Nachdem die Montage des Startabbruchsystem abgeschlossen wurde, wurde am Mittwoch das neue Raumschiff der US-amerikanischen Luft- und Raumfahrtbehörde NASA zu dem Startplatz für seinen Erstflug transportiert: Orion. Seine Trägerrakete vom Typ Delta IV Heavy ist bereits fertiggestellt, vor kurzem wurde eine Simulation des Countdowns durchgeführt. Orions zukünftiger Träger, das Space Launch System, macht ebenfalls einen Schritt in Richtung Erstflug mit Modifikationen der Endmontagehalle, genannt VAB, und der Produktion weiterer Flughardware.
Ein Beitrag von Martin Knipfer. Quelle: NASA, NSF.
Es war ein langer Weg für Orion, dem neuen Raumschiff der US-amerikanischen Luft- und Raumfahrtbehörde NASA, bis es bereit für seinen Erstflug Exploration Flight Test 1 (EFT-1) war: Nachdem im September 2011 in den Hallen der Michoud Assembly Facility mit dem Bau der Druckkabine der Kapsel begonnen wurde, genoss die Kapsel von Juli 2012 bis September dieses Jahres eine langwierige Vorbereitung im Operations and Checkout Building im Kennedy Space Center in Florida. Dann konnte im September 2014 das erste Mal seit 1991 ein neues Raumschiff aus der Konstruktionshalle herausgerollt werden. Orion wurde darauf zur Betankung in die Payload Hazardous Servicing Facility (PHSF) gebracht, bevor im Oktober 2014 das Launch Abort System (LAS) in einem weiteren Gebäude montiert wurde. Diese Komponente besteht aus einem Turm, der über dem Raumschiff befestigt wurde, und mehreren gewölbten Paneelen, die die Kapsel seitlich umschließen. Bei einem bemannten Flug von Orion soll das LAS einmal die Kapsel von einer möglichen Gefahr wegbefördern, bei EFT-1 wird es jedoch bis auf den Jettinson-Motor inaktiv bleiben.
Nach dieser Montage wurden noch mehrere kleinere Arbeiten abgeschlossen, wie etwa die Installation von Befestigungsmitteln an den Paneelen des LAS, diese wurden auch mit einer Hitzeschutzschicht bedeckt und die Gerüste rund um das Raumschiff, die zu der Montage des LAS benötigt wurden, wurden entfernt. Danach wurde noch ein Test durchgeführt, der prüfen sollte, wie viel trockenes Säuberungsgas in Orion zwischen den LAS-Paneelen und der Kapsel hereingepumpt werden muss, um zu verhindern, dass Feuchtigkeit die Außenhülle der Kapsel beschädigt. Orion wurde gewogen und auf den KAMAG-Transporter gehoben. Das Raumschiff ist nun endgültig bereit für EFT-1, es wurde danach einer der letzten Schritte bis zum Start unternommen: Der Transport zu seiner Trägerrakete auf den Startplatz.
Dieser Rollout sollte ursprünglich bereits am Montag stattfinden, schlechtes Wetter in Form von starkem Wind und Blitzen verhinderte ihn jedoch. Am Dienstag war zum Glück das Wetter am KSC wesentlich besser. Der Rollout fand bei Nacht statt, um 20:30 Uhr Ortszeit (2:30 Uhr MESZ) hat der Rollout begonnen, um 2:30 (8:30 MESZ) war er beendet. Die etwa 35 Kilometer lange Route führte PR-wirksam an dem Vehicle Assembly Building (VAB) und der Startrampe LC-39B des KSC vorbei, die bei zukünftigen Orion-Flügen zum Einsatz kommen werden. Der letzte Halt des Rollouts war dann SLC-37, der Startplatz, auf dem die Delta IV-Heavy Trägerrakete momentan darauf vorbereitet wird, Orion ins All zu befördern. Die letzten Meter brachten Orion in eine Struktur am SLC-37 namens Mobile Service Tower (MST), in dem Orion an einen Kran befestigt wird. Wenig später wurde Orion dann hochgehoben und auf der Oberstufe platziert, nun wird das Raumschiff mit den Systemen der Rakete verbunden, der Start ist weiterhin für den 4. Dezember um 13:05 MESZ geplant.
Diese Rakete wurde ebenfalls lange vorbereitet. Nach der Fertigung in Decatur im US-Bundesstaat Alabama erreichten die einzelnen Stufen der Rakete im Frühjahr 2014 die Horizontal Integration Facility des Startplatzes LC-37. Dort wurden sie auf den Flug vorbereitet und miteinander verbunden. Anfang Oktober wurde dann die fertige Delta IV-Heavy auf die Startrampe herausgerollt und aufgerichtet. Nun befindet auch sie sich im MST, in dem letzte Vorbereitungen getroffen werden. Eine von diesen ist das Wet Dress Rehearsal (WDR), eine vollständige Simulation des Countdowns der Rakete. Dieses WDR beinhaltete sogar eine vollständige Betankung der Delta IV-Heavy mit den Treibstoffen flüssiger Sauerstoff (LOX) und flüssigem Wasserstoff (LH2). So konnte das Startpersonal sämtliche Abläufe prüfen und trainieren, die auch bei dem tatsächlichen Countdown zu EFT-1 durchgeführt werden. Als nächstes wurde Orion dann mit der Oberstufe der Delta verbunden, es folgen demnächst die Integration der Systeme, diverse weitere Simulationen und ein Launch Readiness Review (LRR), eine letzte Überprüfung, ob man bereit für den Start ist, der Rakete und des Raumschiffs. Eine ähnliche Überprüfung, der Flight Test Readiness Review (FTRR), fand bereits statt. Seine Bedeutung ist jedoch im Vergleich zum LRR eher gering, da er nur die beteiligten NASA-Einrichtungen betraf.
