Ein Flussbett auf dem Titan

Die Raumsonde Cassini hat eine Radaraufnahme des Saturnmondes Titan zur Erde übermittelt, auf der Wissenschaftler ein etwa 400 Kilometer langes Flussbett entdecken konnten. Dieses Flussbett, welches eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Nil auf der Erde aufweist, ist offenbar mit flüssigen Kohlenwasserstoffverbindungen gefüllt.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL, ESA.

NASA, JPL-Caltech
Zwei Aufnahmen des Nil in der Nähe des vierten Kataraktes im Sudan. Die obere Aufnahme wurde im November 1995 von Bord des Space Shuttles Columbia aufgenommen. Die untere Aufnahme zeigt ein Radarbild, welches im April 1994 im Rahmen einer Mission des Shuttles Endeavour angefertigt wurde.
(Bild: NASA, JPL-Caltech)

Der 5.150 Kilometer durchmessende Mond Titan, der größte der derzeit 62 bekannten Monde des Saturn, ist von einer dichten Atmosphäre umgeben, welche sich mit einem Anteil von 98,4 Prozent fast ausschließlich aus Stickstoff zusammensetzt. Neben dem Edelgas Argon und der Kohlenwasserstoffverbindung Methan konnten dort in der Vergangenheit zudem mehr als ein Dutzend organischer Verbindungen wie zum Beispiel Ethin, Ethan, Propan und Cyanwasserstoff nachgewiesen werden.

NASA, JPL-Caltech, ASI
Auf dieser Radar-Aufnahme der Raumsonde Cassini ist ein Flusslauf erkennbar, welcher sich – von Süden kommend – in einen Methansee in der Nähe des Nordpols des Saturnmondes Titan erstreckt. Norden befindet sich oben im Bild.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, ASI)

Die eingehende Untersuchung der Titanatmosphäre und der gegenwärtig dort ablaufenden Prozesse ist einer der Forschungsschwerpunkte der Saturnmission Cassini, denn allgemein wird vermutet, dass die dort ablaufenden Prozesse den Vorgängen ähneln, welche sich vor mehreren Milliarden von Jahren in der Uratmosphäre der Erde abgespielt haben.

In den letzten Jahren haben sich die Hinweise darauf verdichtet, dass auf dem Titan ein regelrechter Flüssigkeitskreislauf stattfindet, welcher im Gegensatz zu dem vergleichbaren Kreislauf auf der Erde allerdings nicht auf Wasser basiert. Bei Temperaturen von etwa minus 180 Grad Celsius regnen Methan und Ethan aus den Wolken ab, welche sich anschließend in ausgedehnten Abflusssystemen sammeln, von wo aus diese flüssigen Kohlenwasserstoffverbindungen zu verschiedenen Seen transportiert werden. Derzeit sind den Planetenforschern etwa 400 Seen auf der Titanoberfläche bekannt, welche sich größtenteils auf der nördlichen Hemisphäre des Mondes befinden.

Während ihres Saturnorbits Nummer 173 passierte die Raumsonde Cassini am 26. September 2012 den Titan in einer Entfernung von lediglich 956 Kilometern. Zum Zeitpunkt der dichtesten Annäherung an den Mond wurde das RADAR-Instrument, hierbei handelt es sich um eines der 12 wissenschaftlichen Instrumente an Bord des Saturnorbiters, dazu eingesetzt, um Teilbereiche der Nordpolregion des Titan abzubilden (Raumfahrer.net berichtete).

Auf den dabei gewonnenen Radarbildern konnten die beteiligten Wissenschaftler eine Oberflächenstruktur identifizieren, welche sich wie eine verkleinerte extraterrestrische Ausgabe des längsten Flusses auf der Erde, des rund 6.800 Kilometer langen Nil präsentiert.

Der neu entdeckte Flusslauf auf dem Titan erstreckt sich von seinem Quellgebiet über eine Länge von rund 400 Kilometern und mündet schließlich in den Ligeia Mare.

Bei diesem etwa 500 Kilometer durchmessenden, bei 79 Grad nördlicher Breite und 248 Grad westlicher Länge gelegenen See handelt es sich um einen der drei größten Seen in der Nordpolregion des Titan. Dies, so die beteiligten Wissenschaftler, ist das erste Mal, dass ein solch großer Flusslauf außerhalb der Erde in einer so guten Auflösung dokumentiert werden konnte.

Die Planetenforscher gehen davon aus, dass der Flusslauf zum Aufnahmezeitpunkt mit flüssigen Kohlenwasserstoffen gefüllt war. Diese Schlussfolgerung ergibt sich aufgrund der Tatsache, dass der Fluss auf den hochaufgelösten Radaraufnahmen in seinem gesamten Verlauf sehr „dunkel“ erscheint. Diese dunkle Färbung deutet auf eine extrem glatte Oberfläche hin, welche eigentlich nur durch das gegenwärtige Vorhandensein eine Flüssigkeit erklärt werden kann. Des Weiteren lässt der Verlauf des Flusses auf das Vorhandensein einer geologischen Störungszone in diesem Bereich der Titanoberfläche schließen.

„Es treten zwar einige lokal begrenzte mäanderförmig verlaufende Abweichungen auf, aber generell fließt dieser Fluss geradlinig. Dies lässt vermuten, dass der Fluss einer [geologischen] Störung auf der Titanoberfläche folgt“, so Jani Radebaugh von der Bingham University/USA. „Solche Störungszonen müssen allerdings nicht unbedingt auf das Vorhandensein einer Plattentektonik hindeuten, wie wir sie von der Erde her kennen.“

Hier kommt auch der von den Cassini-Wissenschaftlern angewandte Vergleich mit dem Nil in Ostafrika ins Spiel. Die Prozesse, welche einstmals zur Entstehung des Nils führten sind komplex. Allerdings sind für den Verlauf des Nil unter anderem auch verschiedene geologische Störungszonen verantwortlich.

„Neben der Erde ist der Titan der einzige Ort, auf dem ein geschlossener Flüssigkeitskreislauf stattfindet“, so Steve Wall vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien, der stellvertretende Team-Leiter des RADAR-Instrumentes an Bord der Raumsonde Cassini. „Dieses Bild zeigt uns eine Momentaufnahme von einer sich in Bewegung befindlichen Welt. Regen fällt auf die Oberfläche und wird durch Flüsse zu Seen und Meeren transportiert, wo der Kreislauf durch die dort erfolgende Verdunstung von Neuem beginnt.“
„Erstmals konnten Hinweise auf einen solchen Flüssigkeitskreislauf auf den Bildern der von der ESA betriebenen Landesonde Huygens gesehen werden, welche im Jahr 2005 die Oberfläche des Titan erreichte und uns dabei Bilder von Kanälen und Rinnen übermittelte“, so Nicolas Altobelli, Cassini-Projektwissenschaftler der ESA.
Die Mission Cassini-Huygens ist ein Gemeinschaftsprojekt der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA, der europäischen Weltraumagentur ESA und der italienischen Weltraumagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien, eine Abteilung des California Institute of Technology (Caltech), leitet die Mission im Auftrag des Direktorats für wissenschaftliche Missionen der NASA in Washington, DC. Nach dem derzeitigen Planungsstand soll Cassini den Saturn noch bis zum Jahr 2017 erkunden und am 15. September 2017 aufgrund des dann aufgebrauchten Treibstoffvorrates kontrolliert in der Atmosphäre des Ringplaneten zum Absturz gebracht werden.

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