Der Start des neuen Raumschiffs der US-amerikanischen Luft- und Raumfahrtagentur NASA, Orion, zu seinem Erstflug EFT-1 soll morgen geschehen, der heutige Versuch wurde wegen einem Problem mit einem Tankventil abgebrochen. Zu diesem besonderen Anlass wollen wir einmal darauf zurückblicken, was bereits geschah, um diesen Erstflug vorzubereiten, und ausblicken, was morgen und in Zukunft bezüglich der bemannten Erkundung des Weltalls passieren wird.
Ein Beitrag von Martin Knipfer. Quelle: NASA.
Rückblick
Orions langer Weg zu seinem Erstflug EFT-1 (Exploration Flight Test 1) begann vor über drei Jahren, genauer gesagt am 9. September 2011, mit dem Fertigungsbeginn der Kapsel in den riesigen Hallen der Michoud Assembly Facility (MAF) nahe New Orleans. Die erste Komponente des Raumschiffs, die konstruiert wurde, war die Druckkapsel von Orion. Sie besteht aus Aluminium und soll bei späteren bemannten Orion-Flügen der Bereich sein, in dem sich die Besatzung aufhalten wird. Nach der Fertigstellung dieser Druckkapsel im Juni 2012 wurde sie zu dem Operations and Checkout Building des Kennedy Space Centers (KSC) in Florida verschifft. Dort wurde das Raumschiff mit sämtlichen Systemen ausgestattet, das es für einen erfolgreichen Flug benötigt. Zu diesen gehören etwa die Steuertriebwerke der Kapsel oder die Avioniksysteme. Diese Computersysteme wurden im Oktober 2013 das erste Mal aktiviert. Zwei Monate später wurden der diskusförmige untere Hitzeschild der Kapsel –der größte seiner Art, der je gebaut wurde- und das turmförmige Startabbruchsystem fertiggestellt. Im Januar 2014 folgte das Servicemodul, das Orion während des Fluges mit Strom versorgen soll. Im März 2014 kamen dann die beiden Booster der Trägerrakete vom Typ Delta IV Heavy im Cape Canaveral an, im Mai folgte die Haupt- und die Oberstufe. Die Kapsel erhielt unterdessen im Juni 2014 ihren unteren Hitzeschild und wurde im Juli mit dem Servicemodul verbunden. Nachdem Ende August der obere Hitzeschild –bestehend aus mehreren Hundert Kacheln- an der Kapsel montiert wurde, war Orion nun fertiggestellt und wurde im September dann feierlich aus dem Operations and Checkout Building herausgerollt. Das Raumschiff wurde in einem weiteren Gebäude auf dem Gelände des KSC betankt, danach wurde im Oktober 2014 das Startabbruchsystem installiert. Inzwischen wurden im September sämtliche Stufen der Delta IV Heavy Trägerrakete miteinander verbunden, im Oktober wurde sie auf den Startplatz SLC-37 herausgerollt. Dann, am 12. November, wurde auch das Orion-Raumschiff zum Startplatz gebracht und mit der Rakete verbunden.
Nachdem mehrere kleinere Vorbereitungen abgeschlossen wurden, wurde Orion in den vergangenen Tagen mit zahlreichen Utensilien beladen. Zu diesen gehören unter anderem ein Sauerstoffschlauch, der bereits bei der ersten Mondlandung von Apollo 11 verwendet wurde, ein kleine Probe Mondstaub, ein Knochen eines Fossiles eines Tyrannosaurus Rex und ein Mikrochip, auf dem über eine Million Namen von Weltraumenthusiasten gespeichert, die sich dafür auf einer Internetseite registriert haben. Daneben sind Gedichte, Musik, Münzen, Flaggen sowie wissenschaftliche Instrumente mit dabei. Diese Gegenstände sollen bei diesem historischen Erstflug von Orion den technischen und kulturellen Fortschritt der Menschheit ausdrücken und sie zu neuen Errungenschaften in den genannten Bereichen inspirieren. Für die junge Generation werden auch zahlreiche Sachen von der amerikanischen Version der Sesamstraße an Bord sein, wie etwa ein Keks des Krümelmonsters. Das Raumschiff mit verschiedensten Gegenständen zu beladen, ist in der bemannten US-Raumfahrt durchaus üblich, bereits die ersten Mercury-Raumschiffe hatten Münzen an Bord.
Unterdessen werden an der Westküste der Vereinigten Staaten zahlreiche Luftfahrzeuge darauf vorbereitet, den Wiedereintritt und die Landung von Orion in pazifischen Ozean aufzunehmen. So möchte man wichtige Daten über diesen letzten Abschnitt des Fluges gewinnen. Zu diesen Luftfahrzeugen gehört eine NP-3D der US-Marine, mit der Ingenieure des Langley Research Centers Temperaturdaten über den Wiedereintritt der Kapsel sammeln wollen. Eine zweite NP-3D wird ebenfalls zugegen sein, jedoch ihre Beobachtungen auf die Entfaltung der Fallschirme und die Wasserung konzentrieren. Darüber hinaus werden zwei MH-60S Militärhelikopter die letzten 3.000 Meter der Landung verfolgen, bevor sie die Bergung der Kapsel unterstützen. Zu guter Letzt wird auch noch eine Predator-Drohne die Landung für den Streamingkanal NASA TV aufnehmen. Ob der Flug morgen tatsächlich stattfinden kann, steht noch in den Sternen, schließlich steht die Wahrscheinlichkeit für Wetterbedingungen, die einen Start erlauben, nur bei 70 %. Orion, die Delta IV Heavy-Trägerrakete und die Bodenanlagen sind jedenfalls auf „Go“: Gestern wurde das sogenannte „Launch Readiness Review“ erfolgreich abgeschlossen, eine letzte Überprüfung, ob Orion, die Delta IV Heavy-Trägerrakete und die Bodensysteme bereit für den Flug sind.
