Die Raumsonde JUICE (JUpiter ICy Moons Explorer) wird in Toulouse für den Transport zum europäischen Weltraumbahnhof Kourou vorbereitet. Die Sonde soll im April mit einer Ariane-5-Trägerrakete starten. Eine Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Quelle: DLR 20. Januar 2023.
20. Januar 2023 – „Trois, deux, un – et décollage!“ So werden im April die letzten drei Sekunden des Countdowns aus dem Kontrollzentrum in Kourou in Französisch-Guyana heruntergezählt. Dann wird eine der letzten Ariane-5-Trägerraketen vom Europäischen Weltraumbahnhof abheben. Ziel der bisher größten Planetenmission der Europäischen Weltraumorganisation ESA ist der Jupiter mit seinen großen Eismonden Ganymed, Callisto und Europa. JUICE wird sie ab dem Jahr 2031 aus der Nähe untersuchen. Unter der Eiskruste der Monde befinden sich wahrscheinlich Ozeane, in denen sogar Leben existieren könnte.
Am Bau von zwei der zehn wissenschaftlichen Instrumente war das Institut für Planetenforschung im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) maßgeblich beteiligt. Die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR steuert im Auftrag der Bundesregierung die deutschen ESA-Beiträge zu JUICE und wird sieben Instrumentbeistellungen bis zum Ende der Mission mit etwa 100 Millionen Euro fördern.
Per Flugzeug nach Südamerika
Zunächst muss JUICE (JUpiter ICy Moons Explorer) von Europa nach Südamerika transportiert werden. Zurzeit befindet sich die noch nicht betankte, leer 2.450 Kilogramm schwere Raumsonde beim industriellen Hauptauftragnehmer Airbus Defence and Space im südfranzösischen Toulouse, wo diese am 20. Januar 2023 den Medien vorgestellt wurde, ehe sie für den Transport nach Kourou verpackt wird.
Der Transport über den Atlantik wird Anfang Februar per Frachtflugzeug erfolgen. In Kourou wird die Sonde dann auf die Ariane-5-ECA-Trägerrakete platziert und mit einer Schutzverkleidung – dem sogenannten Fairing – umhüllt. Betankt wiegt die JUICE-Sonde dann fünf Tonnen. Das Startfenster für die achtjährige Reise zum Jupiter öffnet sich im April.
JUICE ist die erste Mission der L-Klasse im Cosmic-Vision-Programm der ESA, dabei steht das „L“ für „Large“. Mit diesem Programm soll herausgefunden werden, wie das Sonnensystem „funktioniert“, wie die Planeten entstanden sind und unter welchen Voraussetzungen Leben entstehen kann, das wir bis heute nur auf der Erde kennen. Ein großes Projekt ist JUICE mit seiner umfangreichen wissenschaftlichen Nutzlast, und groß ist das Ziel Jupiter schon aufgrund der Tatsache, dass der größte Planet des Sonnensystems fünfmal so weit von der Sonne entfernt ist wie die Erde, mit 140.000 Kilometern einen zehnmal so großen Durchmesser und 318-mal so viel Masse wie unser Heimatplanet hat und von insgesamt 79 Monden umkreist wird. Von diesen sind die vier größten – Ganymed, Callisto, Io und Europa – von enormem wissenschaftlichem Interesse. Sie werden nach ihrem Entdecker Galileo Galilei (1564-1641) auch die „Galileischen Monde“ genannt.
Drei Eiswelten und eine vulkanische Hitzehölle
Io, der innerste der Vier, wird von den Gezeitenkräften des Planeten so stark durchgewalkt, dass im Gesteinsmantel bei Temperaturen von weit über tausend Grad Celsius permanent Magma entsteht und das geschmolzene Gestein von großen Vulkanen an die Oberfläche befördert wird. Der schwefelgelbe Io ist der vulkanisch aktivste Körper im Sonnensystem. Von innen nach außen folgen die drei Trabanten Europa, Ganymed und Callisto. Ganymed ist mit einem Durchmesser von 5.262 Kilometern der größte Mond im Sonnensystem; Europa und Io sind mit unter 4.000 Kilometer Durchmesser etwa so groß wie der Erdmond, Callisto ist mit 4.821 Kilometer Durchmesser der drittgrößte Mond in unserem Planetensystem.
