Die Raumsonde Cassini und der Saturnorbit Nummer 204

Am heutigen Tag beginnt für die Raumsonde Cassini der mittlerweile 204. Umlauf um den Planeten Saturn. In den folgenden 35 Tagen werden sich erneut das Ringsystem und die Atmosphäre des Saturn im Fokus des wissenschaftlichen Interesses befinden. Den Höhepunkt dieses neuen Orbits bildet jedoch ein am 7. April erfolgender dichter Vorbeiflug der Raumsonde an dem Saturnmond Titan. Im Rahmen des Vorbeifluges soll in erster Linie dessen Atmosphäre untersucht werden.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: CICLOPS, JPL, The Planetary Society.

NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute
Diese Aufnahme des Titan fertigte die NAC-Kamera von Cassini am 28. August 2013 aus einer Entfernung von etwa 2,5 Millionen Kilometern an. Am rechten unteren Rand der Mo0ndscheibe ist ein über der Südpolregion des Titan befindlicher Wolkenwirbel erkennbar.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute)

Am 24. März 2014 wird die Raumsonde Cassini um 19:02 MEZ auf ihrer elliptischen Umlaufbahn um den Saturn erneut die Apoapsis, den Punkt ihrer größten Entfernung zu dem zweitgrößten Planeten innerhalb unseres Sonnensystems erreichen. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich die Raumsonde in einer Entfernung von rund 2,96 Millionen Kilometern zu der obersten Wolkenschicht des Saturn und beginnt damit zugleich ihren mittlerweile 204. Umlauf um den Ringplaneten. Aktuell weist die Flugbahn von Cassini eine Inklination von 45,5 Grad auf.

Für das aus einer Telekamera (NAC) und einer Weitwinkelkamera (WAC) bestehende ISS-Kameraexperiment, einem der 12 wissenschaftlichen Instrumenten an Bord von Cassini, sind während dieses 35 Tage andauernden Umlaufs, dessen offizielle Bezeichnung „Rev 203“ lautet, insgesamt 44 Beobachtungskampagnen vorgesehen. Wie üblich wird ein Großteil dieser Kampagnen erneut die Atmosphäre und das Ringsystem des Saturn zum Ziel haben. Den Höhepunkt der Beobachtungen stellt allerdings ein für den 7. April 2014 vorgesehener gesteuerter Vorbeiflug am größten der derzeit 62 bekannten Saturnmonde, dem 5.150 Kilometer durchmessenden Mond Titan, dar.
Titan und Saturn aus der Ferne
Die ersten Beobachtungen der ISS-Kamera während dieses neuen Orbits werden dann am 26. März auch den Titan zum Ziel haben. Aus Entfernungen von 3,96 Millionen Kilometern soll dabei die Atmosphäre des Mondes abgebildet werden. Durch die Dokumentation von kleineren Sturmgebieten und markanten Wolkenformationen in den Atmosphären des Titan lassen sich zum Beispiel Aussagen über die dort gegenwärtig vorherrschenden Windrichtungen und Windgeschwindigkeiten tätigen. In Kombination mit früheren und zukünftigen Beobachtungen lässt sich dadurch auch die „Großwetterlage“ auf dem Titan dokumentieren, welche sich aufgrund der Bewegung des Saturn um die Sonne in einem etwa 30 Jahre dauernden Rhythmus kontinuierlich verändert (Raumfahrer.net berichtete).

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Diese Aufnahme der nicht von der Sonne beleuchteten Hemisphäre des Saturn fertigte die WAC-Kamera am 20. September 2013 aus einer Entfernung von 2,3 Millionen Kilometern an. Auch die Ringe präsentieren hier ihre zu dem Aufnahmezeitpunkt nicht von der Sonne beleuchteten „Unterseiten“.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute)

Auch in den folgenden 11 Tagen werden die Kameras der Raumsonde dazu eingesetzt, um den Titan sowie den Saturn aus größeren Entfernungen abzubilden. Neben der Dokumentation des dortigen aktuellen Wettergeschehens richtet sich das Interesse der an der Mission beteiligten Wissenschaftler dabei auf die Zusammensetzung der jeweiligen Atmosphären. Ergänzt werden diese Beobachtungen durch Messungen mit verschiedenen Spektrometern, welche dabei zum Beispiel nach Anzeichen für Polarlichter in der Saturnatmosphäre Ausschau halten sollen.

