Neuer Prüfstand für Ariane-6-Oberstufe am DLR Lampoldshausen – Eine Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Quelle: DLR.
Die zukünftige europäische Trägerrakete Ariane 6 soll im Jahr 2020 zum ersten Mal ins All starten. Damit sie alle Nutzlasten sicher auf ihre Umlaufbahnen bringen kann, müssen zuvor die Triebwerke für den neuen Träger ausführlich getestet werden. Für den Test der Oberstufe der neuen Trägerrakete ist am 26. Februar 2019 ein zentraler Schritt erfolgt: Am DLR-Standort Lampoldshausen wurde der neue Prüfstand P5.2 von der DLR-Vorstandsvorsitzenden Prof. Pascale Ehrenfreund, Daniel Neuenschwander, ESA-Direktor für Raumtransport und Pierre Godart, CEO ArianeGroup GmbH, im Beisein zahlreicher Vertreter aus Raumfahrtpolitik, -industrie und Wissenschaft feierlich eröffnet.
Mit dem Prüfstand P5.2 können in Zukunft kryogene Oberstufen unter Bodenbedingungen getestet werden. Die Besonderheit des Prüfstands liegt darin, dass nicht nur Triebwerke oder deren Komponenten – wie auf den anderen Testständen am Standort – sondern die komplette kryogene Oberstufe, das sogenannte „Upper Liquid Propulsion Module“ (ULPM), der europäischen Trägerrakete Ariane 6 getestet werden kann.
„Der neue Prüfstand ist eines der größten Projekte in der Geschichte des DLR-Standorts in Lampoldshausen und europaweit einzigartig. Er ist unsere Antwort auf die neuen Anforderungen im weltweiten Raumtransport: anpassungsfähig in kurzer Zeit, flexibel im Einsatz und kosteneffizient. Dieser Prüfstand spiegelt die strategische und wirtschaftliche Bedeutung des europäischen Raumtransports wider und trägt maßgeblich zum Erhalt eines sicheren, wettbewerbsfähigen und unabhängigen Zugangs zum All bei“, sagte Prof. Ehrenfreund.
„Das DLR-Institut für Raumfahrtantriebe ist ein Leuchtturm des Raumfahrtclusters in Baden-Württemberg, der aus mehr als 80 Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen besteht. Zu diesem Cluster zählen große Namen wie ArianeGroup am Standort Lampoldshausen, Airbus DS und Tesat, aber auch viele kleine und mittlere Unternehmen. Hier sind aktuell mehr als 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt“, sagte Ministerialdirektor Michael Kleiner, Amtschef im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg, der durch Herrn Claus Mayer vor Ort vertreten wurde.
DLR erschließt das Potenzial flexibler Prüfstände
Die hochkomplexe und extrem leistungsfähige Anlage wurde im Rahmen der Entwicklung der zukünftigen europäischen Trägerrakete Ariane 6 im Direktauftrag der Europäischen Weltraumorganisation ESA entwickelt und gebaut. Der Prüfstand wird aus den deutschen ESA-Beiträgen zum Ariane-6-Entwicklungsprogramm finanziert.
Für die Bereitstellung und Koordination der Mittel ist das DLR Raumfahrtmanagement im Auftrag der Bundesregierung verantwortlich. „In Zeiten des disruptiven Wandels der Raumfahrtbranche weltweit, in denen das Wettbewerbsumfeld mit neuen Playern immer komplexer wird und die Taktung bei Innovationen fortschrittlicher Technologien enorm steigt, ist ein moderner und effektiver Entwicklungs- und Teststandort für flüssige, chemische Raumfahrtantriebe entscheidend für die Zukunftsfähigkeit der deutschen und der europäischen Raumfahrt“, betonte Dr. Walther Pelzer, DLR-Vorstand für das Raumfahrtmanagement, und ergänzte: „Der flexible Einsatz der Prüfstände wird dabei zum zentralen Hebel für effizientere Entwicklungs- und Abnahmeprozesse in der Raumfahrt.“
Komplette Stufentests für kürzere Entwicklungszeiten
Der Grundstein für den Prüfstand P5.2 wurde gemeinsam mit den Projektpartnern im Herbst 2014 gelegt. Die Inbetriebnahme durch das DLR-Institut für Raumfahrtantriebe soll bis Ende 2019 erfolgen. Insgesamt wurden rund 50 Millionen Euro investiert. „Diese in ihrer Bauweise einzigartige Anlage ermöglicht den DLR-Ingenieuren sowohl Be- und Enttankungs-, als auch komplette Stufentests, bei denen die Oberstufe mit laufendem Triebwerk betrieben wird“, erläuterte Prof. Hansjörg Dittus, Mitglied des DLR-Vorstands für Raumfahrtforschung und -technologie.