Orion wird das neue Raumschiff der NASA sein. Während die kommerziellen Partner der NASA für den Transport von Fracht und Astronauten zur ISS im Erdorbit zuständig sind, wird das auch MPCV (Multi-Purpose Crew Vehicle) genannte Raumschiff Astronauten zu verschiedenen Zielen jenseits des Low Earth Orbits (LEO) transportieren. So kann eine intensivere Erkundung des Weltalls als je zuvor stattfinden. Mit der Entwicklung von Orion wurde bereits im Rahmen des 2010 gestrichenen Constellation-Programms entwickelt. So konnte die Entwicklung an einem Raumschiff, an dem bereits mit Hochdruck gearbeitet wurde, fortgeführt werden.
Aktuellen Planungen zufolge soll es im Dezember 2014 dann soweit sein: Orion startet auf einer Rakete des Typs Delta IV Heavy zu seinem Erstflug EFT-1. Dieser Flug beinhaltet zwei Erdumrundungen, dabei wird sich Orion bis zu 5.500 km von der Erde entfernen, und auf über 32.000 km/h beschleunigt. Eine solche Entfernung und Geschwindigkeit wurde von keinem praktisch oder theoretisch bemannbaren US-Raumschiff seit 1972 erreicht. Auf dem Flug sollen der Strahlungsschutz, der Hitzeschild, die Avionik, die Fallschirme und das Abwerfen von Verkleidungen und des Rettungssystems getestet werden. Der nächste Testflug nicht später als im November 2018, EM-1 für Exploration Mission 1 genannt, wird der Erstflug des neuen Space Launch Systems (SLS) sein, und ein unbemanntes MPCV, das mit dem neuen, auf dem ATV basierenden europäischen Servicemodul ausgrüstet sein soll, um den Mond führen.
Diese neue Schwerlastrakete, das SLS, ist noch nicht bereit für ihren Erstflug, sie wird momentan noch entwickelt. Eine dieser Entwicklungsarbeiten besteht darin, das gewaltige VAB für den Zusammenbau dieser neuen, großen Rakete zu modifizieren.
Dazu muss man verstehen, dass es sich bei dem VAB um ein riesiges, würfelförmiges Gebäude handelt. Es wurde in den 1960er Jahren für die Apollo-Mondmissionen errichtet, danach vom Space Shuttle weitergenutzt. Bei einem solchen Alter ist es durchaus verständlich, dass nun Renovierungsarbeiten erfolgen müssen, um für die nächsten Jahrzehnte gerüstet zu sein. Einige Arbeiten wurden bereits durchgeführt: Es wurden sämtliche Plattformen in dem High Bay 3 genannten Abschnitt entfernt, das Design neuer Plattformen getestet, fast 250 km alte Kabel wurden entfernt und werden momentan durch neue ersetzt, die Türen wurden erneuert und altes Equipment entfernt. Auch befinden sich bereits die ersten neuen Plattformen in der Produktion, sie sollen Anfang nächsten Jahres im VAB angebracht werden. Nun wurde ein weiterer Schritt hin zu einem modernisierten VAB gemacht: Ein 175-Tonnen Kran wurde auf den Boden herabgelassen, um auch ihn zu modernisieren.
Bei diesen Kränen handelt es sich um Meisterwerke der Technik: Sie können mehrere dutzende Tonnen schwere Raketenkomponenten millimetergenau durch die gesamte Halle tragen und platzieren. Sie sind mehrere Meter lang und breit und fahren auf Schienen unter der Decke des VABs. Trotzdem werden auch sie alt und müssen modernisiert werden. Deswegen wurde am 18. September ein Kran, der 175 Tonnen tragen kann, langsam auf eine Stahlstruktur am Boden des VABs abgesetzt. Das hört sich natürlich einfacher an, als es in der Realität war. Tatsächlich musste wegen dem hohen Gewicht des Krans ein noch größerer 325-Tonnen Kran eingesetzt werden. Geländer und Steige mussten demontiert werden, um den Kran nicht zu behindern. Eine unterstützende Stahlstruktur musste am Boden unter dem Kran positioniert werden. Nun haben die Modifikationen am Kran begonnen. Ein neues Steuerungssystem und eine neue Kabine sollen die alten Komponenten ersetzen, die inzwischen 45 Jahre alt sind. Alte Kabel und Verbindungen werden entfernt, neue eingebaut. Die Räder des Krans sollen neue Kugellager erhalten, Farbe und Asbest werden entfernt, neue Motoren, Leitern und Steige installiert. So wird der Kran auch die heutigen Gesundheits- und Arbeitsschutzvorschriften erfüllen. Abgeschlossen sollen diese Arbeiten im März 2015 sein. Die beiden 325-Tonnen Kräne wurden bereits vor einigen Jahren modernisiert, es gibt bereits vorläufige Planungen, auch die beiden 250-Tonnen Kräne zu modernisieren.
