Der private Sektor gewinnt in der Raumfahrt zunehmend an Bedeutung: Selbst bemannte Orbitalflüge werden wohl bald nicht mehr ausschließlich die Domäne staatlicher Raumfahrtorganisationen sein. In diesem Rückblick soll es deshalb um die Erfolge und Misserfolge (und alles, was dazwischen liegt) privater Firmen im vergangenen Jahr gehen.
Autor: Gero Schmidt.
Das COTS-Programm der NASA
Im Januar 2006 verkündete die NASA offiziell ihre Absicht, private Unternehmen mit der Entwicklung neuer, orbitaler Raumfahrzeuge zu beauftragen, um die Internationale Raumstation im nächsten Jahrzehnt kostengünstig mit Fracht versorgen zu können. Später wären auch bemannte Flüge möglich. Das Vorhaben läuft unter der etwas sperrigen Bezeichnung “Commercial Orbital Transportation Services” (zu deutsch etwa: Kommerzielle orbitale Transportdienstleistungen).
Da die Space Shuttles 2010 außer Dienst gestellt werden, der Nachfolger “Orion” noch bis 2014 auf sich warten lassen wird, und eine Abhängigkeit von anderen Ländern (insbesondere Russland), was den Zugang zum Weltraum betrifft, in der amerikanischen Politik als nicht akzeptabel gilt, muss die NASA dafür sorgen, dass rechtzeitig alternative Beförderungsmöglichkeiten geschaffen werden. Im Rahmen des COTS-Programms wurden aus einer Schar von über zwanzig Bewerbern im August 2006 zwei Firmen ausgewählt, um mit finanzieller Unterstützung der NASA ein solches alternatives Konzept zu entwickeln. Es handelt sich bei den Unternehmen um SpaceX und Rocketplane/Kistler, zwei amerikanische Firmen, die bereits vor Beginn des COTS-Programms an der Entwicklung von Orbitalraketen gearbeitet hatten: SpaceX’s kleiner Träger “Falcon 1” unternahm im März 2006 einen wenig ruhmreichen Hopser; die unbemannte Rakete stürzte ab, nachdem an Bord ein Feuer ausgebrochen war. Anfang 2007 will man einen zweiten Versuch unternehmen. Für COTS setzt SpaceX allerdings auf den größeren Nachfolger “Falcon 9“, an dessen Spitze eine kleine Kapsel in die Umlaufbahn befördert werden soll. Dieses “Dragon” getaufte Raumfahrzeug wäre auch für bemannte Flüge einsetzbar.
Kistler Aerospace arbeitete in den 90er Jahren an der “K1“-Trägerrakete, die angeblich zu 75% fertig gestellt war, als das Geld ausging. Mit finanzieller Unterstützung von Rocketplane will man das Projekt nun erfolgreich zu Ende bringen.
Die beiden Firmen erhalten, über mehrere Jahre verteilt, knapp 500 Millionen Dollar von der NASA (Rocketplane/Kistler: 207 Millionen, SpaceX: 278 Millionen). Verglichen mit den sonst üblichen Entwicklungsbudgets für Trägerraketen und bemannte Raumfahrzeuge ist das sehr wenig. Die Firmen werden daher auch versuchen, weitere Geldgeber für ihre Projekte zu gewinnen.
Die NASA wird sich, was das Technische angeht, völlig heraushalten: Es werden lediglich ein paar klare Vorgaben gemacht, was die Firmen am Ende leisten müssen. Wie sie das schaffen, bleibt ihnen überlassen. Die Unternehmen können ihre Dienste nicht nur der NASA, sondern auch privaten Kunden anbieten.
Durch COTS könnte 2006 als das Jahr in die Geschichte eingehen, in dem die NASA ernsthaft begann, die private Raumfahrt zu fördern und neue Wege zu gehen.
Bigelow Aerospace: Eine Raumstation für den kleinen Geldbeutel
Im Juli 2006 wurde die erste privat finanzierte und entwickelte Raumstation von einer modifizierten SS 18-Interkontinentalrakete (“Dnepr”) in die Umlaufbahn gebracht. Der Start erfolgte vom russischen Raketenstützpunkt Domborovski.
Das “Genesis 1” getaufte, unbemannte Testmodul wurde von der in Nevada ansässigen Firma Bigelow Aerospace entwickelt.
Es ist die erste Station dieses Typs: Beim Start ist ihre flexible, mehrlagige Hülle um die Mittelachse zusammengepackt, erst im Orbit, wenn der Innenraum unter Druck gesetzt wird, entfaltet sie sich. Das spart Gewicht und Kosten und ermöglicht die Schaffung von großen Orbitalkomplexen, ohne dass dafür der Einsatz überdimensionierter Trägerraketen erforderlich wäre. Außerdem ist die Hülle solcher “aufblasbaren” Module widerstandsfähiger gegen Strahlung und Weltraummüll.
