Die Pioneer-Anomalie im Test

Wie die aktuelle Ausgabe von Physics World berichtet, diskutiert die Europäische Weltraum-Agentur noch im September über die Durchführung eines Tests, der das merkwürdige Verhalten der Pioneer Sonden im äußeren Sonnensystem erklären soll.

Ein Beitrag von Ingo Froeschmann. Quelle: Physics World.

Seit 1998 wissen die Astronomen, dass die Raumsonden Pioneer 10 und Pioneer 11 nicht exakt den vorausberechneten Flugbahnen folgen, sondern leicht in Richtung des inneren Sonnensystems abgelenkt werden. Die Sonden wurden 1972 und 1973 gestartet, um als erste die großen Gasplaneten aus der Nähe zu erkunden. Sie sind nun am Rand unseres Sonnensystems: Pioneer 10 zum Beispiel ist etwa 86 Astronomische Einheiten (1AE = Entfernung Erde – Sonne) entfernt. Aber die Sonden sind nicht genau dort, wo sie sein sollten, wenn nur die Anziehungskräfte der bekannten Körper des Sonnensystems berücksichtigt werden.

Als die Sonden zwischen 20 und 70 AE entfernt waren, stellten die Forscher fest, dass die von der Sonde reflektierten Mikrowellensignale leicht, aber konstant, abwichen.

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Grafik der Sonde Pioneer 10 (Quelle: NASA)

Das bedeutete für die Sonden eine zusätzliche Beschleunigung in Richtung des inneren Sonnensystems, die mit einem Zehnmilliardstel der Erdanziehung zwar sehr schwach, aber doch messbar war. Die ersten Erklärungsversuche zielten auf die Sonden und ihre Eigenschaften wie Wärmeabstrahlung oder Lecks in den Antriebstanks. Gefunden wurde nichts, was die gleichzeitige und gleichförmige Abweichung zwei verschiedener Sonden erklären konnte.
Erste Versuche, die Anomalie mit anderen Sonden wie Galileo oder Voyager zu überprüfen, verliefen ergebnislos. Andere Missionen, die jetzt im Planungsstadium sind, sind nicht für die Untersuchung der Pioneer Anomalie vorgesehen. Da sich aber der Verdacht verstärkt, dass die bekannten physikalischen Gesetze für eine Erklärung nicht ausreichen, schien es an der Zeit, eine Untersuchung zu starten.

Auf dem Cosmic Vision Workshop im September in Paris wird von Wissenschaftlern und ESA die nahe Zukunft der Weltraumerforschung in den Jahren 2015 bis 2025 diskutiert werden. Ein Thema wird die Pioneer Anomalie sein. Sollte die Anomalie tatsächlich nur durch neuartige Physik zu erklären sein, dann würde uns unser eigenes Sonnensystem helfen, diese Theorien auch zu testen.

Es gibt eine Reihe von theoretischen Ansätzen. Einer davon ist die sogenannte dunkle Materie. Diese soll erklären, warum Galaxien eine größere Anziehung haben, als es die sichtbare Materie vermuten lässt.

Auch Einsteins Relativitätstheorie ist im Gespräch. Diese Theorie lässt sich bis heute nicht mit der Quantenmechanik kombinieren. Beide Theorien funktionieren auf praktischer Ebene nebeneinander, aber die Verbindung fehlt eben noch.

Aber auch ein bislang nicht entdeckter mechanischer Fehler der Pioneer Sonden kann nicht ausgeschlossen werden. Nüchtern betrachtet, ist das die wahrscheinlichste Erklärung. Aber wie das Ergebnis am Ende auch ausfällt: Es ist eine lohnende Frage, da sich durch die Lösung entweder das Design von Raumfahrzeugen verbessern oder die Physik verändern wird.

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