Am Abend des 27. Dezember startet der erste der zwei chinesischen Double Star-Forschungssatelliten, die unter anderem mit Hilfe europäischer Messinstrumente unser Wissen über die Vorgänge im Erdmagnetfeld erweitern sollen.
Autor: Michael Stein.
Bereits seit dem Jahr 2000 fliegen die vier baugleichen Cluster-Satelliten der ESA im Formationsflug. Zur Zeit bilden Sie eine pyramidenförmige Struktur und halten rund 200 Kilometer Abstand zueinander, je nach der zu untersuchenden Struktur kann der Abstand zwischen den Satelliten aber auch auf tausende von Kilometer anwachsen. Der polare, stark elliptische Orbit dieser vier je 1.200 Kilogramm „schweren“ Satelliten mit einem erdnächsten Punkt von 19.000 und einem erdfernsten Punkt von 119.000 Kilometer Höhe führt die Cluster-Formation durch die verschiedensten Regionen des Erdmagnetfelds und erlaubt den elf Instrumenten an Bord jedes Satelliten Messungen der unterschiedlichsten Effekte. Die Instrumente erlauben Messungen geladener Teilchen sowie elektrischer und magnetischer Felder, um somit die Wechselwirkungen zwischen den von der Sonne ausgehenden Wolken hochenergetischer Partikel und der Erdatmosphäre und dem Erdmagnetfeld zu erforschen. Bis heute haben Salsa, Samba, Rumba und Tango (so die Namen der vier Forschungssonden) die in sie gesetzten Erwartungen voll erfüllen können.
Am 27. Dezember startet um 20:23 Uhr (MEZ) nun der erste von zwei Forschungssatelliten, die aus einer sino-europäischen Kooperation hervorgegangen sind. Die beiden als TC-1 und TC-2 bezeichneten baugleichen Satelliten der Double Star-Mission mit jeweils nur 330 Kilogramm Masse sind die ersten beiden chinesischen Satelliten zur Erforschung der irdischen Magnetosphäre. Sie sind in China konstruiert und gebaut worden und mit insgesamt acht Messinstrumenten aus chinesischer Produktion ausgestattet worden. Der Start wird mit Trägerraketen vom Typ Langer Marsch 2C erfolgen, die geplante Operationsdauer der beiden Double Star-Satelliten beträgt zwölf beziehungsweise achtzehn Monate.
Der europäische Part an dieser Mission ist die Beisteuerung von acht weiteren Instrumenten für die beiden Satelliten, wobei sieben dieser Instrumente Pendants an Bord der Cluster-Satelliten haben: es handelt sich dabei um Reserveinstrumente beziehungsweise Duplikate, die bereits vorhanden waren und deshalb kostengünstig und ohne großen Zeitaufwand für die beiden chinesischen Double Star-Satelliten zur Verfügung gestellt werden konnten. Außer diesen ökonomischen Vorteilen ist es natürlich auch wissenschaftlich interessant, gleichartige Instrumente auf mehreren Satelliten verteilt durch die Magnetosphäre fliegen zu lassen – die Cluster– und Double Star-Satelliten können sich so ideal ergänzen und ein mehrdimensionales Bild des unseren Planeten umgebenden Magnetfelds liefern.
Im Gegensatz zu den relativ hoch fliegenden Cluster-Satelliten wird das Double Star-Duo der Chinese National Space Administration (CNSA) auf ihren elliptischen Umlaufbahnen der Erde bis auf 550 beziehungsweise 700 Kilometer nahe kommen. Während der Ende dieses Monats startende Satellit TC-1 auf einer relativ äquatorialen Umlaufbahn – die gegenüber dem Äquator aber immer noch um 28,5 Grad geneigt sein wird – seine Bahnen ziehen soll wird TC-2, dessen Start für Juni 2004 geplant ist, auf einem polaren Orbit um die Erde kreisen.
Die wissenschaftlichen Ziele der beiden Satelliten weisen unterschiedliche Schwerpunkte auf: Während TC-1 auf seinem Orbit knapp 64.000 Kilometer in den Weltraum hinausfliegen und dabei vor allem auch Informationen über die Vorgänge im so genannten „geomagnetischen Schweif“ sammeln soll, wird TC-2 auf seinem Weg über die Polregionen der Erde Messdaten über die Vorgänge in diesen Regionen des Erdmagnetfelds sammeln. Der so genannte geomagnetische Schweif ist das auf der sonnenabgewandten Seite der Erde in den Raum hinaus erweiterte Magnetfeld der Erde, wo es immer wieder zu magnetischen Rekonnektionen kommt – genau diese Vorgänge, die Neu-Anordnung der Magnetfeldlinien, ist eine der wesentlichen Untersuchungsgegenstände von TC-2.
Natürlich ermöglicht die aufeinander abgestimmte Nutzung der vier Cluster– und der beiden Double Star-Satelliten einzigartige wissenschaftliche Chancen, denn damit sind beispielsweise Beobachtungen einzelner Region des erdnahen Weltraum durch gleich sechs Raumsonden mit teilweise identischer Instrumentenausstattung möglich. Außer rein wissenschaftlichen Fragenstellungen erhoffen sich die Initiatoren der Double Star-Mission auch neue Erkenntnisse, die zu einem besseren Schutz von Satelliten und Raumfahrzeugen vor den negativen Folgen solarer Stürme führen können.
Insgesamt bietet diese chinesisch-europäische Premiere für beide Seiten viele Vorteile, die ihren Niederschlag mit Sicherheit auch in einer Vielzahl neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse finden werden.