Der ESA und der Australian National University (ANU) gelang der erfolgreiche Test eines verbesserten Ionen-Antriebs. Das sorgt für Fortschritt im Bereich der Raumfahrtzeug-Motoren.
Ein Beitrag von Florian Stremmel. Quelle: ESA.
In Zusammenarbeit mit der australischen Universität ANU in Canberra hat das ESA Advanced Concept Team (ACT) ein neues Design des Ionen-Antriebs für Raumfahrtzeuge getestet. Das Ergebnis ist eine dramatisch gestiegene Leistung gegenüber heutigen Ionen-Triebwerken und markiert damit einen großen Schritt voran bei den Antriebsfähigkeiten im All.
Der Ionen-Antrieb gehört zu den elektrischen Antrieben und sorgt für Fortbewegung, in dem er mittels eines elektrischen Feldes einen Strahl positiv geladener Partikel (Ionen) vom Raumfahrtzeug weg beschleunigt. Ein aktuelles Beispiel ist die europäische Mondsonde SMART-1. Der neue Antrieb soll allerdings zehn Mal effizienter sein als derjenige von SMART-1. Traditionelle Ionen-Antriebe verwenden drei nah beieinander liegende perforierte Gitter, die über Tausende von millimetergroßen Löchern mit einer Kammer verbunden sind, in der sich die geladenen Teilchen befinden. Das erste, also näher an der Ionen-Kammer gelegene Gitter steht unter einer Spannung von mehreren Tausend Volt, wohingegen das zweite und dritte Gitter mit niedriger Stromspannung operieren. Der somit in der Lücke zwischen den beiden Gittern vorhandene Spannungsunterschied erzeugt ein elektrisches Feld welches in einem Schritt die Ionen aus der Kammer heraus extrahiert und in den Weltraum beschleunigt. Hierbei gilt: je höher die Spannungsdifferenz, desto schneller werden die Teilchen ausgestoßen und desto größer ist die Effizienz des Antriebs. Übersteigt die Differenz allerdings 5000 Volt, können einige Ionen beim Beschleunigen mit dem zweiten Gitter kollidieren, was zur Beschädigung des Gitters und damit zu begrenzter Lebenszeit des Motors im All führt.
Der neue Experimentalantrieb DS4G (Dual-Stage 4 Grid), der in einer sehr kurzen Zeit von vier Monaten entworfen und gebaut wurde, nutzt ein etwas verändertes Konzept, welches zuerst im Jahr 2001 von David Fearn, einem britischen Pionier im Bereich der Ionen-Triebwerke, vorgeschlagen wurde. Der neue Antrieb entkoppelt den Prozess des Extrahierens und Beschleunigens in dem er auf vier Gitter zurückgreift. In einer ersten Stufe werden zwei sehr nahe bei einander gelegene Gitter unter sehr hohe Spannung gesetzt, wobei eine vergleichsweise geringe Differenz von 3000 Volt das Herausfördern der elektrischen Teilchen aus der Ionenkammer ermöglicht ohne dabei die Gitter zu beschädigen. Dahinter befinden sich in der nun folgenden zweiten Stufe in etwas größerer Entfernung zwei weitere, unter niedriger Stromspannung operierende Gitter. Auf diese Weise kann ein größerer Spannungsunterschied ein stärkeres elektrisches Feld erzeugen, welches die Ionenpartikel kraftvoller beschleunigt.
Getestet wurde der DS4G-Antrieb schließlich zum ersten Mal im holländischen Noordwijk im Labor für elektrische Antriebe des europäischen Test- und Technologie-Zentrums (ESTEC) und konnte bei einem Spannungsunterschied von über 30.000 Volt einen Ionenstrahl produzieren, der eine Austrittsgeschwindigkeit von über 210.000 Meter pro Sekunde aufwies. Das ist vier mal schneller als heutige Antriebe die Ionen zu beschleunigen vermögen. Der neue Antrieb ist also vier Mal effizienter und ermöglicht zusätzlich ein kompakteres Design bzw. eine größere Auslegung zu den Maßen heutiger Motoren. Auf Grund der sehr hohen Beschleunigung war der Ionenstrahl im Vergleich zu heutigen Modellen fünffach schmaler und divergierte nur um 3 Grad. Das führt zu einem niedrigeren Bedarf an für die Korrektur der Raumfahrtzeug-Position notwendigem Treibstoff, der für die Berichtigung kleiner Abweichungen in der Schubrichtung verbraucht wird.
Bis zur tatsächlichen Verwendung im All ist es aber noch ein langer Weg. Der nächste Schritt besteht darin, den Experimental-Antrieb in Zusammenarbeit mit der Industrie zur Praxisreife zu bringen und Missionen zu definieren, bei denen dieser Antrieb verwendet werden könnte. Viel Zeit brauchen auch die Tests eines flugtauglichen Modells, schließlich können Tausende von Betriebsstunden nur gewährleistet werden, wenn diese in einer Vakuumeinrichtung am Boden überprüft wurden.
Dieser Zeit- und Arbeitsaufwand lohnt jedoch, denn ein auf dem Prinzip vom DS4G basierender Antrieb wäre in der Lage, eine zukünftige Raumsonde zu den äußeren Planeten und sogar aus unserem Sonnensystem heraus zu befördern. Auch könnte mit einer Clusteranordnung von mehreren Antrieben ein bemanntes Raumschiff zum Mars und zurück befördert werden, vorausgesetzt natürlich, der große Bedarf an elektrischer Leistung kann befriedigt werden.