Europa benötigt für einen Umlauf um Jupiter doppelt so lange wie Io, Ganymed viermal so lange. Das bedeutet, dass diese drei Monde immer wieder wie an einer Perlenschnur aufgereiht in einer Linie stehen. Dadurch entstehen Resonanzeffekte, die im Zusammenspiel mit der gewaltigen Gravitation und den von Jupiter ausgehenden Gezeitenkräften Wärme auch im Inneren von Europa und Ganymed entstehen lassen. Das bewirkt, dass unter den bis zu minus 160 Grad kalten Eiskrusten dieser Monde genug Wärme vorhanden ist, um Wasser in mehr als 700 Millionen Kilometer Entfernung zur Sonne am Gefrieren zu hindern und tiefe Wasserschichten zu erhalten, sogenannte subkrustale Ozeane.
Ozeane (und Leben?) unter kilometerdicken Eiskrusten
Bei Europa könnte es sein, dass der Ozean unter dem nur wenigen Kilometer dicken Eispanzer sogar über 100 Kilometer tief ist. Das würde bedeuten, dass unter der Oberfläche von Europa mehr Wasser vorhanden ist als in allen Ozeanen der Erde zusammen. Auch im Inneren Callistos könnte sich ein Ozean befinden, wie bei Ganymed haben Magnetfeldmessungen hier deutliche Hinweise geliefert. Ganymed wie Callisto könnten gleich mehrere Wasserschichten haben, allerdings dann in größerer Tiefe.
Wasser ist eine Grundvoraussetzung für die Entstehung und Entwicklung von Leben. Es ist daher denkbar, dass, verborgen vor den Blicken von Weltraumkameras, in den subkrustalen Ozeanen der Jupiter-Eismonde Leben entstanden ist. JUICE wird dies zwar nicht herausfinden, aber detaillierter als die NASA-Vorläufermissionen Voyager (zwei Vorbeiflüge 1979) und Galileo (Orbiter, 1995-2003) die Eismonde charakterisieren können, ferner, ob es die Ozeane wirklich gibt, wie tief sie gelegen sind, wie viel Wasser sie beinhalten und welche mineralischen Stoffe im Wasser gelöst sein könnten.
Kamera JANUS kartiert Ganymed und Europa
Eines der JUICE-Instrumente, mit denen diese und weitere Fragen beantwortet werden sollen, ist das Kamerasystem JANUS. Hauptaufgabe von JANUS ist die fotografische Erfassung und Kartierung der Landschaften auf Ganymed und Europa. Auch sollen die auf den Oberflächen sichtbaren Auswirkungen der Gezeiteneffekte, die für die subkrustalen Ozeane verantwortlich sind – tektonische Phänomene wie Spalten und Bergrücken oder spektrale Veränderungen durch unterschiedliche Minerale infolge von Kryo-(Eis-)Vulkanismus – erfasst und interpretiert werden.
Dazu verfügt das Kamerasystem neben einer hohen räumlichen Auflösung über 13 Spektralkanäle im sichtbaren Licht und nahen Infrarot. Aus der Ferne werden auch Io sowie zahlreiche der kleinen Monde beobachtet werden. JANUS wurde in Italien, Deutschland, Spanien und Großbritannien entwickelt, Teile der Hardware im DLR-Institut für Planetenforschung gebaut.
Mit Lasern den Ozeanen auf der Spur
GALA, das Ganymed Laser-Altimeter, wird die Gezeitendeformation der Eiskruste Ganymeds messen, um Beweise für die Existenz des globalen inneren Ozeans zu erbringen. Außerdem entsteht aus einer Zahl von mehreren Millionen Laufzeitmessungen eine umfangreiche Karte der regionalen und lokalen Topographie des Mondes, die zu einem globalen Höhenmodell Ganymeds zusammengesetzt werden. Damit lassen sich Prozesse verstehen, die die einzigartige Oberfläche dieses Eismondes formten. Zusätzlich wird aus Messungen zu unterschiedlichen Zeiten während des siebentägigen Umlaufs Ganymeds um Jupiter die Gezeitendeformation der Gestalt des Trabanten bestimmt. Aus der Stärke der Deformation an den unterschiedlichen Bahnpunkten können die Existenz des inneren Ozeans nachgewiesen und die mechanischen Eigenschaften der darüber liegenden Eisschicht bestimmt werden.