An keinem Standort der europäischen Raumfahrt sei die Verzahnung zwischen Forschung, Entwicklung, Design und Planung sowie Triebwerktests an Großprüfständen für Raumfahrtantriebe so eng wie beim DLR in Lampoldshausen: „Wir verkürzen so die Entwicklungszeiten und erhöhen signifikant den Reifegrad der chemischen, flüssigen Raumfahrtantriebe. Um die Kontinuität des Standorts nach der Ariane-6-Entwicklung zu sichern, werden die Teststände auf Methan-Verbrennung ausgebaut“, ergänzte Dittus. Die geplante Großinvestition in Höhe von 30 Millionen Euro unterstützt die europäischen Pläne zur Entwicklung des neuen Prometheus-Methan-Triebwerks.
Das Testen aller europäischen flüssigen Raumfahrtanriebe gehört zu den zentralen Zukunftsfeldern des DLR in Lampoldshausen. Die Triebwerke der neuen europäischen Ariane-6-Trägerrakete absolvieren vor ihrem Start ins All viele Tausend Testsekunden an den Prüfständen in Baden-Württemberg. „Die Zukunft der europäischen Trägerraketenfamilie und die Zukunft des DLR-Standorts sind eng miteinander verknüpft. Wir bauen auf 60 Jahre Erfahrung, und unser Ziel ist klar: Mit unseren Prüfständen sind wir als europäisches Forschungs- und Testzentrum in der Lage, alle notwendigen Testkampagnen für Flüssigantriebe der Ariane durchzuführen, von der Entwicklung über die Qualifikation bis hin zu Abnahmetests“, sagte Prof. Stefan Schlechtriem, Direktor des DLR-Instituts für Raumfahrtantriebe.
Von Kleinprüfständen zum Testen von Komponenten und Technologiedemonstratoren bis hin zu Großanlagen, wie sie für die Haupt- und Oberstufentriebwerke der Trägerraketen benötigt werden, ist beim DLR in Lampoldshausen alles zentral an einem Ort verfügbar.
7. Industrial Days
Die feierliche Einweihung des neuen Teststands war zugleich der Auftakt der jährlich stattfindenden „Industrial Days“. Unter dem Motto „Test- und Testinfrastruktur zur Sicherung des flexiblen und bezahlbaren Zugangs Europas zum Weltraum“ tauschten sich am 26. und 27. Februar 2019 knapp 140 Experten über die Fortschritte im Raumtransport aus.
„Die Diskussionen haben gezeigt: Es sind nicht nur neue Herstellungsmethoden von Triebwerkskomponenten, sondern auch die Teststrukturen als Ganzes, die über den Erfolg im Raumtransport essentiell mitentscheiden. Für einen sicheren, unabhängigen und bezahlbaren Zugang zum Weltall dürfen wir uns nicht auf Strukturen der Vergangenheit ausruhen. In Lampoldshausen verfügen wir bereits heute über alle notwendigen Anlagen, um sowohl die Ariane 6 als auch alle zukünftigen Raumfahrtantriebe entwickeln und betreiben zu können“, so das Fazit von Prof. Stefan Schlechtriem, der zum siebten Mal zu den Industrial Days nach Lampoldshausen einlud.
P5.2 – Europas neuer Oberstufenprüfstand für Ariane 6 und darüber hinaus
Das DLR Lampoldshausen betreibt einmalige Prüfstände und Anlagen zum Testen von Raketenantrieben, die für die europäische Raumfahrt von entscheidender Bedeutung sind. Diese Testanlagen decken das gesamte Portfolio der Testanforderungen ab. Als europäisches Forschungs- und Testzentrum bündelt das DLR somit wichtige Kompetenzen mit dem Ziel, neue Technologien für flüssige, chemische Raumfahrtantriebe an einem Standort entwickeln und testen zu können.
Mit der Fertigstellung des Prüfstandes P5.2 für die neue Oberstufe der künftigen europäischen Trägerrakete Ariane 6 hat Deutschland eine weitere wichtige technologische Perspektive gewonnen: Mit seiner Hilfe können beim DLR zukünftig nicht nur Triebwerke und einzelne Komponenten, sondern komplette kryogene Oberstufen qualifiziert werden – eine zukunftsweisende Testanlage in Europa, die die führende Position des DLR in diesem Bereich unterstreicht.
Das DLR-Institut für Raumfahrtantriebe
Das DLR-Institut für Raumfahrtantriebe beim DLR in Lampoldshausen betreibt Großprüfstände für Raketentriebwerke. Diese Testanlagen decken das gesamte Portfolio der Testanforderungen ab: vom Komponententest über die Triebwerkstests hin zur Erprobung ganzer Raketenstufen. Es werden sowohl Versuche für Forschung und Entwicklung durchgeführt als auch Qualifikations- und Charakterisierungstests.
Zurzeit testen DLR-Ingenieure an den Prüfständen P5 und P4.1 das Hauptstufentriebwerk Vulcain 2.1 und das Oberstufentriebwerk Vinci für die Ariane 6 im Auftrag der ArianeGroup. Diese Tests sind ein wichtiger Meilenstein bei der Entwicklung der künftigen europäischen Trägerrakete Ariane 6, die Europas unabhängigen Zugang zum Weltraum weiterhin sichern soll.