Am 17. November 2011 fand das 24. von DLR, DGLR und FH veranstaltete Raumfahrtkolloquium in Aachen statt. Die diesjährigen Vorträge standen unter dem Thema Erdbeobachtung aus dem Weltraum und den daraus gewonnenen Erkenntnissen
Die Erdbeobachtung ist eines der wichtigsten Gebiete der Raumfahrt. Sie ermöglicht vielfältige Dienste, die allen Menschen nützlich sind. So wäre beispielsweise die Wettervorhersage der nächsten Tage ohne Satelliten, welche das Geschehen in der Atmosphäre messen, nicht möglich. Auch die Erstellung von detaillierten Landkarten bezieht ihre Daten aus der Raumfahrt. Zu diesem aufregenden Thema fand in Aachen das 24. Raumfahrtkolloquium statt.
In sieben Fachvorträgen ging es um Programme wie Living Planet von der ESA und den Anteil des DLR daran, aber auch über Missionen wie GOCE oder Cryosat 2 wurde berichtet. Ein Höhepunkt war der Bericht von Gerhard Thiele, welcher im Jahr 2000 selbst mit dem Space Shuttle in den Orbit flog und von dort sowohl mit Messinstrumenten als auch mit bloßem Auge die blaue Kugel beobachten konnte.
Erdbeobachtung im deutschen Raumfahrtprogramm
Für eine Raumfahrtnation wie Deutschland stellt die Erdbeobachtung einen beachtlichen Teil des Raumfahrtprogramms dar. Dazu sprach Dr. Hans-Peter Lüttenberg vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bonn.
Drei bedeutende Bereiche, die Erdbeobachtung versorgt, sind der gesellschaftliche, der wirtschaftliche und der wissenschaftliche. Für die Bevölkerung stellt die Erdbeobachtung viele Dienste bereit, die das tägliche Leben in vielen Bereichen erleichtern. Ein Paradebeispiel dafür ist Google Earth, welches die Beobachtung der ganzen Erde vom heimischen PC aus ermöglicht. Auch der wirtschaftliche Sektor unterstützt, da durch den Bau von Erdbeobachtungssatelliten Arbeitsplätze entstehen können und die Raumfahrtindustrie gefördert wird. Zuletzt nutzen viele Erdbeobachtungssatelliten auch der Wissenschaft, da durch Aufnahmen in verschiedenen Spektralbereichen neue Erkenntnisse über den Aufbau der Erde gewonnen werden können.
Das DLR betreibt derzeit mehrere Satelliten zum Zweck der Erdbeobachtung. In öffentlich-privater Partnerschaft mit EADS Astrium werden beispielsweise die Zwillingssatelliten TerraSAR-X und TanDEM-X betrieben, welche im Formationsflug 3D-Bilder der Erde anfertigen können. Auf ENVISAT wird vom DLR das Instrument SCIAMACHY betrieben, welches die Spurengase in der Atmosphäre untersucht. Bereits beendet ist die Mission GRACE. Sie hat Messungen über die zeitlichen Änderungen des Schwerefeldes der Erde durchgeführt. Aufgrund ihres Erfolges ist jedoch bereits eine Nachfolgemission in Planung: GRACE-F soll in Zusammenarbeit mit der NASA gestartet werden. Eine kommerzielle Initiative, welche durch das DLR finanziell unterstützt wird, ist RapidEye. Fünf baugleiche, 2008 gestartete Kleinsatelliten beobachten die Erde im optischen Bereich. Ihr Vorteil liegt in der täglichen Wiederholrate der Aufnahmen sowie in der gesicherten Beobachtung größerer Gebiete.
Auch für die Zukunft sind weitere Missionen geplant. So soll im Jahre 2015 die Mission EnMAP starten und verschiedene Parameter des Ökosystems untersuchen. Dazu ist sie mit einem anspruchsvollen Hyperspektralinstrument ausgestattet, welches über 200 Kanäle abdeckt. 2015 oder 2016 ist es geplant, auf der französischen Plattform MYRIADE das Instrument MERLIN zu starten. Dieses soll Methanquellen am Boden auf ihre Intensität hin untersuchen. Auch soll das atmosphärische Methan genauer bestimmt werden. Als weitere sogenannte „Pickup-Nutzlast“ ist METimage geplant. Das Instrument soll 2019 auf dem EUMETSAT-Satelliten MetOp-SG starten und die Mikrophysik innerhalb von Wolken genauer bestimmen.
Aber nicht nur in Einzelarbeit betreut das DLR Projekte. Es ist auch in das Living Planet-Programm der ESA involviert. Von den 6 geplanten Missionen wurden drei bereits gestartet: GOCE (2009), SMOS (2009) und Cryosat 2 (2010, der Vorgänger Cryosat ging 2005 aufgrund eines Fehlers in der Trägerrakete verloren). Weitere geplante Missionen sind ADM-Aeolus (geplanter 2013), SWARM (2012) und EARTHCARE (2015).
