Die Raumsonde Cassini nähert sich gegenwärtig dem wissenschaftlichen Höhepunkt ihrer 133. Umrundung des Planeten Saturn. In den frühen Morgenstunden des 5. Juni wird Cassini dabei den größten der Saturnmonde, den Titan, in einer Überflughöhe von 2.044 Kilometern passieren.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: CICLOPS, JPL. Vertont von Peter Rittinger.
Die Raumsonde Cassini nähert sich gegenwärtig dem Höhepunkt ihrer wissenschaftlichen Aktivitäten während der mittlerweile 133. Umkreisung des Planeten Saturn. Dieser 133. Umlauf um den Ringplaneten, welcher auch als REV132 bezeichnet wird, begann bereits am 26. Mai 2010. An diesem Tag befand sich die Raumsonde rund 2,22 Millionen Kilometer von dem Ringplaneten entfernt und hatte damit den Punkt des größten Abstandes zum Planeten auf ihrer elliptischen Saturn-Umlaufbahn erreicht. In den folgenden Tagen erfolgte dann wieder eine Annäherung an den Planeten. Am 3. Juni 2010 näherte sich Cassini dabei um 09:43 Uhr MESZ der obersten Wolkenschicht des Saturn bis auf eine Distanz von 104.920 Kilometern. Zu diesem Zeitpunkt begannen auch Beobachtungskampagnen, welche mehrere der kleineren Monde sowie das Ringsystem des zweitgrößten Planeten unseres Sonnensystems zum Ziel hatten.
Zuerst wandte Cassini sich dem Mond Pandora, einem Schäfermond des F-Rings, zu. Dieser lediglich 110 x 88 x 62 Kilometer messende Mond wurde dabei aus einer Distanz von etwa 100.000 Kilometern abgebildet. Anschließend richtete sich die Hauptkamera der Raumsonde, das ISS-Kamerasystem, auf den äußeren Bereich des A-Ringes und bildete diesen nahezu komplett ab. Für die dabei gewonnenen hochaufgelösten Aufnahmen wurde in erster Linie die NAC-Kamera, einer der beiden Komponenten der ISS-Kamera, verwendet. Mit Hilfe dieser Aufnahmen soll im anschließenden Bildauswertungsprozess nach weiteren propellerartigen Strukturen innerhalb des A-Ringes gesucht werden, welche auf die Existenz kleiner Minimonde, den sogenannten Moonlets, schließen lassen.
Größere, mehrere Kilometer durchmessende Objekte wie etwa die Monde Pan und Daphnis sind in der Lage, aufgrund ihrer Gravitation Lücken innerhalb der Ringe freizulegen, welche sich über den gesamten Umfang des Ringsystems erstrecken. Für das Aufreißen solcher relativ deutlich erkennbaren Breschen ist die von den lediglich etwa 100 Meter durchmessenden Moonlets ausgehende Gravitationskraft allerdings zu schwach. Diese Minimonde formen deshalb lediglich räumlich begrenzte Lücken innerhalb der Ringe, welche von ihrem Aussehen her an Flugzeugpropeller erinnern. Der Nachweis solcher Moonlets ist für die Wissenschaftler deshalb von Bedeutung, da durch sie die verschiedenen Modelle zur Entstehung des gesamten Ringsystems noch weiter verfeinert und präzisiert werden können. Lesen Sie dazu auch diesen Bericht von Raumfahrer.net.
Gegen 22:30 Uhr MESZ, also in wenigen Minuten, steht schließlich eine Beobachtung des Mondes Rhea auf dem Arbeitsprogramm der Raumsonde, welcher durch das Composite Infrared Spectrometer (CIRS) aus einer Entfernung von mehr als 70.000 Kilometern abgebildet werden soll. Zusätzlich werden mit der ISS-Kamera mehrere Aufnahmen der Südpolregion dieses Mondes angefertigt. Das Hauptaugenmerk richtet sich dabei auf das Tirawa-Impaktbassin und weitere in dieser Region befindliche Krater.
Am 5. Juni 2010 steht dann die mittlerweile 70. nahe Begegnung mit dem größten Mond des Saturn, dem 5.150 Kilometer durchmessenden Titan, auf dem Programm. Um 04:26 Uhr MESZ wird Cassini diesen Mond in einer Höhe von 2.044 Kilometern mit einer Geschwindigkeit von 5,9 Kilometern pro Sekunde überfliegen. In der Annäherungsphase an den Mond werden das Composite Infrared Spectrometer (CIRS), das Visual and Infrared Mapping Spectrometer (VIMS) und das RADAR-Instrument der Sonde die wissenschaftlichen Aktivitäten der Sonde bestimmen, da sich Cassini in dieser Flugphase dem Titan auf der nicht vom Sonnenlicht angestrahlten Seite nähert.
