Discovery startet trotz Bedenken am 1. Juli

NASA-Administrator Mike Griffin wies Bedenken seines Chefingenieurs und seines Sicherheitsmanagers zurück und legte den Start der Raumfähre Discovery für den 1. Juli fest.

Ein Beitrag von Axel Orth. Quelle: Spaceflight Now.

Der Flug ist der zweite „Return to flight“-Flug nach der Columbia-Katastrophe im Jahre 2003. Er geht zur Internationalen Raumstation ISS, um deren Vorräte aufzufüllen und ein neues ständiges Besatzungsmitglied – den Deutschen Thomas Reiter von der ESA – zur Station zu bringen. Mit weiteren Flügen, die noch für dieses Jahr geplant sind, soll dann der Bau der ISS fortgesetzt werden.

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Wegfliegendes Schaumstoffteil beim Start der Discovery 2005 – zum Glück ohne Folgen.
(Bild: NASA)

Die Bedenken der Manager konzentrieren sich auf das Risiko, das einige exponierte Schaumstoff-Verkleidungen beim Start der Raumfähre darstellen und die nun in einer Risikomatrix der NASA formal als „wahrscheinlich/katastrophal“ eingestuft wurden. Damit ist gemeint: Es ist wahrscheinlich, dass während der restlichen Dauer des Shuttle-Programms bei Starts größere Schaumstoff-Teile von den Verkleidungen abbrechen, die ihrerseits katastrophale Folgen haben können – nämlich dann, wenn sie Hitzeschutzkacheln des Shuttle treffen und Schäden verursachen, die beim späteren Wiedereintritt zum Totalverlust der Raumfähre führen. Schon beim Start der Discovery letztes Jahr war es ja zu Schaumstoffausbrüchen gekommen, die aber folgenlos blieben.

Griffin teilte Reportern vorgestern bei der abschließenden Pressekonferenz nach der entscheidenden, zweitägigen Startbereitschafts-Besprechung mit, dass er der „wahrscheinlich/katastrophal“-Einstufung nicht zustimmt. Er erklärte, dass selbst in einem Worst-Case-Szenario die Astronauten nicht in unmittelbarer Gefahr wären: Durch die neuen Kameras und andere Sensoren würde jede Beschädigung rechtzeitig bemerkt und die Crew könne entweder Reparaturen im All versuchen oder sich an Bord der ISS flüchten und auf Rettung durch ein weiteres Shuttle oder eine Sojus-Kapsel warten.

Der NASA-Administrator sagte, dass er angesichts des wachsenden Zeitdrucks entschieden habe, dass es sinnvoller sei, die Shuttleflüge mit den jetzigen Schaumstoffverkleidungen ohne Modifikationen wiederaufzunehmen, auch wenn möglichst schnell ein Neuentwurf implementiert werden soll. Ein Grund für den Zeitdruck ist sicher die Präsidentendirektive, die ISS bis 2010 fertig zu stellen und das Shuttle-Programm dann zu beenden.

Griffin ließ keinen Zweifel daran, dass bei diesen und weiteren Starts viel auf dem Spiel steht: Wenn auch nicht das Leben der Astronauten, so aber doch die Fortsetzung des Shuttle-Programms und alles, was damit verbunden ist (vor allem die Verpflichtungen der Amerikaner gegenüber den Partnerländern, zum Beispiel der Transport des ESA-Labors Columbus zur ISS). Einen weiteren Shuttle zu verlieren, wird das sofortige Ende des Programms bedeuten – auch dann, wenn es für die Crew glimpflich ausgeht.

„Wenn wir ein weiteres Fahrzeug verlieren würden, würde ich sofort veranlassen, dass das Programm beendet wird“, sagte er. „Es tut mir leid, wenn dies einigen zu unverblümt ist, aber ich bin mittlerweile an dem Punkt.“

Während der zweitägigen Besprechung hatten der Chefingenieur und der Sicherheitsmanager der NASA angesichts der „wahrscheinlich/katastrophal“-Einstufung des Schaumstoffverkleidungen-Risikos dem Start der Discovery nicht zugestimmt. Die Mehrheit der NASA-Manager stimmte allerdings „Go“, also für den Start. Die endgültige Entscheidung lag schließlich bei Michael Griffin.

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Schaumstoffverkleidungen mit Ausbruch, fotografiert beim Start der Discovery 2005.
(Bild: NASA)

Die so heiß debattierten Schaumstoffverkleidungen ummanteln Treibstoffleitungen und einen Kabelschacht an der Außenseite des riesigen externen Shuttle-Tanks. Ihre Aufgabe besteht zum einen darin, die Bildung von Eis an den sehr kalten Treibstoffleitungen zu verhindern, das beim Start abplatzen und ebenfalls Hitzeschutzkacheln beschädigen könnte, und zum anderen darin, die Leitungen und den Schacht vor den beim Start mit Überschallgeschwindigkeit auftretenden aerodynamischen Belastungen zu schützen.

Windkanalversuche mit schnell neu entworfenen, verkleinerten Verkleidungen in den vergangenen Monaten hatten überraschenderweise ergeben, dass das gegenwärtige, „althergebrachte“ Design der Verkleidungen noch am wenigsten Schaumstoffausbruch produzierte. Rein vom aerodynamischen Standpunkt aus wäre es zwar möglich, die Verkleidungen ganz wegzulassen, aber dann würde wieder die Gefahr der Eisbildung steigen. Für die nächsten Flüge sollen die Raumfähren also mit dem alten Design starten, bis ein grundlegender Neuentwurf zur Verfügung steht.

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