Ein Exoplanet mit einem Kometenschweif

Neue Untersuchungsergebnisse des Exoplaneten HD 209458b bestätigen, dass dieser Planet aus der Klasse der „Hot Jupiters“ im Laufe der Zeit aufgrund der extremen Nähe zu seinem Zentralstern seine Atmosphäre verliert. Der vom Planeten ausgehende Gasstrom bildet dabei einen Schweif aus, wie er uns aus unserem Sonnensystem auch von den Kometen her bekannt ist.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: NASA, Hubble News Release. Vertont von Peter Rittinger.

Bis zum 19. Juli 2010 gelang den Astronomen der Nachweis von 464 Exoplaneten, welche außerhalb unseres Sonnensystems ihre jeweiligen Muttersterne umrunden. Eine der dabei angewandten Nachweismethoden für diese Planeten ist die sogenannte Transitmethode. Sobald ein Exoplanet von der Erde aus gesehen direkt vor seinem Mutterstern vorbeizieht, nimmt die Helligkeit des beobachteten Sterns um einen winzigen Bruchteil ab, da der Planet einen Teil des von seinem Zentralgestirn ausgehenden Lichts abschirmt. Je größer der dabei beobachtete Exoplanet ausfällt beziehungsweise je enger dessen Umlaufbahn um den Stern ist, umso größer wird auch der Anteil der dabei verdeckten Sternoberfläche und umso stärker nimmt dadurch die Helligkeit des bedeckten Sterns ab. Durch Messungen, welche bei diesen Ereignissen durchgeführt werden, können dabei auch die Atmosphären dieser „Transit-Planeten“ untersucht werden.

TEP-Network, H. Deeg, Carrido
Diese Lichtkurve des Exoplaneten HD 209458b wurde in der Nacht vom 26. auf den 27. Juli 2000 am 0,9-Meter-Teleskop in Sierra Nevada aufgenommen.
(Bild: TEP-Network, H. Deeg, Carrido)

Der erste Planet, welcher mit dieser Methode nachgewiesen werden konnte, war der mittlerweile relativ gut untersuchte Exoplanet HD 209458b. Am 7. November 1999 konnte beobachtet werden, wie sich die Helligkeit des im Sternbild Pegasus gelegenen und rund 153 Lichtjahre von unserem Sonnensystem entfernten Sterns HD 209458 für einen Zeitraum von etwa drei Stunden um den minimalen Wert von rund 1,7 Prozent verringerte. Diese Beobachtung konnte damals der Astronom Greg Henry am Fairborn-Observatorium/USA aufgrund der Berechnungen eines von Geoffrey Marcy, Professor an der Universität von Kalifornien, geleiteten Astronomen-Teams durchführen.

In den darauffolgenden Jahren entwickelten sich der Stern HD 209458 und sein ihn umrundender Planet zu einem beliebten Beobachtungsziel der Astronomen. Der Stern, so die bisher gewonnenen Resultate, ist unserer Sonne sehr ähnlich. Bei einem lediglich rund 15 Prozent größeren Durchmesser verfügt er in etwa über die gleiche Masse und eine ähnliche Spektralklasse (G0 V). Mit einem Alter von etwa fünf Milliarden Jahren ist er allerdings etwas älter als unser Zentralgestirn.

Der dort entdeckte Exoplanet HD 209458b, auch unter seinem inoffiziellen Namen „Osiris“ bekannt, umrundet seinen Zentralstern innerhalb von lediglich etwa 3,5 Tagen. Wegen der daraus resultierenden großen Nähe zu seinem Mutterstern heizt sich die dem Stern zugewandte Seite der Oberfläche des Exoplaneten dabei laut der erstellten Modelle auf einen Wert von rund 1.100 Grad Celsius auf. Da der Planet zudem in etwa die Masse des größten Planeten unseres Sonnensystems, des Jupiters, aufweist, wird er der Klasse der sogenannten Hot Jupiters zugerechnet.

NASA, ESA, G. Bacon (STScI)
Eine künstlerische Darstellung des kometenartigen Schweifs, welcher der Exoplanet HD 209458b hinter sich „herzieht“.
(Bild: NASA, ESA, G. Bacon (STScI))

Wegen der hohen Temperaturen auf der Oberfläche des Exoplaneten vermuteten die Forscher schon seit längerem, dass dieser und andere „Hot Jupiters“ größere Mengen an Gas verlieren könnten, die aus deren Atmosphären in das die Exoplaneten umgebende Weltall entweichen. Bereits im Jahr 2003 hatte es dabei aufgrund von Datenanalysen erste Hinweise auf Gasströme gegeben, welche von HD 209458b entweichen. So zeigten Daten, welche durch den Space Telescope Imaging Spectrograph (STIS) des Hubble Space Telescopes gesammelt wurden, eine aktive, sich verflüchtigende Atmosphäre des Exoplaneten.