Der Titan-Vorbeiflug T-100
Am 7. April 2014 steht dann der Höhepunkt dieses 204. Umlaufs der Raumsonde Cassini um den Saturn an. Um 15:41 MESZ wird die Raumsonde den größten der Saturnmonde im Rahmen eines gerichteten Vorbeifluges mit einer Geschwindigkeit von 5,9 Kilometern pro Sekunde in einer Entfernung von lediglich 963 Kilometern passieren. Die mit diesem 101. Vorbeiflug am Titan – das Manöver trägt die Bezeichnung „T-100“ – assoziierten Beobachtungen beginnen bereits mehrere Stunden zuvor mit Fotoaufnahmen durch die ISS-Kamera, welche dabei mit verschiedenen Spektralfiltern die Nordpolregion und die dem Saturn abgewandte nördliche Titanhemisphäre abbilden wird.

Parallel hierzu soll eines der Spektrometer des Saturnorbiters, das Composite Infrared Spectrometer (CIRS), dazu genutzt werden, um diverse Scans durchzuführen. Das Ziel dieser Messungen besteht darin, die zu diesem Zeitpunkt in der Stratosphäre der Titanatmosphäre vorherrschenden Temperaturen zu ermitteln. Mit fortschreitender Annäherung an den Saturnmond soll das CIRS durch weitere Abtastungen, welche im mittleren Infrarotbereich erfolgen, zudem die Verteilung von Aerosolen und verschiedener chemischer Verbindungen in den oberen Schichten der Titanatmosphäre bestimmen.

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Ein Blick auf die Südhemisphäre des Titan, erstellt am 14. Juli 2013 durch die NAC-Kamera. Der von der Sonne beleuchtete Rand eines direkt über dem Südpol des Titan gelegenen Wolkenwirbels zeichnet sich hier deutlich erkennbar gegenüber den in Dunkelheit gelegenen Bereichen der angrenzenden Atmosphäre ab. Daraus schlussfolgern die an der Cassini-Mission beteiligten Wissenschaftler, dass sich dieser Wirbel deutlich weiter in die Höhe erstreckt als die umgebenden Atmosphärenschichten.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute)

Etwa 90 Minuten vor der dichtesten Annäherung an den Titan wird ein weiteres Instrument, das Visual and Infrared Spectrometer (VIMS), zum Einsatz kommen und in Zusammenarbeit mit der ISS-Kamera dokumentieren, wie der Stern Antares, der rötlich leuchtende Hauptstern des Sternbildes Skorpion, erst von der ausgedehnten Atmosphäre des Titan und schließlich von dem Mond selbst verdeckt wird. Durch die Beobachtung dieser Sternbedeckung und des dabei erfolgenden Helligkeitsabfalls in der Lichtkurve von Antares erhoffen sich die an dieser Beobachtungskampagne beteiligten Wissenschaftler weitere Aufschlüsse über den Aufbau und die Struktur der oberen Atmosphärenschichten des Titan.

Während der Phase der dichtesten Annäherung von Cassini an den Mond wird ein weiteres Instrument die wissenschaftlichen Aktivitäten dominieren. Das Ion and Neutral Mass Spectrometer (INMS) soll dabei durch direkte Messungen die chemische Zusammensetzung der obersten Atmosphärenschicht ermitteln. Außerdem sollen Veränderungen der Titan-Ionosphäre registriert werden, welche sich durch örtliche und tageszeitliche Unterschiede sowie durch eine eventuelle Interaktion der Titanatmosphäre mit der Magnetosphäre des Saturn und durch Strahlungseinflüsse der Sonne ergeben. Neben der Wärmestrahlung der Sonne soll dabei in erster Linie der Einfluss des Sonnenwindes auf den Titan untersucht werden.

Nach der dichtesten Annäherung wird neben dem CIRS ein weiteres Spektrometer, das Ultraviolet Imaging Spectrometer (UVIS), aktiv sein, um weitere Daten über die Struktur, Temperatur und Zusammensetzung der Titanatmosphäre zu gewinnen. Beide Instrumente sollen hierbei speziell die Südpolregion des Titan untersuchen.

