In Ergänzung zu der ExoMars-Mission startete am 20. Januar 2011 ein internationales Projekt zur Simulation des Eintritts von Raumfahrzeugen in die Marsatmosphäre. Das Projektteam aus deutschen, russischen und italienischen Wissenschaftlern wird von der Abteilung Überschall- und Hyperschalltechnologie des Instituts für Aerodynamik und Strömungstechnik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln koordiniert.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: DLR. Vertont von Peter Rittimger.
Ist die Erde der einzige Platz in unserem Sonnensystem, an dem sich lebende Organismen gebildet haben? Existiert zum Beispiel vielleicht auch Leben auf dem Mars? Zur Klärung dieser Frage startet die Europäische Weltraumagentur ESA in den Jahren 2016 und 2018 in Kooperation mit der amerikanischen Weltraumbehörde NASA in zwei Etappen die Mission ExoMars. Dazu wird im Jahr 2016 der Trace Gas Orbiter zum Mars starten. Mit an Bord wird sich eine Landekapsel befinden, welche auf der Marsoberfläche landen und dort verschiedenen wissenschaftliche Experimente durchführen soll. Im Jahr 2018 sollen dann zwei Rover folgen, welche unter anderem mit einem Bohrer Bodenproben aus einer Tiefe von bis zu zwei Metern entnehmen und anschließend analysieren werden.
Um jedoch erfolgreich auf der Oberfläche unseres Nachbarplaneten landen zu können, muss zunächst die Marsatmosphäre sicher durchquert werden. An diesem Punkt beginnt die Arbeit der Forschergruppe unter der Leitung des DLR-Wissenschaftlers Dr. Ali Gülhan. Ähnlich wie bei dem Wiedereintritt von Raumfahrzeugen in die irdische Atmosphäre muss ein Raumfahrzeug beim Eintritt in die Marsatmosphäre enormen Temperaturbelastungen standhalten. Aus diesem Grund sind sowohl Landekapseln als auch Space Shuttles mit einer die Hitze absorbierenden Schutzschicht versehen. Diese kann unter anderem aus einem organischem Material, welches während des Wiedereintritts verbrennt, oder aus keramischen Strukturen bestehen.
Vergangene Marsmissionen verfügten lediglich über begrenzte Informationen bezüglich der Zusammensetzung und Dichte der Atmosphäre des „Roten Planeten“. Präzise Vorhersagen der zu erwartenden Temperaturen beim Eintritt in die Marsatmosphäre oder der dabei auftretenden Strömungsverhältnisse waren daher lediglich bedingt möglich. Aus diesem Grund wurde der Hitzeschutz bei den bisherigen Landungen auf dem Mars aus Sicherheitsgründen immer mit einer großen Toleranzen konzipiert. Die daraus resultierenden überdimensionierten Hitzeschutzschilde wirkten sich allerdings negativ auf den Umfang der wissenschaftlichen Nutzlast der Raumfahrzeuge aus. Durch die aktuellen Forschungen soll sich dies in Zukunft ändern.
Für eine grundlegende Verbesserung der Eintrittstechnologie ist eine exakte Vorhersage der Verteilung des Hitzeflusses auf der Oberfläche der Landekapseln, welche mit Hyperschallgeschwindigkeit in die Marsatmosphäre eintreten, unerlässlich. Zur Modellierung der Hochtemperaturströmung werden vielfach Computersimulationen eingesetzt. Für diese numerischen Strömungssimulationen wird unter anderem auch das vom DLR entwickelte TAU-Rechenverfahren genutzt.
Die Daten für diese Computermodelle stammen aus Windkanalversuchen, bei denen die wesentlichen physikalischen Eigenschaften des Mars nachgebildet werden. In der Atmosphäre des Mars befinden sich beispielsweise im Vergleich zur Erdatmosphäre mehr Staubpartikel und Aerosole, welche die Erwärmung des Hitzeschutzes bei der Durchquerung der Atmosphäre deutlich verstärken.
Zur Gewinnung der für die Computersimulationen benötigten Grunddaten steht den Wissenschaftlern am DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik in Köln ein lichtbogenbeheizter Windkanal zur Verfügung. Hier können Modelle der Landekapseln den realen Hitzelasten ausgesetzt werden. Die Raumkapseln treten mit ihrer stumpfen Unterseite voran in die Atmosphäre ein, was dort zu einer Art Schockwelle mit extrem hohen Temperaturen führt, während die an der Rückseite vorbeiströmenden Gase deutlich kühler sind. Diese relativ kühle und dünne Strömung auf der Rückseite bestimmt die dynamische Flugstabilität des Fahrzeuges. Durch optische und elektronische Messtechnik kann in dem Kölner Windkanal das Strömungsverhalten der heißen Gase und die punktuelle Hitzebelastung einzelner Partien des Modells analysiert werden.
Zusätzlich werden am DLR-Standort in Göttingen Experimente zur Bestimmung des Einflusses der Gaszusammensetzung der Marsatmosphäre auf den Wärmefluss durchgeführt. „Die Mars-Atmosphäre ist völlig anders als die Luft der Erde“, so Dr. Klaus Hannemann, der Leiter der Abteilung Raumfahrzeuge am DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik. Sie besteht hauptsächlich aus Kohlendioxid, welches mit einem Anteil von rund 95 Prozent vertreten ist, zudem ist sie sehr dünn.
Fliegt eine Landekapsel mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit durch die Marsatmosphäre, so treten dabei Effekte auf, welche im Vorfeld genau untersucht werden müssen. Bei den extrem hohen Temperaturen setzen chemische Reaktionen ein, welche die Eigenschaften des Gases verändern. Das Kohlendioxid zerlegt sich so zum Beispiel in seine molekularen Bestandteile. „Dies kann die Druckverteilung auf der Kapsel beeinflussen und somit Auswirkungen auf das aerodynamische Verhalten haben“, erläutert Dr. Hannemann weiter.
Die durch die Experimente und Simulationen gewonnenen Daten sollen in die zukünftige Entwicklung von neuartigen Hitzeschutzkonzepten sowie in die Auswahl der dabei verwendeten Materialien einfließen und werden auch Einfluss auf das aerodynamische Design der Raumfahrzeuge haben. Neben der Strömungs- und Materialforschung beschäftigt sich das interdisziplinäre Forschungsprojekt SACOMAR (Safe and Controlled Martian Entry) auch mit dem Problem des sogenannten Blackouts, einem für einen Zeitraum von sechs Minuten erfolgenden Abriss der Funkverbindung während der Eintrittsphase in die Marsatmosphäre bis zur Landung auf der Oberfläche.
Projektleiter Dr. Ali Gülhan äußert sich folgendermaßen zu dem Potential von SACOMAR: „Das Projekt bietet uns die Chance, durch die Kooperation von Wissenschaftlern verschiedener Fachgebiete technologische Grundlagen des Marseintritts im Detail zu untersuchen. Die Forschungsergebnisse können einen Beitrag zum ExoMars-Projekt der ESA leisten.“
In dem von der Europäischen Union finanzierte Projekt wird die Arbeit der deutschen, russischen und italienischen Wissenschaftler mit Projektpartnern aus der Industrie vereint. Die Partner des DLR sind die folgenden Firmen und Institute: CIRA (Centro Italiano Ricerche Aerospaziali), Thales Alenia Space Italia, EADS Astrium GmbH, TsNIImash (Central Research Institute of Machine Building, Russland), TsAGI (Russian Central Aerohydrodynamic Institute, Russland), IPM (Russian Institute for Problems in Mechanics, Russland), ITAM (Russian Institute of Theoretical and Applied Mechanics, Russland).
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