Ein Wissenschaftlerteam unter der Leitung von Alfred Vidal-Madjar vom Institut für Astrophysik des CNRS in Paris/Frankreich entdeckte dabei einen überraschenden Abfall in der Wasserstoffemission des Zentralsterns, wofür das Vorhandensein einer extrem ausgedehnten Atmosphäre des Exoplaneten die beste Erklärung darstellte. Die äußere Atmosphäre des Exoplaneten, so die Vermutung, wird dabei durch den nur etwa sieben Millionen Kilometer entfernten Stern so stark erhitzt und ausgedehnt, dass sie beginnt, sich der Anziehungskraft des Planeten zu entziehen. Unter dem Einfluss der von dem Stern ausgehender Wärmestrahlung verdampft dabei der Wasserstoff in der oberen Atmosphärenschicht des Planeten. Allerdings ließ sich mit den damaligen Daten nicht eindeutig klären, ob der Planet im Rahmen dieses Prozesses auch einen Gasschweif ausbildet, welcher ihm wie ein Kometenschweif folgt, da das STIS-Instrument nicht in der Lage war, die hierfür nötigen spektroskopischen Details darzustellen.

Erst jetzt gelang es einem anderen Wissenschaftlerteam um Jeffrey Linsky von der University of Colorado in Boulder/USA, mit Hilfe von weiteren Daten, welche durch den „Cosmic Origins Spectrograph“ (COS) an Bord des Hubble Space Telescopes gewonnen wurden, nachzuweisen, dass der Exoplanet HD 209458b tatsächlich Materie verliert, welche sich anschließend „hinter“ dem Planeten ansammelt und von dort ausgehend wie ein Kometenschweif in den umgebenden Raum erstreckt.

ESA, NASA, Alfred Vidal-Madjar (Institut d'Astrophysique de Paris, CNRS, France)
Bereits im Jahr 2003 vermuteten Wissenschaftler, dass der Exoplanet HD 209458b seine Atmosphäre verliert und diese wie ein Kometenschweif von dem Planeten wegströmt. Hier eine weitere künstlerische Darstellung.
(Bild: ESA, NASA, Alfred Vidal-Madjar (Institut d’Astrophysique de Paris, CNRS, France))

„Seit 2003 haben Wissenschaftler vermutet, dass sich aus dem Material, welches dem Planeten verlorengeht, ein Schweif bilden könnte. Und sie haben dabei sogar berechnet, wie dieser Schweif aussehen muss“, so Jeffrey Linsky. „Wir sind der Meinung, dass wir mit unseren Beobachtungsergebnissen die bisher besten Beweise liefern konnten, welche diese Theorie bestätigen.“ Der Vorteil der durch das COS-Instrument durchgeführten Messungen besteht dabei darin, das mit diesem Spektrographen auch Untersuchungen im ultravioletten Bereich des Lichtes möglich sind. Durch diese UV-Daten gelang dann auch der Nachweis des von den Wissenschaftlern beschriebenen „Kometen“-Schweifs.

Detaillierte Auswertungen der Lichtkurven einzelner Planetentransits im September und Oktober 2009 erbrachten dabei den Nachweis, dass der Exoplanet von einer ausgedehnten Atmosphäre umgeben ist. Bei einem solchen Transitereignis reduziert diese Atmosphäre die Helligkeit des Sterns im ultravioletten Licht um bis zu acht Prozent, während der Lichtabfall im Bereich des sichtbaren Lichtes zum gleichen Zeitpunkt lediglich etwa 1,5 Prozent beträgt.

COS konnte bei diesen Analysen zudem die Elemente Kohlenstoff und Silizium nachweisen. Dies wird als ein Hinweis darauf interpretiert, dass der Zentralstern seinen Planeten auf dessen engen Orbitbahn derart stark aufheizt, dass sogar relativ schwere Elemente aus dessen tieferen Atmosphärenschichten durch Konvektionsströmungen in die oberen Schichten der Atmosphäre befördert werden und schließlich vom Planeten entweichen. Möglich wurden diese Messergebnisse durch die Kombination der sehr hohen Empfindlichkeit des COS-Spektrometers und dessen guter Spektralauflösung.

Aus den gewonnenen Daten lässt sich zusätzlich die Geschwindigkeit und Richtung ableiten, mit der sich das von dem Planeten ausströmende Material bewegt. „Wir haben festgestellt, dass das Gas mit hoher Geschwindigkeit entweicht. Ein großer Teil davon bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von rund zehn Kilometern pro Sekunde auf uns zu“, so Linsky. „Die beste Interpretation hierfür ist, dass wir die Geschwindigkeit von Material in einem kometenartigen Schweif gemessen haben.“

Das Gas wird dabei vom Sternwind, welcher von Zentralstern HD 209458 ausgeht, aufgenommen und dabei zu einem langen Gasschweif auseinandergezogen, welcher sich von dem Exoplaneten wegbewegt. Im speziellen Falle eines Transits, der Exoplanet befindet sich dabei genau zwischen seinem Zentralstern und unserem Sonnensystem, bewegt sich der Gasschweif dabei genau in Richtung auf die Erde zu. Dabei dürfte sich für einen nahen Betrachter ein Anblick ergeben, wie er uns aus unserem Sonnensystem von einem Kometen vertraut ist. Die hier kurz vorgestellten Ergebnisse wurden am 10. Juli 2010 in der Fachzeitschrift „Astrophysical Journal“ veröffentlicht.

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