Kleiner Mond mit großer Wirkung: Trotz seiner geringen Größe gelingt es dem Saturnmond Enceladus, das Magnetfeld des Planeten so zu beeinflussen, dass dieses langsamer rotiert als der Planet.
Ein Beitrag von Kirsten Müller
Deshalb ist es nahezu unmöglich, die Länge der Saturntage mit den gleichen Techniken zu messen, die bei den anderen Großplaneten angewandt werden. „Niemand konnte sich vorstellen, dass dieser kleine Mond einen solch hohen Einfluss auf die Radiotechnik haben würde, die schon seit Jahren angewandt wird, um die Länge des Saturntages zu messen“, so Dr. Don Gurnett von der University of Iowa, Iowa City, Principal Investigator des Radio- und Plasmawellen-Experimentes an Bord der Raumsonde Cassini. Die Radiotechnik misst die Länge des Saturntages anhand der Pulsrate der Radiosignale, die der Planet aussendet. Man kann sich diese Radiosignale selbst anhören.
Diese Technik wird auch bei anderen Großplaneten, wie Jupiter, Neptun und Uranus, angewandt.
Eine neue Studie der Cassini-Daten erwies, dass die Magnetfeldlinien des Saturn durch elektrisch geladene Teilchen, die aus den Wasser und Eis speienden Geysiren von Enceladus kommen, dazu gezwungen werden, sich relativ zur Rotation des Planeten zu bewegen. Diese Wahrnehmungen wurden von zwei Cassini-Instrumenten gleichzeitig gemacht: dem Radio- und Plasmawelleninstrument sowie dem Magnetometer.
Als neutrale Gasteilchen von Enceladus ausgespien, formen sie eine Donut-ähnliche Fläche um den Planeten herum. Sobald sie sich elektrisch aufladen, werden sie von Saturns Magnetfeld aufgefangen und bilden eine Scheibe aus ionisiertem Gas oder Plasma, die den Planeten in Äquatornähe umgibt. Diese Teilchen verlangsamen das Magnetfeld so stark, dass die Rotationsgeschwindigkeit der Plasmascheibe leicht gebremst wird. Diese Verlangsamung sorgt dafür, dass die Radioperiode, die durch die Rotation der Plasmascheibe beeinflusst wird, länger dauert als die tatsächliche Rotation des Planeten.
Hieraus schließen die Wissenschaftler, dass die Werte, die Cassini gemessen hat, nicht der Länge des Saturntages entsprechen, sondern vielmehr der Rotationsgeschwindigkeit der Plasmascheibe. Es ist, aufgrund der Bewegung der Wolken von Saturn, auch keine Technik bekannt, mit der man die interne Rotation des Planeten messen kann. Da Saturn ein Gasplanet ist, ohne irgendwelche festen Punkte auf der Oberfläche, gestaltet sich die Messung seiner Rotationsgeschwindigkeit als besondere Herausforderung.
Das Radiosignal vom Saturn hat sich in zweierlei Hinsicht als problematisch erwiesen. Zum einen scheint es ein pulsierendes Signal zu sein statt eines regelmäßigen rotierenden Strahls wie bei einem Leuchtturm. Außerdem scheint sich die Periode im Laufe der Monate und Jahre langsam zu verändern. Die Periode, die Cassini jetzt misst, ist um etwa sechs Minuten länger als die Periode, die die NASA-Raumsonde Voyager in den frühen 1980er Jahren gemessen hat, was eine Veränderung von nahezu 1 Prozent ist.
„Wir haben das Pulssignal mit einem rotierenden Magnetsignal verbunden. Einmal pro Rotation des Magnetfeldes verursacht eine Unregelmässigkeit einen Ausbruch von Radiowellen“, sagt Dr. David Southwood, Mitautor der neuen Studie vom Imperial College London und Wissenschaftsdirektor der ESA. „Daraufhin haben wir beide Signale mit dem Material, das von Enceladus kommt, in Verbindung gebracht.“
Aufgrund der neuen Beobachtungen haben die Wissenschaftler jetzt zwei mögliche Theorien für die Veränderung der Radioperiode. Die eine Theorie besagt, dass die Geysire auf Enceladus jetzt aktiver sind als zu Zeiten Voyagers. Die zweite nimmt an, dass es in den 29 irdischen Jahren, die Saturn braucht, um die Sonne zu umrunden, jahreszeitlich bedingte Unterschiede gibt.
„Man könnte voraussagen, dass bei hoher Aktivität der Geysire von Enceladus die Teilchen das Magnetfeld negativ aufladen und die Verschiebung des Magnetfeldes vergrößern, wobei die Periode des Radiosignals auch erhöht wird. Wenn die Geysire weniger aktiv sind, gibt es eine geringere Aufladung und dadurch eine kleinere Verschiebung des Magnetfeldes und eine kürzere Periode des Signals“, sagt Gurnett.
