Der Mars Reconnaissance Orbiter hat nach seiner Ankunft beim Roten Planeten am Donnerstag mit dem mehrere Monate dauernden Aerobraking begonnen.
Autor: Michael Stein. Vertont von Dominik Mayer.
Seit dem ersten erfolgreichen Versuch der amerikanischen Venus-Sonde Magellan im Sommer 1993, mit Hilfe von wiederholten Flügen durch die oberen Schichten einer Planetenatmosphäre die Umlaufbahn eines Orbiters zu verändern, stehen die so genannten „Aerobraking“-Manöver bei der NASA hoch im Kurs. Seinerzeit flog Magellan gegen Ende seiner Beobachtungsmission gut zweieinhalb Monate lang kontrolliert bei jedem Umlauf durch die obersten Schichten der Venusatmosphäre und konnte dadurch die Dauer für einen Orbit um mehr als die Hälfte reduzieren. Der Charme dieses Vorgehens liegt darin, dass es unter Ausnutzung des Luftwiderstandes mit dieser Methode möglich ist, mit nur minimalstem Treibstoffeinsatz, die Umlaufbahn eines Orbiters deutlich zu verändern. Eingesparter Treibstoff wiederum bedeutet eingespartes Gewicht, was entweder für andere Zwecke genutzt werden kann oder den Einsatz kleinerer und damit finanziell günstigerer Trägerraketen erlaubt – die dadurch erzielbaren Einsparungen liegen üblicherweise im zweistelligen Millionenbereich!
Aus diesem Grund nimmt die NASA bei ihren Marsorbitern das mit einem Aerobraking verbundene Risiko und die notwendige monatelange „Bremsphase“ in Kauf: Sowohl der seit 1997 den Mars umkreisende Mars Global Surveyor (MGS) wie auch der 2001 dort eingetroffene Orbiter 2001 Mars Odyssey haben mit Hilfe des Aerobraking erfolgreich ihre anfänglich sehr elliptische Umlaufbahn in den gewünschten annähernd kreisförmigen Beobachtungsorbit überführt. Allerdings dauerte dieser Prozess beim MGS aufgrund eines angeschlagenen „Sonnenflügel“-Gelenks 18 statt der geplanten sechs Monate, bei Mars Odyssey ging es mit rund einem halben Jahr deutlich schneller.
Auch der Mars Reconnaissance Orbiter (MRO) hat nun vor einigen Tagen damit begonnen, bei jedem Umlauf durch die oberen, sehr dünnen Schichten der Marsatmosphäre zu fliegen, um seinen extrem elliptischen 35-Stunden-Orbit in einen beinahe kreisförmigen Zwei-Stunden-Orbit umzuwandeln. Die Aerobraking-Phase startete am vergangenen Donnerstag mit einer 58-sekündigen Zündung der sechs Haupttriebwerke des Orbiters am planetenfernsten Punkt seiner Umlaufbahn (dem so genannten „Apoapsis“) in über 43.000 Kilometern Höhe über der Marsoberfläche. Durch dieses Manöver wurde der planetennächste Punkt der Umlaufbahn („Periapsis“) von 426 Kilometer auf 333 Kilometer abgesenkt. Noch fliegt der Orbiter damit nicht niedrig genug, um die Marsatmosphäre zu erreichen, doch mit Hilfe weiterer Bahnkorrekturen wird dieser Punkt in der kommenden Woche erreicht sein.
Dann beginnt für das Missionsteam beim Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Kalifornien eine überaus anstrengende Zeit: „Wir müssen sicher sein, dass wir nicht zu tief eintauchen, weil dies einzelne Teile des Orbiters überhitzen könnte“, erläutert Dr. Daniel Kubitschek, Leiter der Aerobraking-Phase beim JPL, die riskante Aufgabe. „Die größte Herausforderung ist die sich ständig ändernde Atmosphäre.“ Durch verschiedene Faktoren, wie beispielsweise der nicht immer konstanten Sonneneinstrahlung, bläht sich die Marsatmosphäre in unregelmäßigen Abständen etwas auf, um dann irgendwann wieder zu schrumpfen. Diese Veränderungen haben natürlich auch Einfluss auf die Dichte der Luftschichten, durch die MRO beim Aerobraking fliegt. Ein weiteres Risiko beim Flug durch die obersten Atmosphärenschichten bilden Staubstürme, die ebenfalls die Luftdichte beeinflussen können. Daher werden in erster Linie die beiden schon länger um den Mars kreisenden amerikanischen Orbiter Daten über den aktuellen Zustand der Marsatmosphäre an das MRO-Team liefern, damit der tiefste Punkt des Orbits bei Bedarf verändert werden kann. Mit Hilfe von Beschleunigungsmessern an Bord der Raumsonde kann bei jedem Flug durch die Marsatmosphäre verfolgt werden, ob die Abbremsung des Orbiters durch den Luftwiderstand noch im zulässigen Rahmen liegt oder ob der Periapsis verändert werden muss.
Das Aerobraking-Team rechnet damit, nach ungefähr 550 Flügen durch die Marsatmosphäre den gewünschten Beobachtungsorbit erreicht zu haben. Zu Beginn ist die Kontrolle des Orbiters beim Aerobraking noch eine relativ lockere Aufgabe, da zwischen den einzelnen Kontakten mit der marsianischen Luftschicht etwa 30 Stunden liegen. Mit dem sich stetig verringernden Orbit allerdings sinkt auch die Zeit zwischen zwei Atmosphärendurchflügen beständig: Schon im August wird MRO nach derzeitiger Planung viermal täglich die Atmosphäre durchfliegen, was natürlich eine entsprechend kurze Reaktionszeit auf eventuelle Veränderungen der Luftdichte bedeutet – das Ende der Aerobraking-Phase ist eine stressige Angelegenheit. Eine ausführliche Beschreibung dieses Vorhabens und der damit verbundenen Risiken und Herausforderungen finden Sie in unserem Artikel Aerobraking: Der Tritt auf die Luftbremse.
Am 24. März wurde zum ersten Mal nach der Ankunft von MRO beim Roten Planeten auch der Mars Climate Sounder in Betrieb genommen. Dieses wissenschaftliche Instrument soll die Marsatmosphäre nach Ende der Aerobraking-Phase in neun verschiedenen Wellenlängen des sichtbaren und infraroten Spektrums beobachten, um so Informationen über die Temperatur, Luftfeuchtigkeit und den Gehalt an Staub im globalen Maßstab zu sammeln. Der erfolgreich absolvierte Test sollte sicherstellen, dass das Instrument bei Bedarf das Aerobraking mit Informationen über die Ausdehnung der Marsatmosphäre unterstützen kann.
Auf der Marsoberfläche ist der Rover Spirit weiterhin dabei, einen Weg zur anvisierten Überwinterungsposition an einem kleinen Nordhang in der Nähe seines jetzigen Standortes zu suchen. Die Route will trotz der überschaubaren Ausdehnung von nur noch rund 100 Metern gut gewählt sein, denn Spirit ist unverändert durch die geringe Energieproduktion und einen ausgefallenen Antriebsmotor in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkt. Der Antriebsmotor des rechten vorderen Rades ist seit einigen Wochen außer Betrieb, und alle in letzter Zeit durchgeführten Tests und Simulationen legen als Ursache eine Unterbrechung des Stromflusses in diesem Motor nahe. Als Resultat fährt der Rover weiterhin rückwärts und zieht das antriebslose Rad quasi hinter sich her. Zu allem Überfluss konnte 2001 Mars Odyssey Ende vorletzter Woche für drei Tage nicht als Relaisstation für die Kommunikation mit den Rovern genutzt werden, da der Orbiter sich aus unbekanntem Grund in den so genannten „Safe Mode“ versetzt hatte. Als Folge davon standen auch die Rover für mehrere Tage still.
Der zweite Mars-Rover Opportunity hat dagegen derzeit keine Schwierigkeiten beim Fahren. In den letzten zwei Wochen legte das Fahrzeug gut 200 Meter auf dem Weg zum Viktoria-Krater in Richtung Süden zurück, immer wieder einmal unterbrochen durch intensive Beobachtungen interessanter Gesteins- und Bodenformationen. Dennoch wird es noch eine Weile dauern, bis der größte bisher von einem Rover angesteuerte Krater erreicht sein wird.
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