Periapsis, Uranus, Ringe

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Zwischen dem Saturn und dem hellen C-Ring befindet sich der relativ dunkle und sehr staubreiche D-Ring, welcher in dieser am 21. Oktober 2013 mit der NAC-Kamera aus einer Distanz von etwa 2,4 Millionen Kilometern angefertigten Aufnahme leicht zu übersehen ist. Nach dem jetzigen Planungsstand wird die Raumsonde Cassini in den Monaten vor dem Ende der Mission im Jahr 2017 ihre letzten Umläufe um den Saturn zwischen diesem Ring und der obersten Schicht der Saturnatmosphäre durchführen. Ebenfalls in dieser Aufnahme erkennbar sind 12 Hintergrundsterne.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute)

Am 9. April wird Cassini um 18:06 MESZ die Periapsis, den Punkt der größten Annäherung an den Saturn während dieses Orbits Nummer 204 erreichen und den Ringplaneten in einer Entfernung von etwa 686.000 Kilometern passieren. Unmittelbar danach wollen die Wissenschaftler versuchen, eventuell im Bereich des Saturn-Südpols auftretende Polarlichter zu beobachten. Neben der ISS-Kamera wird dazu erneut das VIMS-Spektrometer genutzt. Am 11. April wird die ISS-Kamera zudem den Planeten Uranus abbilden, welcher sich zu diesem Zeitpunkt von Cassini aus betrachtet unmittelbar neben dem F-Ring des Saturn befindet und der auf den geplanten Aufnahmen als kleiner, bläulich leuchtender Punkt zu erkennen sein wird.

Am darauf folgenden wird die ISS-Kamera Teilbereiche des äußeren A-Ringes des Saturn abbilden. Hierbei sollen unter anderem zum wiederholten Mal sogenannte „Propellerstrukturen“ dokumentiert werden. Bei diesen lediglich etwa 15 bis 25 Kilometer großen Strukturen handelt es sich um kleine „Hohlräume“ innerhalb des Ringsystems, welche durch die gravitativen Einflüsse von vermutlich lediglich wenige Dutzend Kilometer durchmessenden Mini-Monden – so genannten Moonlets – verursacht werden. Durch die anzufertigenden Aufnahmen des A-Ringes sollen die bisher bekannten Bahnparameter dieser Moonlets noch weiter verfeinert werden.

Am 14. April soll die Kamera dann verschiedene Teilbereiche des F-Ringes des Saturn abbilden. Bei dieser Beobachtungssequenz gilt das wissenschaftliche Interesse speziell den diversen Verästelungen der gewundenen Einzelringe sowie deren Interaktion mit den in der Nähe befindlichen Monden. Frühere Beobachtungen führten zu dem Schluss, dass vor allem gravitative Wechselwirkungen mit dem weiter innen liegenden A-Ring und den beiden den F-Ring begrenzenden Saturnmonden Prometheus und Pandora die Struktur des F-Ringes gestalten. Speziell die gravitativen Einflüsse dieser beiden als Schäfermonde fungierenden Monde sind für die Ausbildung der beobachteten Wellenstrukturen des F-Ringes verantwortlich.

Die Monde des Saturn

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Der Schatten des Saturn verdeckt einen Teil des Ringsystems. Unmittelbar rechts der Bildmitte sind mehrere Speichenstrukturen erkennbar, welche sich im B-Ring befinden. Diese Strukturen wurden erstmals auf den Aufnahmen der Raumsonden Voyager 1 und Voyager 2 ausgemacht, welche den Saturn bereits Anfang der 1980er Jahre passierten. Es handelt sich hierbei um lediglich vorübergehend auftretende Erscheinungen, welche sich innerhalb von wenigen Stunden ausbilden und dann wieder auflösen. Die Planetenforscher sind sich mittlerweile weitgehend sicher, dass diese Speichenstrukturen durch elektrisch aufgeladenen Staub verursacht werden, welcher durch Abstoßungskräfte vorübergehend aus dem B-Ring herausgedrückt wird. Es wird vermutet, dass die Speichen ein saisonales Phänome darstellen und sich nur in bestimmten Zeiträumen während eines knapp 30 Jahre andauernden Saturnjahres bilden. Mit dem Fortschreiten der Jahreszeiten und dem Einsetzen des Sommers auf der nördlichen Planetenhemisphäre sollten sie dann nicht mehr auftreten. Eher unscheinbar ist dagegen auf dieser Aufnahme der immerhin rund 397 Kilometer durchmessende Mond Mimas, welcher am rechten unteren Bildrand erkennbar ist. Diese Aufnahme wurde am 22. Oktober 2013 mit der WAC-Kamera angefertigt. Die Entfernung zum Saturn betrug dabei 2,6 Millionen Kilometer.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute)

