Wer Mitte Oktober bei klarer Sicht abends zum Himmel schaut, wird relativ schnell auf einen hellen rötlichen Punkt, eher auf ein kleines orangerotes Scheibchen im Sternbild der Fische aufmerksam werden. Nach rund zwei Jahren und zwei Monaten überholt die Erde wieder ihren äußeren Nachbarplaneten auf der Innenbahn und kommt ihm besonders nahe. Geometrisch bilden Sonne, Erde und Mars dann eine Linie und man spricht von einer Marsopposition. In diesem Beitrag erklärt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Details zum Himmelsphänomen.
Quelle: DLR.
„Die letzte Marsopposition am 27. Juli 2018 dürfte den meisten hierzulande noch gut in Erinnerung sein“, bemerkt Dr. Manfred Gaida, Astronom und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Extraterrestrik im DLR Raumfahrtmanagement. „Denn am damaligen Oppositionstag fand in den hochsommerlichen Abendstunden eine totale Mondfinsternis statt, die so viele Menschen ins Freie lockte, wie es seit der Sonnenfinsternis am 11. August 1999 nicht mehr der Fall gewesen war. Zugleich war es auch mit 103 Minuten die längste totale Mondfinsternis dieses 21. Jahrhunderts.“
Mars erreichte seinerzeit eine Erddistanz von 57,6 Millionen Kilometern, diesmal sind es rund vier Millionen Kilometer mehr. Ursache für die jeweils unterschiedlichen Oppositionsentfernungen ist die deutliche Exzentrizität der Marsumlaufbahn im Vergleich zur mehr kreisförmigen Erd- und Venusbahn. Diese Exzentrizität war es auch, die den dänischen Astronomen Tycho Brahe (1546-1601) vor ein Rätsel bei seinen Beobachtungen stellte, welches erst von Johannes Kepler (1571-1630) nach Brahes Tod zutreffend aufgelöst wurde und in den ersten beiden Keplerschen Gesetz seinen Ausdruck findet.
Erst Ellipsenbahnen konnten die beobachteten Planetenpositionen richtig erklären
Zu jener Zeit, im ausgehenden 16. Jahrhundert, war das Weltbild, das Nicolaus Copernicus mit der Veröffentlichung seines Werks De revolutionibus orbium coelestium („Über die Umlaufbahnen der Himmelssphären), in dem nicht die Erde, sondern die Sonne im Zentrum unserer „Welt“ steht, noch nicht vollständig etabliert. Wohl bestätigten Beobachtungen der sichtbaren Planeten den Irrtum der vor allem von der Kirche hochgehaltenen festen Ansicht, dass, wie es die Bibel über jeglichen Zweifel erhaben lehrte, die von göttlicher Hand geschaffene Erde unbewegt im Zentrum dieser Welt stehen müsse. Doch auch das heliozentrische Weltbild konnte zu Beginn noch nicht alle Ungereimtheiten ausräumen. So ging Copernicus noch von planetaren Kreisbahnen aus, aber berechnete man mit dieser Annahme die Positionen der Planeten, waren diese manchmal „voraus“ oder blieben „hinterher“ und man bedurfte weiterhin der ptolemäischen Epizykeltheorie, um dieses Verhalten mathematisch zu erklären. Erst als Kepler anhand der sehr präzisen Beobachtungen Brahes herausfand, dass sich die Planeten nicht ausschließlich auf Kreisbahnen um die Sonne bewegen, sondern in Wirklichkeit auf Ellipsen, auf denen sie je nach Abstand zur Sonne einmal schneller oder langsamer laufen, konnte auch dieses Problem schlüssig gelöst werden.
Noch größeres Stirnrunzeln verursachte die Beobachtung, dass die im Kopernikanischen Weltbild als „äußere“ Planeten erkannten Planeten Mars, Jupiter und Saturn einige Wochen vor ihrer Opposition auf einmal am Firmament zurückwanderten, also ihre scheinbare rechtläufige Bewegung am Nachthimmel umkehrten. Diese Bewegungsrichtung behalten sie noch einige Wochen bei, nachdem sie die Opposition durchlaufen haben, bis sie schließlich an einem zweiten Wendepunkt wieder stationär und danach rechtläufig werden. Die Ursache für dieses Bewegungsmuster liegt darin, dass die Erde auf ihrer inneren gekrümmten Bahn schneller ist und den beobachteten äußeren Planeten überholt. Dadurch beschreiben die drei äußeren Planeten über mehrere Wochen hinweg am Himmel eine sogenannte Oppositionsschleife. Bei Mars fing sie am 9. September an und wird am 15. November enden.