Auch die Entwicklung des Space Launch Systems selbst macht stetig Fortschritte, und zwar mit der Produktion weiterer Flughardware, also von Komponenten, die tatsächlich bei dem Erstflug des SLS zum Einsatz kommen werden. Bereits im August wurden in der Michoud Assembly Facility (MAF) nahe New Orleans im US-Bundesstaat Louisiana mithilfe des Segmented Ring Tool sämtliche Tankringe hergestellt, die für die erste Hauptstufe des SLS benötigt werden. Die gesamte MAF erhält momentan High-Tech Fertigungsmaschinen, um die Hauptstufe des SLs zu fertigen, ihren Höhepunkt fand diese Vorgehensweise im September, als das Vertical Assembly Center (VAC) eröffnet wurde, eine gewaltige High-Tech Schweißgerätschaft, die alle Komponenten zu einer fertigen Hauptstufe verschweißen soll. Momentan finden am VAC noch Validierungsarbeiten statt. Nun wurde das nächste Exemplar Flughardware in der MAF fertiggestellt.
Es handelt sich dabei um die Triebwerkssektion der Hauptstufe. Unter diesem Bauteil befinden sich die vier RS-25 Haupttriebwerke des SLS, oben ist es mit dem LH2 (flüssiger Wasserstoff)-Tank der Hauptstufe verbunden. Sie besteht aus einem Metallzylinder und einem Tankring, der Zylinder wurde am 30. Oktober mithilfe des Vertical Weld Centers (VWC) fertiggestellt. Das VWC ist eine drei Stockwerke hohe, 150 Tonnen schwere Schweißgerätschaft, die Metallplatten biegt und die Enden mithilfe von Rührreibschweißen miteinander verbindet, einer State-of-the-art Fertigungstechnologie. So können alle benötigten zylindrischen Bauteile des SLS gefertigt werden, Tankzylinder, Zwischenstufen oder eben die besagte Triebwerkssektion. Diese wird in der ersten SLS-Hauptstufe zum Einsatz kommen, sie soll Ende 2016/Anfang 2017 zuerst strukturell getestet und testgezündet werden und dann bei der Mission EM-1 das SLS beim Erstflug antreiben.
Ein weiterer Meilenstein in der Entwicklung des SLS wird eine Testzündung des RS-25 Haupttriebwerks noch dieses Jahr sein. Es wurde inzwischen ein RS-25 wieder auf dem A-1 Teststand des Stennis Space Centers installiert, nachdem es kleinere Probleme mit verunreinigten Treibstoffleitungen gab. Nach langer Verzögerung durch Risse im Treibstoff soll im März 2015 dann endlich der QM-1 Feststoffbooster testgezündet werden. Daneben soll dieses Jahr auch noch das Critical Design Review (CDR) der Rakete abgeschlossen werden, eine rigorose Designprüfung.
Das Space Launch System ist der neue Schwerlastträger der NASA. Er basiert zu großen Teilen auf dem 2011 außer Dienst gestellten Space Shuttle: So werden die Hauptstufe aus dem External Tank des Shuttles, die 5-Segmente Booster aus den SRBs und die RS-25 Triebwerke aus den SSMEs entwickelt. Es wird drei Varianten des SLS geben: Die Block I Version wird lediglich die DCSS (Delta Cyrogenic Second Stage) als Oberstufe haben. Mit ihr soll der Erstflug EM-1 erfolgen. Block IA wird über die wesentlich stärkere EUS (Exploration Upper Stage)-Oberstufe verfügen. Bei Block II handelt es sich um die stärkste Variante des SLS, seine Oberstufe wird die EUS sein; die Feststoffbooster werden durch verbesserte Booster ersetzt, ihr Konzept ist jedoch noch nicht festgelegt, obwohl bereits verschiedene Vorschläge zu neuen Flüssig- oder Feststoffboostern existieren. Der Erstflug von SLS Block IA ist nicht vor 2020, der von SLS Block II nicht vor 2030 zu erwarten, weil der Kongress –obwohl er als Befürworter des SLS gilt- sich weigert, das Etat der NASA zu erhöhen, um so auch ein höheres Budget für das SLS und Orion zu ermöglichen. Mit dem SLS sind nicht nur Raumsondenmissionen zu den äußeren Planeten des Sonnensystems und ihren Monden möglich, sondern auch bemannte Flüge zu Asteroiden oder sogar zum Mars.
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