Der Milliardär Robert Bigelow, der sein Vermögen mit einer (irdischen) Hotelkette gemacht hat, setzt sich große Ziele: Die um ein Vielfaches größeren Nachfolgemodelle von “Genesis 1” will er für 100 Millionen Dollar das Stück verkaufen, an Konzerne (für Forschungsarbeiten in der Schwerelosigkeit), an Tourismusunternehmen, sowie an andere Staaten, die kostengünstig ein eigenes bemanntes Raumfahrtprogramm aufbauen möchten. Auch eine Kooperation mit der NASA ist angedacht. Da “Genesis 1” ein voller Erfolg war, hat sich der Zeitplan nun sogar vorverschoben.
Virgin Galactic: Captain Kirk kneift
Das vom britischen Milliardär Richard Branson gegründete Untenehmen arbeitet weiter mit Hochdruck an der Vorbereitung der ersten kommerziellen bemannten Raumflüge. Die eigentliche Entwicklungsarbeit wird dabei von Burt Rutans Firma Scaled Composites in Kalifornien geleistet. Im Bundesstaat New Mexico wurde derweil mit dem Bau eines Raumflughafens begonnen wurde, den Virgin Galactic nutzen will.
2006 gab es zwar keine großen Enthüllungen oder Überraschungen, immerhin wurde aber Ende September in New York ein 1:1 Modell des Innenraums von SpaceShipTwo präsentiert. Mit diesem Raumgleiter sollen in zwei bis drei Jahren die ersten zahlenden Passagiere zu suborbitalen Kurztrips ins All starten: SpaceShipTwo wird von einem großen Trägerflugzeug (White Knight 2) auf Höhe gebracht, bevor es seinen Raketenmotor zündet und auf einer parabelförmigen Bahn die Atmosphäre verlässt und in den Weltraum vorstößt. Die Passagiere genießen einige Minuten Schwerelosigkeit und eine fantastische Aussicht aus über 100 Kilometern Höhe.
Angeblich haben bereits diverse Stars und Sternchen ein Ticket gekauft (zum stolzen Preis von 200.000 Dollar), etwa Tom Cruise oder Paris Hilton (leider erreicht SpaceShipTwo nicht Fluchtgeschwindigkeit, die Passagiere kehren also mit Sicherheit zurück). William Shatner, dem Darsteller von Captain Kirk aus “Star Trek”, wurde sogar ein Gratisticket angeboten, doch er lehnte ab und begründete dies damit, dass er sich nicht im Weltraum übergeben wolle.
Anousheh Ansari erfüllt sich einen Traum
Die iranischstämmige US-Unternehmerin Anousheh Ansari wurde 2006 zur ersten weiblichen Weltraumtouristin der Geschichte. Für etwa 20 Millionen Dollar wurde sie am 18. September an Bord einer russischen Sojus-Rakete zur Internationalen Raumstation befördert, wo sie zehn Tage verbrachte.
Sie hatte bereits den X-Prize, der 2004 von Burt Rutan mit SpaceShipOne gewonnen wurde, mit einer großzügigen Spende bedacht und will sich auch weiterhin für die private Raumfahrt engagieren.
Google und NASA bilden ein Team
Die bereits 2005 angekündigte Zusammenarbeit zwischen dem Suchmaschinenbetreiber Google und dem NASA Ames-Forschungszentrum in Kalifornien nahm in diesem Jahr konkretere Formen an: Im Dezember verkündete man in einer gemeinsamen Pressemitteilung, dass Google in Zukunft große Datenmengen der NASA für die breite Öffentlichkeit aufbereiten und zugänglich machen wolle, etwa Aufnahmen und Daten von Apollo- und Space Shuttle-Missionen, von Raumsonden oder Wettersatteliten. Außerdem soll im IT-Bereich allgemein enger kooperiert werden.
X Prize Cup 2006
Zum zweiten mal fand in diesem Jahr der Wirefly X Prize Cup in Las Cruces, New Mexico statt. Mit dieser Veranstaltung soll das öffentliche Interesse an der (privaten) Raumfahrt gesteigert werden. In diesem Jahr standen drei Wettbewerbe, für die insgesamt 2,5 Millionen Dollar Preisgeld ausgelobt waren, im Mittelpunkt. Insbesondere die “Space Elevator Games”, bei denen Schritt für Schritt Schlüsseltechnologien für den Bau eines Weltraumaufzugs entwickelt werden sollen, könnten langfristig große Bedeutung erlangen.
Daneben wurden diverse Prototypen präsentiert, Triebwerkstests durchgeführt und Schauflüge unternommen.
Die Veranstaltung soll in den kommenden Jahren weiter wachsen, was bei der erwarteten Zunahme an Attraktionen auch realistisch erscheint.
Fazit
Alles in allem kann man sagen, dass 2006 ein überaus erfolgreiches Jahr für die private Raumfahrt war. Bereits begonnene Projekte schreiten planmäßig voran, neue Unternehmungen wurden gestartet und größere Rückschläge blieben erfreulicherweise aus.
Das neue Jahr kann kommen…
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