Dabei wird zuerst das VIMS-Spektrometer aus größerer Entfernung den nur als dünne Sichel erscheinenden Mond erfassen. Anschließend wird das CIRS-Spektrometer die Zusammensetzung der Titan-Atmosphäre bestimmen, indem diese an verschiedenen Breitengraden im mittleren Infrarot abgebildet wird. Das Hauptaugenmerk soll dabei zuerst auf den Bereich um den Südpol des Mondes gerichtet werden. Im August 2009 begann auf der Südhemisphäre des Mondes der etwa 7,5 Jahre andauernde Titan-Herbst. Das CIRS-Spektrometer soll deshalb ermitteln, ob und wie weit sich die Titan-Atmosphäre durch diesen Wechsel der Jahreszeiten in diesem Bereich verändert hat. Parallel dazu werden bis 15 Minuten vor der dichtesten Annäherungen Radar-Messungen der Mondoberfläche durchgeführt. Nach dem Abschluss dieser Messungen wird wieder das VIMS-Spektrometer übernehmen und innerhalb der folgenden zwei Stunden insgesamt neun Abbildungen der nördlichen Polarregion anfertigen.
Drei dieser Aufnahmen werden sich speziell auf eines der großen Meere auf der Nordhemisphäre des Titan, auf das Ligeia Mare, konzentrieren. Mit einer Fläche von mehr als 100.000 Quadratkilometern bedeckt dieses ausgedehnte Meer aus flüssigem Methan etwa 0,12 Prozent der Titanoberfläche. Zum Vergleich: Der größte irdische See, das Kaspische Meer, bedeckt lediglich 0,077 Prozent der Erdoberfläche. Die erste VIMS-Aufnahme, welche aus einer Distanz von etwa 2.500 Kilometern erfolgt, wird dabei die Region zwischen dem Westrand des Ligeia Mare und dem östlichen Arm des Kraken Mare abbilden. Durch die dabei gewonnenen Messergebnisse, so die Erwartung der Wissenschaftler, sollte es möglich sein, die Existenz von flüssigem Methan und Äthan nachzuweisen, welches sich vermutlich durch die zahlreichen Zuflüsse in das Ligeia Mare ergießt. Die restlichen VIMS-Aufnahmen sollen später zu einem Mosaik zusammen gesetzt werden, welches die Nordpolregion des Titan zusammenhängend darstellen soll. Unterstützt werden diese Messungen durch vier zeitgleich angefertigte Aufnahmen der WAC-Kamera, der Weitwinkelkamera des ISS-Kamerainstruments.
Nach dem Abschluss dieser VIMS-Kampagne wird zunächst wieder das UVIS-Spektrometer die Regie übernehmen und einen langsam ablaufenden und über einen Zeitraum von sieben Stunden andauernden Scan der Äquatorregion und der in der oberen Atmosphäre des Mondes befindlichen Wolkenschleier durchführen. Währenddessen wird sich das CIRS-Spektrometer auf das Zentrum des jetzt sichtbaren Bereiches von Titan richten und Beobachtungen im Fern-Infrarotbereich durchführen. Anschließend wird das ISS-Kamerasystem eingesetzt, um ein neunteiliges Mosaik der von Saturn abgewandten Mond-Hemisphäre anzufertigen. Dieses mit dem Arbeitstitel „MONITORNA001“ versehene Mosaik wird aus einer Entfernung zwischen 239.000 und 275.000 Kilometern angefertigt werden. Abschließend soll noch einmal das VIMS-Spektrometer aktiv werden und eine globale Ansicht des Titan mit einer relativ niedrigen Auflösung liefern.
Die bis hierher gewonnenen Messergebnisse und Bildaufnahmen sollen noch im Laufe des 6. Juni 2010 an das Deep-Space-Netzwerk der NASA übermittelt werden. Nach dem Abschluss dieser Datentransmission wird die ISS-Kamera den Titan am 6., am 7. und am 10. Juni erneut mehrfach abbilden. Das Ziel dieser ergänzenden Aufnahmen besteht darin, die im Verlauf des T-69-Manövers beobachteten Wolken in der Mondatmosphäre über eine Zeitspanne von mehreren Tagen optisch zu verfolgen. Auf diese Weise erhoffen sich die Wissenschaftler weitere Erkenntnisse über die dort vorherrschenden Windrichtungen und Windgeschwindigkeiten in der mittleren und oberen Troposphäre sowie allgemeine Angaben über in diesem Zeitraum stattfindende Veränderungen in der Ausdehnung dieser Wolken. Das Verständnis der Entwicklungsgeschichte der Methanwolken des Titan, so die für Cassinis Aktivitäten verantwortlichen Wissenschaftler, ist eine Grundvoraussetzung, um letztendlich einen Einblick in die globale Zirkulation der dortigen Atmosphäre zu gewinnen. Nur mit entsprechenden Daten kann man wissenschaftlich belegte Aussagen darüber tätigen, warum sich diese Wolken überhaupt bilden und ob die auf dem Titan vorherrschenden klimatischen Verhältnisse eventuell zu Methanniederschlägen in Form von „Regen“ führen können.
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