, dass sich innerhalb dieser Scheibe ein Exoplanet um den Stern bewegt. Beta Pictoris b – so der Name dieses Planeten – verfügt in etwa über die siebenfache Masse des Planeten Jupiter und umrundet seinen Stern in einer mittleren Entfernung von rund 8,5 Astronomischen Einheiten (1,275 Milliarden Kilometern). Der Exoplanet konnte in der Vergangenheit bereits mehrfach mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) direkt abgebildet werden.
Kohlenstoffmonoxid in der Trümmerscheibe
Beobachtungen mit dem in den südchilenischen Anden gelegenen Radioteleskopkomplex ALMA haben zudem gezeigt, dass die Scheibe von größeren Mengen des Gases Kohlenstoffmonoxid durchsetzt ist. Dieses Gas wird allerdings durch die Strahlung, welche von dem Stern ausgeht, relativ schnell in seine einzelnen Bestandteile aufgespalten. Die Berechnungen der an den Untersuchungen beteiligten Astronomen haben ergeben, dass sich das Gas in dem Bereich der Scheibe von Beta Pictoris, wo es beobachtet wurde, über einen Zeitraum von lediglich etwa 100 Jahren halten kann.
Die Detektion von Kohlenstoffmonoxid in der weniger als 20 Millionen Jahre alten Trümmerscheibe von Beta Pictoris war daher für die Wissenschaftler ein völlig unerwartetes Ergebnis ihrer Arbeit. Allerdings kommt dabei auch die Frage auf, woher dieses Gas stammt und warum es immer noch dort vorhanden ist.
„Sofern wir Beta Pictoris nicht gerade in einer besonders ungewöhnlichen Phase beobachten, muss das Kohlenstoffmonoxid kontinuierlich aufgefüllt werden“, so William Dent, ESO-Astronom am Joint ALMA Office in Santiago de Chile und Erstautor eines am vergangenen Donnerstag in der Fachzeitschrift ‚Science‘ veröffentlichten Artikels. „Die häufigsten Quellen für Kohlenstoffmonoxid in einem jungen Sonnensystem sind Zusammenstöße zwischen eishaltigen Objekten, die von Kometen bis hin zu größeren, planetenartigen Objekten reichen.“
Aus unserem Sonnensystem ist bekannt, dass Kometenkerne verschiedene gefrorene Gase wie zum Beispiel Kohlenstoffmonoxid, Kohlenstoffdioxid und Methan enthalten. Der häufigste Bestandteil besteht jedoch eine Mischung aus Staub und Wassereis. Die derzeit im Sternsystem von Beta Pictoris auftretende Rate an Kometen-Kollisionen muss allerdings extrem hoch ausfallen, um den dort ermittelten Anteil an Kohlenstoffmonoxid erklären zu können.
„Um die beobachtete Menge an Kohlenstoffmonoxid zu erhalten, müsste die Kollisionsrate in der Tat erstaunlich hoch sein – eine große Kometenkollision alle fünf Minuten“, ergänzt Aki Roberge, NASA-Astronom am Goddard Research Center in Greenbelt/USA und Koautor des entsprechenden Fachartikels. „Und um diese Kollisionsrate aufrechtzuerhalten, müsste es sich um einen sehr dichten, massereichen Kometenschwarm handeln.“
Eine Konzentration des Gases in 85 AE Entfernung zu dem Stern
In den ALMA-Daten stießen die Astronomen jedoch noch auf eine weitere Überraschung, denn sie konnten nicht nur das Kohlenstoffmonoxid nachweisen, sondern auch dessen Verteilung innerhalb der Trümmerscheibe ermitteln. Hierbei ergab sich, dass ein großer Teil dieses Gases, nämlich bis zu 30 Prozent, offenbar in einem einzigen kompakten „Klumpen“ konzentriert ist. Diese Konzentration befindet sich 13 Milliarden Kilometer vom Stern entfernt, was in etwa der dreifachen Entfernung zwischen dem Planeten Neptun und der Sonne entspricht, um umläuft den Stern auf einer Bahnebene, welche über die gleiche Neigung wie der Planet Beta Pictoris b verfügt. Warum sich das Gas in diesem kleinen Bereich konzentriert hat, konnte bisher allerdings noch nicht abschließend geklärt werden.
Diese Gaskonzentration liefere jedoch wichtige Hinweise auf die Vorgänge in den Außenbereichen dieses noch relativ jungen Planetensystems, so Mark Wyatt von der University of Cambridge in Großbritannien, der ebenfalls an den Untersuchungen mitgewirkt hat. Demzufolge gibt es zwei denkbare Möglichkeiten, welche zu der Bildung dieser asymmetrischen Gaskonzentration geführt haben könnten.
Zum einen, so die Astronomen, könnten die Kometenkollisionen durch die gravitativen Anziehungskräfte eines bisher noch nicht entdeckten Planeten auf eine kleine Region innerhalb der Scheibe konzentriert werden. Dieser hypothetische Planet, welcher in etwa über eine Saturnähnliche Masse verfügen müsste, würde dabei als eine Art „Schäferplanet“ fungieren.
Oder aber: „Das, was wir hier sehen, ist der Überrest einer einzigen katastrophalen Kollision zweier marsähnlicher Eisplaneten“, so Mark Wyatt weiter. Derartige Kollisionen von Planetesimalen und Protoplaneten sind nach dem derzeitigen Stand der Theorien über die Bildung von Planetensystemen nicht ungewöhnlich und haben sich auch bei der Entstehung unseres eigenen Sonnensystems ereignet.
Beide Möglichkeiten geben den Astronomen Anlass zu der Hoffnung, dass neben dem Exoplaneten Beta Pictoris b noch weitere Planeten in diesem Sternsystem auf ihre Entdeckung warten. Diese Hoffnung wird auch durch den Aufbau der Trümmerscheibe gestützt, welche über zahlreiche Lücken verfügt, in denen weitere bereits fertig entwickelte oder noch in der Entstehungsphase befindliche Exoplaneten ihre Bahnen um den Zentralstern ziehen könnten.
Weitere Untersuchungen
Zukünftig wollen die Astronomen deshalb mit dem ALMA-Teleskopverbund zusätzliche Beobachtungen durchführen, um weitere Einblicke in dieses interessante Planetensystem zu erhalten. Der zwischen der Infrarot-Strahlung und der Radiostrahlung liegende Wellenlängen-Bereich, in dem das ALMA-Teleskop den Weltraum untersucht, eignet sich besonders gut für die Analyse von Regionen, in denen sich gerade Sterne und Planeten entwickeln.
Die dabei zu gewinnenden Ergebnisse sollen den Astronomen letztendlich dabei helfen, die Bedingungen besser zu verstehen, welche vor rund 4,5 Milliarden Jahren während der Entstehung unseres Sonnensystems geherrscht haben und welche Prozesse sich dabei abgespielt haben.
Die hier kurz vorgestellten Forschungsergebnisse wurden am 6. März 2014 von William R. F. Dent et al. unter dem Titel „Molecular Gas Clumps from the Destruction of Icy Bodies in the Beta Pictoris Debris Disk“ in der Fachzeitschrift ‚Science‘ publiziert.
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