GOCE – Schwerefeldbestimmung aus dem niedrigen Erdorbit
Über den ersten Satellit des Living Planet-Programms der ESA, welcher die Aufgabe hat, die Unregelmäßigkeiten im Schwerefeld zu messen, referierte Prof. Dr.-Ing. Reiner Rummel vom Institut für Astronomische und Physikalische Geodäsie in München. Der Orbit des Satelliten hat nur eine Höhe von 265 km, damit dieser sich möglichst nahe an der Erde befindet. Um die Messungen durchzuführen, befinden sich im inneren 4 kubische Testmassen. Diese bestehen aus Platin-Rhodium und haben die Maße 4 cm x 4 cm x 1 cm sowie eine Masse von 320g. Sie sitzen jeweils 50 cm vom Schwerpunkt des Satelliten entfernt, wo sie einer Beschleunigung von einem Millionstel g ausgesetzt sind. Indem die Kraft, die auf diese Platten wirkt, genau gemessen wird, können Unregelmäßigkeiten im irdischen Schwerefeld genau gemessen werden.
Da die Reibung den Satelliten aufgrund seiner niedrigen Bahnhöhe innerhalb von 14 Tagen zum Absturz bringen würde und die Abbremsung außerdem die Messungen stören würde, wird diese jederzeit genau bestimmt und durch ein sehr genaues Ionentriebwerk kompensiert. Eine weitere Messmethode ist die Ermittlung der Geschwindigkeit mithilfe des US-Amerikanischen GPS. Indem die Abbremsungen und Beschleunigungen des Satelliten gemessen werden, können Rückschlüsse auf das Schwerefeld der Erde gezogen werden.
Die Messung des Erdmagnetfeldes durch CHAMP
Das Erdmagnetfeld birgt noch viele Geheimnisse, von denen bereits einige durch CHAM gelüftet wurden. Über diesen technisch anspruchsvollen Satelliten berichtete Prof. Dr. Hermann Lühr vom Deutschen GeoForschungsZentrum in Potsdam.
Der am 15. Juli 2000 auf einer russischen Kosmos-Rakete gestartete CHAMP hatte die Aufgabe, das Erdmagnetfeld, welches zu einem großen Teil äußeren, flüssigen Teil des Kerns erzeugt wird, zu untersuchen. Er war bis zum 4.9.2010 voll funktionsfähig und verglühte 15 Tage später in Erdatmosphäre. Zu seinen Instrumenten gehörten verschiedene Magnetometer, welche teilweise an einem etwa vier Meter langen Ausleger angebracht waren. Am Schwerpunkt des Satelliten befand sich zusätzlich ein Accelerometer, welches die Beschleunigung messen konnte. CHAMP war außerdem der erste Satellit, der zur Navigation auf GPS setze und so über eine Art „Autopilot“ verfügte.
Ein wichtiges Ergebnis der CHAMP-Mission war die genauere Untersuchung des EEJ (Äquatorialer Elektrojet), welche dabei zum ersten Mal ausgeführt werden konnte. Der EEJ ist ein etwa 400 km schmaler, elektrischer Strom, der in der Ionosphäre von Ost nach West fließt. Jedoch ist die Stärke dieses Stroms nicht kontinuierlich, sondern hängt von verschiedenen Faktoren (z.B. Gewittern) ab. Problematisch beim EEJ ist, dass eine erhöhte Leitfähigkeit der Ionosphäre Funksignale wie GPS stören kann.
Auch für die Mission CHAMP ist ein Nachfolger geplant: 2012 soll die aus drei Satelliten bestehende Mission SWARM starten und das Magnetfeld noch genauer untersuchen, als es ihrem Vorgänger möglich war.
ENVISAT und die Chemie unserer Atmosphäre
Die Erdatmosphäre befindet sich ständig im Umbruch und unterliegt vielen äußeren Einflussen. Über diese und die Untersuchungen dieser berichtete Prof. Dr. John P. Burrows vom Institut für Fernerkundung an der Universität Bremen.
Sowohl der Mensch wie auch die Sonne und andere äußere Einfluss verändern ständig die chemische Zusammensetzung der Erdatmosphäre. Dies wurde und wird immer noch durch das SCIAMACHY-Instrument (Scanning Imaging Absorption Spectrometer for Atmospheric CHartographY) auf dem Europäischen Umweltsatelliten ENVISAT untersucht. Dieses Spektrometer untersucht die Verteilung von Spurengasen in der irdischen Lufthülle. Aus den gewonnenen Daten können globale Daten dieser Gase erstellt werden, aus denen Rückschlüsse auf die Entstehung bzw. den Ausstoß der Atmosphärenbestandteile gezogen werden können. Ursprünglich war es geplant, zwei Instrumente dieses Typs mitzuschicken, aufgrund des begrenzten Budgets war jedoch nur ein einziges möglich.