Das Experiment wird auch Messungen an Europa und Callisto aufzeichnen. Erhofft man sich bei Europa Hinweise zu Wasser dicht unter der Oberfläche, dürfte es bei Callisto in tieferen Schichten anzutreffen sein. GALA wurde in Verantwortung des DLR entwickelt und in Zusammenarbeit mit dem Industriepartner HENSOLDT Optronics GmbH (Oberkochen) sowie Forschungseinrichtungen aus Deutschland, Japan, der Schweiz und Spanien gebaut. Es ist das erste Mal, dass ein solches Instrument im äußeren Sonnensystem zur Anwendung kommt.
Wettervorhersage für Jupiter und seine Monde
Ein weiteres Instrument aus Deutschland an Bord von JUICE ist das Submillimetre Wave Instrument (SWI), das in der Hauptverantwortung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Göttingen liegt. Es wird die mittleren Atmosphärenschichten des Gasriesen Jupiter sowie die äußerst dünnen Atmosphären – man spricht hier vielmehr von Exosphären – und Oberflächen der Galileischen Monde genau ins Visier nehmen. Im Vordergrund stehen dabei die Bestimmung der Temperaturstruktur, Dynamik und Zusammensetzung der verschiedenen Schichten der Jupiteratmosphäre, deren Wechselwirkung untereinander, sowie der internen Struktur Jupiters.
ESA-Mission mit starker deutscher Beteiligung
JUICE ist die größte und umfangreichste ESA-Mission zur Erforschung der Planeten des Sonnensystems. Neben der ESA haben auch die NASA und die japanische Weltraumorganisation JAXA zur Mission beigetragen. Die ESA übernimmt die Finanzierung für die Satellitenplattform, den Start mit der Ariane-5-ECA-Rakete sowie den Betrieb der Sonde. Die Finanzierung für die wissenschaftlichen Nutzlasten für JUICE werden zum größten Teil von den nationalen Raumfahrtagenturen und den beteiligten Instituten selbst getragen. Neben den Experimenten JANUS, SWI und GALA fördert die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR mit dem Teilchenspektrometer Particle Environment Package (PEP), dem Jupiter-Magnetometer (J-MAG), dem Radar-Instrument Radar for Icy Moons Exploration (RIME) und einem Instrument zur Radiosondierung der Jupiteratmosphäre (3GM) weitere deutsche wissenschaftliche Beiträge aus dem Nationalen Raumfahrtprogramm.
Im Juli 2031 wird JUICE den Jupiter erreichen und bis November 2035 insgesamt 35 Mond-Vorbeiflüge absolvieren. Im September 2034 wird die Sonde in eine elliptische, später kreisförmige Umlaufbahn um Ganymed gelenkt. JUICE ist die erste Mission, die den Mond eines anderen Planeten umkreisen wird. Bis zum Missionsende im September 2035 wird JUICE Ganymed etwa 1.250-mal umrunden. Sollte noch Treibstoff vorhanden sein, würden weitere Umläufe in nur 200 Kilometer Höhe erfolgen, die Messungen in einer Qualität ermöglichen, die für Jahrzehnte den Maßstab setzen würden. Am Ende wird die Sonde gezielt zum Absturz auf Ganymed gelenkt und auf dem steinharten Eis vollständig zerstört. Da der vermutete Ozean im Inneren von Ganymed schätzungsweise hundert Kilometer tief gelegen ist und die Nachttemperaturen unter minus 160 Grad Celsius liegen, besteht keine Gefahr, dass es zu Kontaminationen des Ganymed-Ozeans durch irdische Mikroben kommen könnte, die auf JUICE als „blinde Passagiere“ mitgereist sein könnten.
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