2020 – günstiges Jahr für den Start von Marsmissionen
Im Takt der synodischen Umlaufzeit von im Mittel 780 Tagen starten denn auch seit Jahrzehnten unbemannte Raumsonden zum Mars. Auf diese Weise wird die Flugbahn der Sonde geometrisch und damit energetisch vorteilhaft. So war es bei der NASA InSight-Mission, die am 5. Mai 2018 von der Vandenberg Airforce Base in Kalifornien zum Mars abhob, und ebenfalls bei den diesjährigen Missionen al Almal (VAE), Tianwen 1 (VR China) und die NASA-Mission Mars 2020 mit dem großen, 900 Kilogramm schweren Marsrover Perseverance („Ausdauer“), die am 30. Juli von Cape Canaveral aus zum Mars startete und ihn schon am 18. Februar 2021 erreichen soll. Auf diesen gut zweijährigen Besuchsturnus, den die Himmelsmechanik vorgibt, müssen wir uns auch bei künftigen astronautischen Marsflügen einstellen. Wenn sich vor der nächsten Marsopposition 2022 das „Startfenster“ erneut öffnet, wird die Landemission ExoMars der Europäischen Weltraumorganisation ESA mit ihrem Rover Rosalind Franklin auf die Reise geschickt werden.
Die diesjährige Marsopposition findet noch relativ nahe am Marsperihel statt und lässt sich daher gut beobachten sowie fotografisch eindrucksvoll abbilden. Eine ebenfalls günstige Marsopposition legte 143 Jahre zuvor den Grundstein für die moderne Marsforschung: Als Anfang September 1877 Mars nur 56,3 Millionen Kilometer von der Erde entfernt war und in Mailand minus 2,9 Größenklassen hell und 33 Grad hoch am Himmel stand, fielen dem italienischen Astronomen Giovanni Schiaparelli (1835-1910) beim Blick durch sein Teleskop feine, gerade, dunkle Linien auf der Marsoberfläche auf, welche die dunklen ‚Meere‘ auf dem Mars miteinander zu verbinden schienen und die er ‚canali‘ (Rinnen) nannte. Die vermeintlichen Rinnen, so die allgemeine Annahme, konnten nur von intelligenten, technisch versierten Lebewesen einer strukturierten Zivilisation geschaffen worden sein: Die Idee der Marsmenschen war geboren. Erst die Kameraaugen der US-amerikanischen Marssonde Mariner 9 sollten im Jahre 1971 die ‚canali‘ endgültig als optische Illusion entpuppen.
Dafür wissen wir aber über den Mars heute ungemein mehr als über alle anderen Planeten des Sonnensystems. Eine ganze Armada von Orbitern und Rovern hat sich seit Mariner 9 des roten Planeten wissenschaftlich angenommen. So deckt das seit 2004 gewonnene eindrucksvolle Kartenmaterial der hochauflösenden HRSC-Kamera auf der von der ESA dieser Tage bis Ende 2022 verlängerten Mars-Express-Mission den Planeten topographisch zu einem höheren Prozentsatz im Detail ab, als es bei der Erde (aufgrund der ausgedehnten, tiefen strahlungsabsorbierenden Ozeane) der Fall ist.
Wissenschaftlich steht die mögliche (einstige) Habitabilität und die Klimageschichte des Nachbarplaneten im Vordergrund. War der Planet in seiner Anfangszeit klimatisch nicht so kalt wie heute, dass sich einfache Lebensformen auf ihm haben bilden können? Wo ist das Wasser in flüssiger und gefrorener Form verblieben, auf dessen einstiges Vorhandensein zahlreiche ausgetrocknete Flussbetten und Canyons auf der Marsoberfläche hinweisen? Welche Erkenntnisse schlummern in den obersten Bodenschichten und stimmen die Modelle, die wir vom inneren Aufbau des Planeten haben? Und ist der Mars schließlich ein Ort, auf dem die Menschheit einst über reine Forschungs- und Fertigungsstationen hinaus, dauerhaft Fuß fassen und eine eigene von der Erde weitgehend autonome Basis gründen könnte?
Solche weiterführenden aktuellen Fragestellungen bieten sich beim Betrachten des „nahen“ Marsscheibchens in den kommenden Tagen an. Und wenn man sich vorstellt, Mars hätte sich vor 4,5 Milliarden zu einem erdgroßen und erdähnlichen Planeten entwickelt, wäre es nicht völlig ausgeschlossen, dass sich in unserem Sonnensystem im Laufe der Zeit auf zwei relativ nahe beieinander liegenden Planeten höheres Leben entwickelt hätte.
Diskutieren Sie mit im Raumcon-Forum: