Ein entstehender planetarischer Nebel bei L2 Puppis

Aufnahmen des Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte haben jetzt zum ersten Mal gezeigt, wie sich in der Umgebung eines sterbenden Sterns ein schmetterlingsförmiger planetarischer Nebel bildet.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO.

ESO, IAU, Sky&Telescope
Diese Karte zeigt das südliche Sternbild „Achterdeck des Schiffs“ (lat. Name „Puppis“) mit den meisten Sternen in dieser Himmelsregion, welche unter optimalen Beobachtungsbedingungen mit dem bloßen Auge sichtbar sind. Die Position des Sterns L2 Puppis ist mit einem roten Kreis markiert. Dieser Rote Riesenstern ist gerade eben noch ohne optische Hilfsmittel zu erkennen. In einem Teleskop erscheint dieser Stern tiefrot.
(Bild: ESO, IAU, Sky&Telescope)

Bei einem planetarischen Nebel handelt es sich um eine Ansammlung von Gas, welches einen Stern, der sich in der letzten Phase seiner Entwicklung befindet, umgibt. Sobald ein Stern mit einer Masse von bis zu der achtfachen Sonnenmasse die Endphase seines Lebens erreicht, stößt er seine äußeren Schichten ab und verliert dabei einen Großteil seiner ursprünglichen Masse. Das im Rahmen dieses Prozesses freigesetzte Gas verteilt sich anschließend in der Umgebung und bildet den besagte Nebel (Raumfahrer.net berichtete).

Jetzt ist es Astronomen erstmals gelungen zu beobachten, wie ein alternder Stern einen schmetterlingsförmigen planetarischen Nebel hervorbringt. Die letzten Lebensstadien von Sternen – und ganz besonders der Ursprung solcher bipolarer planetarischer Nebel mit ihrem komplexen, auch an eine Sanduhr erinnernden Erscheinungsbild – geben den Astronomen auch in der Gegenwart immer noch Rätsel auf.

Bei dem beobachteten Stern handelt es sich um den im südlichen Sternbild „Achterdeck des Schiffs“ (lat. Name „Puppis“) gelegenen halbregelmäßig veränderlichenRoten Riesenstern L2 Puppis. Mit einer Entfernung von lediglich etwa 200 Lichtjahren zu unserem Sonnensystem ist dieser Stern einer der unserem Heimatplaneten am nächsten gelegenen Roten Riesen, von denen bekannt ist, dass sie sich am Beginn ihrer letzten Lebensphase befinden.

Eine verbesserte Abbildungstechnik
Für ihre Beobachtungen verwendete das von dem französischen Astronomen Pierre Kervella geleitete Team das erst im Mai 2014 in Betrieb genommene Instrument „Spectro-Polarimetric High-contrast Exoplanet REsearch“ (abgekürzt SPHERE) des Very Large Telescope (VLT) am Paranal-Observatorium der Europäischen Südsternwarte (kurz ESO) in den nordchilenischen Anden. Die SPHERE-Beobachtungen wurden mit der ZIMPOL-Kamera des Instruments im Wellenlängenbereich des sichtbaren Lichts und unter der Verwendung einer extremen adaptiven Optik durchgeführt.

SPHERE/ZIMPOL verwendet die Technik der extremen adaptiven Optik für die Erzeugung von beugungsbegrenzten Abbildungen, mit denen die Auswirkungen der Luftunruhen in der Erdatmosphäre – das so genannte Seeing – begrenzt werden können. Die dabei erzielten Ergebnisse liegen wesentlich näher an dem theoretischen maximalen Auflösungsvermögen eines Teleskops als dies bei früheren Versionen der adaptiven Optik möglich war.

ESO, Pierre Kervella
Diese Aufnahme des VLT der ESO zeigt, wie um den Stern L2 Puppis herum ein schmetterlingsförmiger planetarischer Nebel entsteht. Recht von dem Stern ist zudem dessen Begleitstern erkennbar.
(Bild: ESO, Pierre Kervella)

Die extreme adaptive Optik ermöglicht so auch den Nachweis und die genauere Untersuchung von lichtschwachen Objekten und Strukturen in der unmittelbaren Nachbarschaft heller Lichtquellen. Die Beobachtungen werden im Bereich des sichtbaren Lichts – also bei kürzeren Wellenlängen als dem bei früheren adaptiven Optiken meistens verwendeten nahinfraroten Licht – durchgeführt. Dies führt zu wesentlich schärferen Aufnahmen als bisher vom VLT geliefert werden konnten.

Die ZIMPOL-Kamera von SPHERE kann auf diese Weise Abbildungen erzeugen, welche drei Mal schärfer sind als die Aufnahmen des Weltraumteleskops Hubble. So zeigen die neuen Beobachtungen auch feinste Details in der Staubwolke um L2 Puppis. Sie bestätigen frühere Resultate, welche bereits mit dem NACO-Instrument des VLT gewonnen wurden und nahegelegt hatten, dass der den Stern L2 Puppis umgebende Staub in einer Scheibe angeordnet ist, welche wir von der Erde aus betrachtet beinahe genau von der Kante beobachten können.

Die aktuellen Beobachtungen erlauben jedoch eine viel genauere Untersuchung, und die im ZIMPOL-Modus gelieferten Informationen zur Polarisation des Lichts haben es den an dieser Untersuchung beteiligten Astronomen ermöglicht, ein dreidimensionales Modell der Staubstrukturen zu erstellen.

Für die Erstellung des dreidimensionalen Modells der Staubhülle wurden Daten von ZIMPOL und NACO sowie ein spezielles Modell der Scheibe aus dem Programm RADMC-3D verwendet, welches aus einem Parametersatz zur Beschreibung des Staubs eine Simulation des Strahlungstransports durch den Staub erstellt.

ESO, Pierre Kervella
Die Beobachtungsdaten des roten Riesensterns L2 Puppis, welche mit dem VLT-Teleskop der ESO im ZIMPOL-Modus des erst im Jahr 2014 installierten Instruments SPHERE durchgeführt wurden, sind hier mit früher gewonnenen NACO-Daten aus dem Infrarotbereich kombiniert. Diese zeigen einen Staubbogen, der von der abgewandten Seite des oberen Teils des Nebels ausgestoßen wird.
(Bild: ESO, Pierre Kervella)

Die Astronomen haben durch dieses Modell herausgefunden, dass die Staubscheibe in einer Entfernung von etwa 900 Millionen Kilometern zu dem Stern L2 Puppis beginnt. Noch weiter nach außen hin dehnt sie sich dann aus und bildet eine symmetrische, trichterartige Struktur um den Stern.

Das Team entdeckte zudem eine zweite Lichtquelle, welche sich in einer Entfernung von lediglich etwa 300 Millionen Kilometern zu L2 Puppis befindet. Bei diesem Begleitstern handelt es sich vermutlich um einen zweiten Roten Riesen, welcher über eine mit L2 Puppis vergleichbare Masse verfügt, der sich aber noch in einem früheren Entwicklungsstadium befindet. Diese Kombination aus der großen Menge an Staub, welche den sterbenden Stern umgibt, und die Anwesenheit eines Begleitsterns bedeutet, dass die Astronomen hier genau die Art eines Sternsystems beobachten, bei der sie die Entstehung eines bipolaren planetarischen Nebels erwarten.

Zusätzlich zu der Staubhülle um L2 Puppis entdeckte das für diese Untersuchung zuständige Team zwei konische Strukturen, welche beide senkrecht aus der Scheibe hervortreten. Innerhalb dieser Strukturen wurden zudem zwei lange, leicht gekrümmte Materiewolken entdeckt. Anhand des Ursprungsortes von einer dieser Wolken konnte das Team schlussfolgern, dass es sich hierbei vermutlich um ein Resultat der Wechselwirkungen zwischen der Materie aus der Staubscheibe von L2 Puppis sowie dem Sternwind und Strahlungsdruck des Begleitsterns handelt. Die andere Wolke ist dagegen vermutlich das Ergebnis des Aufeinanderprallens der Winde der beiden Sterne oder aber das Produkt einer Akkretionsscheibe, welche den Begleitstern umgibt.

Wie entstehen bipolare planetarische Nebel?
Bezüglich der Entstehung bipolarer planetarischer Nebel werden derzeit zwei Theorien favorisiert, welche beide das Vorhandensein eines Doppelsternsystems voraussetzten, in dessen Umgebung sich größere Mengen an Gas und Staub befinden müssen. Die erste Theorie besagt dabei, dass dieser Staub, der von dem Sternwind des Hauptsterns erzeugt wird, durch den Strahlungsdruck und Sternwind des Begleitsterns auf einen ringförmigen Orbit gezwungen wird. Jeder weitere Massenverlust des Hauptsterns wird anschließend durch diese sich so bildende Scheibe quasi ‚kanalisiert‘ und tritt infolgedessen in zwei entgegengesetzten Säulen senkrecht zu der Scheibe aus.

ESO, Digitized Sky Survey 2
Diese aus den Aufnahmen des Digitized Sky Survey 2 zusammengesetzte Weitwinkelaufnahme zeigt die Umgebung des Roten Riesenstern L2 Puppis, wo sich gerade ein bipolarer planetarischer Nebel bildet.
(Bild: ESO, Digitized Sky Survey 2)

Die zweite Theorie geht dagegen davon aus, dass der Großteil des von dem Hauptstern ausgeworfen Materials von dem Begleitstern ‚angezogen‘ wird und in dessen Umgebung den Grundstein für eine Akkretionsscheibe und daraus hervorgehende Materiejets bildet. Das im Rahmen dieses Prozesses nicht verbrauchte Material wird von den Winden des sterbenden Sterns weggedrückt und bildet eine Gas- und Staubwolke – genauso wie das auch bei einem Einzelsternsystem der Fall ist. Die sich bildenden Jets des Begleitsterns üben jedoch eine wesentlich größere Kraft aus als der Sternwind des Hauptsterns und formen so aus dem Staub das charakteristische Erscheinungsbild des bipolaren planetarischen Nebels.

Die Beobachtungen des Teams um Pierre Kervella legen nahe, dass im Fall von L2 Puppis wahrscheinlich beide der vorgeschlagenen Prozesse eine Rolle spielen. Von daher ist es sehr wahrscheinlich, dass dieses Sternsystem in der Zukunft einen ‚kosmischen Schmetterling‘ hervorbringen wird.

„Da der Begleitstern nur wenige Jahre für einen Umlauf benötigt, erwarten wir beobachten zu können, wie er die Scheibe des Roten Riesen in deren Form beeinflusst. Wir werden die Entwicklung der Staubstrukturen in diesem System dabei in Echtzeit verfolgen können. Dies ist eine extrem seltene und aufregende Gelegenheit“, so der Kommentar von Pierre Kervella.

Die hier kurz vorgestellten Forschungsergebnisse der Untersuchung des Sterns L2 Puppis sind die ersten publizierten Resultate aus dem Beobachtungsmodus der extremen adaptiven Optik des VLT. Sie wurden kürzlich von Pierre Kervella et al. unter dem Titel „The dust disk and companion of the nearby AGB star L2 Puppis“ in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics publiziert. Höher aufgelöste Versionen des sich in der Umgebung von L2 Puppis bildenden bipolaren planetarischen Nebels finden Sie auf dieser Internetseite der ESO.

Verwandte Meldungen bei Raumfahrer.net:

Diskutieren Sie mit im Raumcon-Forum:

Fachartikel von Pierre Kervella et al.:

Nach oben scrollen