„Der direkte Zusammenhang zwischen Radiosignal, Magnetfeld und Rotation des Planeten ist bisher für selbstverständlich gehalten worden. Saturn zeigt uns, dass wir darüber hinaus denken sollten“, sagt Michel Dougherty vom Imperial College London, Wissenschaftlerin von Cassinis Magnetometer-Instrument.
Außerdem hat Cassini am Nordpol des Saturn eine seltsame wabenähnliche Struktur entdeckt. Diese Struktur, die den ganzen Nordpol von Saturn umgibt, ist auch schon vor mehr als zwanzig Jahren von den Sonden Voyager 1 und 2 beobachtet worden. Dass Cassini sie nun auch wahrnimmt, weist darauf hin, dass es sich hierbei um eine langlebige Struktur handelt. Auf den Cassini-Bildern ist auch ein zweites, weitaus dunkleres Sechseck zu sehen. Das Sichtbar- und Infrarotspektrometer von Cassini ist das erste Instrument, welches das gesamte sechseckige Gebilde in einem einzigen Bild aufnimmt.
„Dies ist eine sehr seltsame Figur, sie liegt genau geometrisch angeordnet mit sechs beinahe gleich langen, geraden Seiten“, sagt Kevin Baines, Atmosphärenexperte und Mitglied des NASA Jet Propulsion Laboratory Teams in Pasadena, Kalifornien. „So etwas haben wir noch nie auf einem anderen Planeten gesehen. Saturns Atmosphäre, in der man vorwiegend kreisförmige Wellen und konvektive Zellen sieht, ist wahrscheinlich der letzte Platz, wo man ein solches Sechseck vermuten würde. Trotzdem ist es da.“
Das Sechseck hat Ähnlichkeit mit der polaren Vortex auf der Erde, wo Winde kreisförmig um die Polarregion herum wehen. Auf Saturn ist diese Vortex eher sechseckig als rund. Das Sechseck hat einen Durchmesser von etwa 25.000 km; die Erde würde etwa viermal hineinpassen.
Die neuen Bilder, in thermalem Infrarotlicht aufgenommen, zeigt, dass sich das Sechseck viel tiefer in die Saturnatmosphäre ausdehnt als bisher angenommen, und zwar bis auf etwa 100 km unter die obere Wolkendecke. Innerhalb des Sechseckes liegt ein System von Wolken. Auch scheinen sich Wolken um das Sechseck herumzubewegen wie Autos auf einer Rennbahn.
„Es ist erstaunlich, solche großen Unterschiede zwischen den beiden Polen des Saturn zu sehen“, sagt Bob Brown, Teamleiter des Visual and Infrared Mapping Spectrometer Team der University of Tucson, Arizona. „Am Südpol haben wir diesen Hurricane mit dem großen Auge, und am Nordpol diese Figur, die sich völlig davon unterscheidet.“
Cassinis Kameras für sichtbares Licht können den Nordpol Saturns nicht erkennen, weil es in diesem Gebiet momentan Winter ist und das Sechseck durch die lange Polarnacht, die beim Saturn 15 Jahre dauert, bedeckt wird. Das Infrarotspektrometer kann Saturn hingegen sowohl bei Tag als auch bei Nacht aufnehmen und tief in den Planeten hineinsehen. Angefangen am 30. Oktober 2006, hat es die Figur 12 Tage lang bei thermischen Wellenlängen von etwa 5 Mikrometern fotografiert. Dies ist in etwa das Siebenfache der Wellenlänge, die das menschliche Auge wahrnehmen kann Weil sich der Winter innerhalb der nächsten zwei Jahre dem Ende zuneigt, kann es sein, dass das Gebilde bald auch für die Kameras, die mit sichtbarem Licht arbeiten, wahrzunehmen ist.
Aufgrund der neuen Bilder und der Erkenntnisse über die Tiefe der Strukturen denken die Wissenschaftler, dass sie nicht mit Saturns Radio-Emissionen oder mit Nordlichtern zusammenhängen, wie eher gedacht, obwohl Saturns Nordlicht beinahe genau darüber liegt. Schon seit den Voyager-Aufnahmen vor 26 Jahren liegt das Sechseck unverändert um Saturns Rotationsachse herum. Die Rotationsgeschwindigkeit von Saturn ist zwar nach wie vor unbekannt, aber sobald die Wissenschaftler seine Dynamik verstanden haben, könnte dieses langlebige und tief sitzende polare Sechseck helfen, wichtige Hinweise auf die tatsächliche Rotationsgeschwindigkeit der tieferen Atmosphäre und vielleicht des Inneren von Saturn geben.
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