Auf den Karten der verschiedenen Gase lassen sich viele Tätigkeiten des Menschen auf der Erde erkennen. So sind beispielsweise auf der Darstellung der globalen NO2(Stickstoffoxid)-Verteilung Schifffahrtsstraßen erkennbar. Auch Industrieländer wie das aufstrebende Südafrika sind gut sichtbar. Herausgefunden wurde bei den Untersuchungen unter anderem, dass der NO2-Gehalt in der Erdatmosphäre saisonal schwankt und der Gehalt in Europa insgesamt über die Jahre sinkt.
Die Polkappen des blauen Planeten – Cryosat 2 bestimmt die Dicke des Arktiseis
Die Dicke des Eises im Nordpolar sinkt und das hat Folgen – positive und negative. Über dieses spannende Thema und seine Erforschung durch den europäischen Satelliten Cryosat 2 berichtete Prof. Dr. Rüdiger Gerdes vom Alfred-Wegner-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremverhaven.
Dass das Eis im Nordpolarmeer weniger wird, war schon lange bekannt. Jedoch wusste man nie, wie viel weniger. Um dies genauer zu untersuchen, wurde Cryosat-2 gestartet. Der Nachfolger der aufgrund eines Raketenfehlers verloren gegangenen Mission Cryosat untersucht mithilfe eines Radarinstruments die Eisdicken im nördlichen Polarbereich. Jedoch eignet sich der Satellit eher für die Untersuchung saisonaler Unterschiede als für tagesaktuelle Messergebnisse, da er auf seiner Umlaufbahn um die Erde 90 Tage braucht, bis er sich wieder über einem Punkt der Erdoberfläche befindet.
Um zu sichern, dass Cryosat 2 die richtigen Daten liefert, wurde an einigen Stellen vom Boden aus das Ergebnis kontrolliert. Im Rahmen der CryoVEx-Kampagne (CRYOsat Validation EXperiment) wurden unter anderem mit Flugzeugen die Eisdicke aus nächster Nähe bestimmt. Hierbei wurde festgestellt, dass die Instrumente an Bord des Satelliten ordnungsgemäß kalibriert werden konnten und die Daten für wissenschaftliche Zwecke verwendet werden können.
Die Menge des Eises sinkt seit Jahren, was viele Folgen hat: Unter anderem werden neue Schifffahrtswege frei, was die Fahrtzeit und –kosten erheblich reduziert. Jedoch wird durch die höhere Anzahl von Schiffen im Polargebiet auch mehr Ruß ausgestoßen, welcher sich auf dem Eis niedersetzt. Da dadurch mehr Sonnenlicht absorbiert wird, schmilzt mehr Eis ab und die Polkappe verkleinert sich weiter.
Der Klimawandel und seine Auswirkungen auf die Erde
Durch die Raumfahrt konnten viele Erkenntnisse über das Klima und seinen Wandel gewonnen werden. Doch welche Auswirkungen hat dieser auf die Erde? Über dieses Thema referierte Dr. habil. Helmut Kühr vom Internationalen Büro des BMBF beim DLR in Bonn.
Durch den Klimawandel entstehen verschiedene Herausforderungen, die in Zukunft noch mehr beachtet werden müssen. So sollte beispielsweise mehr in die sogenannten erneuerbaren Energien investiert werden, damit eine Stromversorgung auch nachhaltig gesichert ist. Die Nachhaltigkeit ist auch in anderen Bereichen wichtig, da z.B. die Forstwirtschaft und Fischerei sonst geschädigt werden können.
Die Erde aus der Sicht eines Astronauten – Gerhard Thiele berichtete
Nicht nur mit unbemannten Satelliten wird die Erde beobachtet, auch Astronauten schauen auf die blaue Kugel. Der deutsche Gerhard Thiele war bei der Space-Shuttle-Mission STS-99 dabei und berichtete in Aachen von seiner Mission.
Während der SRTM (Shuttle Radar Topography Mission) konnte ein hochgenaues Höhenprofil der Erde erstellt werden. Dazu wurde ein etwa 60 Meter langer Mast mitgeführt, an dessen Ende eine Radarantenne befestigt war. Zusammen mit einer zweiten im Inneren der Nutzlastbucht konnten so dreidimensionale Aufnahmen der Erdoberfläche angefertigt werden, aus denen genaue Höhen aller Punkte auf der Erde berechnet werden konnten.
Dazu mussten jedoch zwei Parameter genauestens bekannt sein: Der Abstand zwischen Boden und Shuttle und der Abstand der beiden Kameras. Während die Entfernung zum Boden durchgehend vom Boden gemessen wurde, war die Bestimmung des Kameraabstands eine der Hauptaufgaben der Crew. Durch temperaturabhängige Ausdehnung und Schwingungen bei Triebwerksmanövern veränderte sich die Länge des Mastes ständig, jedoch war für die Genauigkeit der Daten eine Kenntnis unabdingbar.