Noch am selben Tag wird sich das Interesse der Wissenschaftler wieder auf die Monde des Saturn richten, wobei zunächst einer der kleinen, äußeren Saturnmonde auf dem Beobachtungsprogramm der ISS-Kamera steht. Außer den Daten von dessen Umlaufbahn um den Saturn und seinem Durchmesser von lediglich rund sechs Kilometern ist über den erst im Jahr 2005 entdeckten Mond Fornjot bisher nur sehr wenig bekannt. Die ISS-Kamera soll Fornjot über einen Zeitraum von 36 Stunden aus einer Distanz von rund 19,5 Millionen Kilometern wiederholt abbilden. Anhand der Variationen in der sich bei dieser Beobachtungssequenz ergebenden Lichtkurve und einem Abgleich mit früheren Beobachtungen sollen die Helligkeitsvariationen auf dessen Oberfläche und die sich daraus ergebende Rotationsperiode dieses Mondes bestimmt werden.

Für den 18. April sind erneut diverse sogenannte „astrometrische Beobachtungen“ von mehreren der kleineren, inneren Saturnmonde vorgesehen. Die Umlaufbahnen dieser kleinen und entsprechend massearmen Saturnmonde unterliegen einer permanenten gravitativen Beeinflussung durch den Saturn und dessen größeren Monden, was zu minimalen Veränderungen der jeweiligen Umlaufbahnen führen kann. Das wissenschaftliche Ziel der anzufertigenden Aufnahmen der Monde besteht darin, die derzeit verfügbaren Daten über deren Umlaufbahnen noch weiter zu präzisieren.

Auch der äußere Mond Kiviuq, welcher am 19. April lediglich etwa 10,8 Millionen Kilometer von dem Saturnorbiter entfernt sein wird, soll mehrfach mit der ISS-Kamera abgebildet werden. In Kombination mit den bereits zu früheren Zeitpunkten gewonnenen Daten soll die Ausrichtung von dessen Rotationsachse ermittelt werden. Außerdem sollen die neu anzufertigenden Aufnahmen, welche allerdings keine Oberflächendetails enthüllen werden, dazu dienen, die Form und Gestalt dieses lediglich rund 16 Kilometer durchmessenden Mondes zu bestimmen.

Am 27. April 2014 wird die Raumsonde Cassini schließlich um 15:47 MESZ in einer Entfernung von rund 3,4 Millionen Kilometern zum Saturn erneut die Apoapsis ihrer Umlaufbahn erreichen und damit auch diesen 204. Umlauf um den Ringplaneten beenden. Für den damit beginnenden Orbit Nummer 205 sind erneut diverse Beobachtungen des Ringsystems und der Atmosphäre des Saturn sowie der Saturnmonde vorgesehen. Den Höhepunkt dieses nächsten Orbits bildet dabei ein weiterer gesteuerter Vorbeiflug an dem Mond Titan, welcher von der Raumsonde am 17. Mai 2014 in einer Entfernung von 2.994 Kilometern erneut passiert werden wird.

Die Mission Cassini-Huygens ist ein Gemeinschaftsprojekt der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA, der europäischen Weltraumagentur ESA und der italienischen Weltraumagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien, eine Abteilung des California Institute of Technology (Caltech), leitet die Mission im Auftrag des Direktorats für wissenschaftliche Missionen der NASA in Washington, DC. Nach dem derzeitigen Planungsstand soll Cassini den Saturn noch bis zum Jahr 2017 erkunden und am 15. September 2017 aufgrund des dann nahezu komplett aufgebrauchten Treibstoffvorrates kontrolliert in der Atmosphäre des Ringplaneten zum Absturz gebracht werden.

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