Unter einer schützenden Decke aus Felsen und Geröll erstrecken sich in gemäßigten Breiten zwischen 35° und 60° immense Gletscher aus Wassereis. Analysen einiger Radardaten des Mars Reconnaissance Orbiter erbrachten hierzu belastbare Indizien und somit nach menschlichem Ermessen den entsprechenden Nachweis.
Ein Beitrag von Lars-C. Depka. Quelle: The Brown University.
Die Schicht schützt das Eis vor dem Verdampfen, ein unvermeidbares Schicksal, wenn es unbedeckt der Atmosphäre in diesen Breitengraden ausgeliefert wäre. Vergleichbare Thesen, wonach sich erhebliche Mengen an Eis unter der Marsoberfläche verbergen, erhalten dadurch weitere Nahrung.
Man vermutet in den Gletschern die letzten Überbleibsel eines gewaltigen Eispanzers, der in der letzten Eiszeit auf unserem äußeren Nachbarn große Teile der Oberfläche bedeckte und bis in die gemäßigten Breiten reichte. Die letzte Eiszeit auf dem Mars begann etwa vor 2,1 Millionen Jahren und endete vor ca. 400.000 Jahren. Wie auch auf unserem Heimatplaneten, wurden die verschiedenen Marseiszeiten vermutlich durch Schwankungen der Planetenumlaufbahn bzw. in der Neigung der Rotationsachse verursacht. Bei uns auf der Erde finden solche, unter einer Decke versteckten Gletscher, ihr Gegenstück in einigen trockenen Tälern der Antarktis.
Besonders der Boden des antarktischen Beacon-Tales weist mit seinen aus der Luft gut erkennbaren sechseckigen Hügeln eine frappierende Ähnlichkeit mit den auf dem Mars beobachteten Strukturen auf. Solche Polygon-Merkmale kommen auf der Erde ausschließlich auf Permafrostböden mit erheblichem Eisgehalt vor und gelten daher als sichere Indikatoren, die die Aufmerksamkeit der Fachwelt auf sich ziehen. Formgestalterisch wirkt sich in diesem Zusammenhang direkt das dicht unter der Oberfläche liegende Eis aus, das schon durch leichte Temperaturfluktuationen im Permafrost-Bereich durch Kontraktion die beobachteten sechseckigen Formen ausbildet, indem sich feine Sedimente in die durch die Kontraktion entstandenen Risse einlagern.
Die jetzt auf dem Mars entdeckten Lagerstätten vereinigen die größten Vorkommen von Wassereis außerhalb der Polarkappen auf sich. So erreicht beispielsweise eines der untersuchten Reservoirs mit etwa der dreifachen Größe des Stadtstaates Hamburg und fast einem Kilometer Mächtigkeit wahrhaft riesige Ausdehnungen.
Die Idee freilich, nach versteckten (Wasser-) Eisdepots zu suchen, ist nicht ganz neu, und geht vom Grundsatz her auf die 1970er Jahre zurück, in denen erste Bilder der Viking Orbiter die Erde erreichten. Auf ihnen waren – zumeist an der Basis größerer Oberflächenmerkmale – leicht abfallende Gebiete mit auffallenden Fels- und Geröllablagerungen zu erkennen. Welchen Hintergrund diese, später „Aprons“ genannten Flächen aufwiesen, blieb seither viel diskutiert.
Eine verfestigte Theorie sah in den Aprons eine Art Schlamm- und Gerölllawinen, die durch kleine, ggf. sogar angetaute Eismengen ins Rutschen gerieten. Die neuen Radardaten scheinen diese Annahme und damit auch das Vorhandensein der vermuteten Eismengen in gemäßigten Breiten eindeutig zu bestätigen.
Die gesammelten Messdaten deuten darauf hin, dass die Radarwellen die relativ dünne Deckschicht aus Geröll durchdringen und von einer tiefer liegenden Schicht ohne nennenswerte Verluste in ihrer Intensität reflektiert werden. Dies ist genau das Verhalten, was bei Bodenpropen mit hohem Wassereisanteil erwartet und auf der Erde beobachtet wurde. Darüber hinaus passt die Geschwindigkeit, mit denen die Radiowellen (also die reflektierten Radarwellen) die Aprons passieren, genau zu den Werten, die bei Proben, die die Konsistenz von Wassereis aufweisen, nachgewiesen worden sind.
Nicht zuletzt die Erfahrungen und Fragestellungen, die aus den Vikingbildern der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts gewonnen wurden, führten zur Entwicklung des Radarexperiments des Mars Reconnaissance Orbiters, dessen originäre Aufgabe genau die Untersuchung der geographischen Besonderheiten der gemäßigten Breitengrade und die Analyse der geschichteten Ablagerungen ist. Die jetzt vorgestellten Ergebnisse beziehen sich auf die verdeckten Gletscher der Hellas-Region auf der südlichen Marshemisphäre.
Zwischenzeitlich sind ähnlich erscheinende Aprons, die von Cliffs ausgehen, auf der nördlichen Hemisphäre nachgewiesen worden. Erste Messungen deuten auf noch größere Wassereiseinlagerungen in diesen nördlichen Depots hin, die in Zukunft Gegenstand eingehender Untersuchungen werden.