Ausblick
Sollte auch das Wetter auf „Go“ stehen, erwartet Orion morgen eine wahre Feuertaufe gleich bei seinem lange erwarteten Erstflug. Es beginnt schon bei dem Start: Während des gesamten Aufstiegs in den Weltraum wirken enorme dynamische Kräfte auf das Raumschiff. Nach etwa vier Minuten werden die seitlich angebrachten Booster der Trägerrakete abgeworfen, nach fünfeinhalb Minuten die zentral angebrachte Hauptstufe. Danach zündet die zweite Stufe etwa elf Minuten lang und befördert Orion in einen niedrigen Erdorbit. Nach einer Erdumrundung auf dieser niedrigen Umlaufbahn zündet die Oberstufe zwei Stunden nach dem Start erneut und hebt die Bahn an. Das Raumschiff wird sich dann bis zu 5.800 Kilometer von der Erde entfernen, das ist mehr als die 14-fache Bahnhöhe der Internationalen Raumstation ISS! Während dieses Orbits passiert Orion zweimal (hin- und zurück) den Van-Allen Gürtel, eine Zone, in der sehr starke elektromagnetische Strahlung auf sämtliche Systeme des Raumschiffs wirken wird. Nachdem das Raumschiff wieder der Erde näher kommt, trennt sich die Kapsel etwa dreieinhalb Stunden nach dem Start von dem Servicemodul ab und sorgt mithilfe seiner kleinen Steuertriebwerke für eine korrekte Ausrichtung. Orion nähert sich nun unaufhaltsam der Erde, und das mit einer Geschwindigkeit von über 32.000 km/h. Dann, nach etwa vier und einer Viertel Stunde, trifft die Kapsel mit dem Hitzeschild voran auf die Erdathmosphäre. Durch diesen Wiedereintritt wird Orion abgebremst, der Hitzeschutzschild an der Unterseite erhitzt sich dabei auf über 2.200 °Celsius. Danach sollen sich 11 Fallschirme in einem hochkomplexen Prozesses entfalten und dafür sorgen, dass Orion etwa viereinhalb Stunden nach dem Start sanft mit nur 30 km/h im pazifischen Ozean landet.
Danach wird die Orion-Kapsel geborgen und zurück an Land gebracht. Bei EFT-1 werden wichtige Daten während des Fluges von zahlreichen Instrumenten gesammelt. Diese Daten sind äußerst wichtig für weitere Entwicklungsarbeiten an Orion und machen deshalb eine sichere Bergung der Kapsel unumgänglich. Zuerst werden zwei Helikopter von dem Deck des Bergungsschiffes USS Anchorage aufsteigen und die Kapsel lokalisieren. Wurde sie gefunden, so nähert sich ein Team der US-Marine in Schlauchbooten ihr und inspiziert die Kapsel auf mögliche Beschädigungen. Danach wird Orion mithilfe eines Seiles auf ein mit Wasser gefülltes Deck der USS Anchorage gezogen. Das Wasser wird abgelassen und das Schiff steuert den Hafen von San Diego an. Dort wird Orion ausgeladen und zum Kennedy Space Center in Florida zurückgebracht, wo die Kapsel eingehend untersucht und auf ihren nächsten Flug vorbereitet wird. Es handelt sich dabei um Ascent Abort 2, einen suborbitalen Test des Startabbruchssystem 2018. Der nächste Flug von Orion ins All soll nicht später als im November 2018 mit Exploration Mission 1 (EM-1) erfolgen. Diese Mission wird zugleich auch der Erstflug der neuen Schwerlastrakete der NASA sein, des Space Launch Systems, und Orion bis zum Mond führen. Das Raumschiff soll bei diesem Flug ein europäisches Servicemodul auf Basis des Servicemoduls des Raumfrachters ATV verwenden, die ersten Exemplare Hardware, die bei diesem Flug zum Einsatz kommen sollen, sind bereits fertiggestellt. Uns erwarten also nicht nur morgen spannende Zeiten mit dem Orion-Raumschiff.
Update 16:55
Der heutige Startversuch wurde leider abgebrochen. Der Mobile Service Tower, eine Struktur auf dem Startplatz, in der die Trägerrakete und Orion auf den Start vorbereitet wurde, wurde gegen 6:00 morgens zurückgefahren. Danach begann die Betankung der Delta IV Heavy mit flüssigem Wasserstoff (LH2) und flüssigem Sauerstoff, den Treibstoffen. Auch dieser Vorgang lief erfolgreich ab, sodass 19 Minuten vor dem Start der Countdown planmäßig angehalten werden konnte. Doch dann begannen die Probleme: Zuerst befand sich ein Boot im Startbereich, deshalb wurde der Start von 13:05 auf 13:17 verschoben. Danach gab es Probleme mit dem Wetter, genauer gesagt mit dem Wind. Zuerst wurde der Start auf 13:55, danach auf 14:26 verschoben. Schließlich trat das Problem auf, das letztendlich zum Abbruch des heutigen Startversuches führte: Sensoren zeigten an, dass das Ventil, das in dem LH2-Tank der Hauptstufe der Rakete angebracht war, nicht korrekt funktionierte. Alle Versuche, das Problem zu lösen, scheiterten, und so musste der heutige Startversuch leider abgebrochen werden. Morgen wird um 13:05 ein neuer Versuch unternommen, hoffen wir, dass er dieses Mal erfolgreich ist.
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