Selbst in der kleinsten Rakete ist noch Platz für ein 1-kg-Objekt mit Außenmaßen von 10 mal 10 mal 11 Zentimetern: ESTCube-1 bekommt mit dem nächsten Vega-Start seine Chance. Das ambitionierte Projekt von Studenten der Universität im estnischen Tartu könnte die Fortbewegung im All revolutionieren.
Ein Beitrag von Roland Rischer. Quelle: ESA Bulletin 153, ScienceDaily, ERR News. Vertont von Peter Rittinger.
Die Idee erinnert an ein Sonnensegel, nutzt aber nicht den Strahlungsdruck des Sonnenlichtes zur Fortbewegung, sondern die elektrischen Kräfte der geladenen Teilchen des Sonnenwindes. Sternförmig um eine Raumsonde ausgebrachte Kupferdrähte werden elektrisch aufgeladen und stoßen gleichgeladene Plasmateilchen ab. Die Sonde bekommt dadurch einen Impuls.
Mit ESTCube-1 soll die theoretisch erwartete Kraft erstmals im Experiment nachgewiesen werden. Der Satellit wird mit dem im April 2013 geplanten Start Vega VV02 ins All gebracht und soll dort einen etwa 10 Meter langen Draht ausbringen, der durch die Zentrifugalkräfte der sich drehenden Mini-Sonde straff gehalten wird. Der Draht wird dann positiv aufgeladen. Die Drehgeschwindigkeit von ESTCube-1 müsste sich verändern. Das Experiment wird im laufenden Jahr mit dem finnischen Satelliten Aalto-1 wiederholt. Dieser wird einen Draht von 100 Metern Länge mitführen.
Für zukünftige Anwendungen wird in zwei Richtungen gedacht. Außerhalb des irdischen Magnetfeldes herrscht ein schneller Sonnenwind. Hier könnten künftige Satelliten mit Hilfe eines E-Sail nahezu kostenlos durch das Sonnensystem segeln. Dabei muss man in großen Dimensionen denken. Bis zu 100 Drähte von 20 km Länge sind für ein vollwertiges Segel notwendig.
Im erdnahen Bereich und seinem abgeschwächten Sonnenwind könnte man mit einem E-Sail ausgediente Satelliten abbremsen und zu einem kontrollierten Absturz bringen. Diese Art der Weltraummüllvermeidung wird auch mit konventionellen Sonnensegeln getestet und wäre einfacher und günstiger als die bislang für diesen Zweck notwendige Treibstoffbevorratung. Die Nutzungsdauer der Satelliten wäre länger. Für Nano-Satelliten wäre die Anwendung ideal. Nach Abschluss der Messungen wird man das auch mit ESTCube-1 versuchen zu demonstrieren.
Mit drahtgebundenen Experimenten hatte die Raumfahrt bislang wenig Glück. Häufig rissen die Drähte oder ihre Ausbringung schlug fehl. Aus diesen Erfahrungen will man gelernt haben. Das bislang größte technische Problem war die Herstellung eines Strangs aus 25 bis 50 Mikrometer dünnen Einzelfäden. Diese werden im Zentimeterabstand ultraschall-verschweißt. Ein Einzeldraht würde durch Beschuss von Mikrometeoriten schnell zerstört, für derartige Stränge werden die Überlebenschancen erheblich besser eingeschätzt.
Die theoretischen Überlegungen zum E-Sail gehen auf den Finnen Dr. Pekka Janhunen zurück, der das Konzept bereits 2006 am finnischen Weltraumzentrum in Helsinki entwickelte. Heute sind neun Institute in fünf EU-Länder an der Forschung beteiligt. Für Estland ist es zugleich eine Empfehlung für den Beitritt zur ESA.
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